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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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den, den Vortrag eines baldigen Verlöbnisses, und
kurtz darauf anzustellender Hochzeit anzunehmen,
indem sie nebst andern erheblichen Ursachen, vor-
nehmlich diese anführete: Daß sie ihn wenigstens
erstlich Jahr und Tag, wegen seiner Treue auf der
Probe halten müsse. Jhren Bruder hatte er durch
Geschencke und andere Gefälligkeiten, nach und
nach dermassen eingenommen, daß es schiene, als
ob sie ein Hertz und eine Seele wären, wie denn auch
dieser August, mehr bey ihm als bey uns war, und
ohnfehlbar sein natürliches Geschlechte, bey Ferdi-
nands
Köchinnen und Mägden vermehrte. Jm
Gegentheil wurde meine Copulations- Raths-
Charge gäntzlich cassirt, weil Ferdinand, seiner
Meinung nach, keinen ferneren Vorsprecher mehr
bedürffe, doch bekam ich zum höflichen Abschiede
noch 12. Stück spec. Ducaten, welche vielleicht das
AEquivalent des gebräuchlichen Kuppel-Peltzes seyn
solten.

Jmmittelst kamen Charlotte und ich, fast alle
Nacht an dem vorerwehnten Orte zusammen, denn
unsere brennende Liebes-Hitze, konte der damahli-
gen Kälte des Winters, noch ziemlichen Widerstand
thun, doch mußten wir uns sehr genau in acht neh-
men, daß die, durch offt wiederhohltes Küssen be-
feuchte Lippen, nicht etwa ihr zartes Häutlein an den
unbarmhertzigen eisernen Stäben hängen liessen,
welches ich nur ein eintzigesmahl mit ziemlicher Em-
pfindlichkeit gewahr wurde, allein die hefftige Liebe
verschmertzte alles, in Betrachtung, daß man vor
dergleichen Delicatesse auch etwas ausstehen müsse.

Jch wußte inzwischen nicht zu begreiffen, warum

der

den, den Vortrag eines baldigen Verloͤbniſſes, und
kurtz darauf anzuſtellender Hochzeit anzunehmen,
indem ſie nebſt andern erheblichen Urſachen, vor-
nehmlich dieſe anfuͤhrete: Daß ſie ihn wenigſtens
erſtlich Jahr und Tag, wegen ſeiner Treue auf der
Probe halten muͤſſe. Jhren Bruder hatte er durch
Geſchencke und andere Gefaͤlligkeiten, nach und
nach dermaſſen eingenommen, daß es ſchiene, als
ob ſie ein Hertz und eine Seele waͤren, wie denn auch
dieſer Auguſt, mehr bey ihm als bey uns war, und
ohnfehlbar ſein natuͤrliches Geſchlechte, bey Ferdi-
nands
Koͤchinnen und Maͤgden vermehrte. Jm
Gegentheil wurde meine Copulations- Raths-
Charge gaͤntzlich caſſirt, weil Ferdinand, ſeiner
Meinung nach, keinen ferneren Vorſprecher mehr
beduͤrffe, doch bekam ich zum hoͤflichen Abſchiede
noch 12. Stuͤck ſpec. Ducaten, welche vielleicht das
Æquivalent des gebraͤuchlichen Kuppel-Peltzes ſeyn
ſolten.

Jmmittelſt kamen Charlotte und ich, faſt alle
Nacht an dem vorerwehnten Orte zuſammen, denn
unſere brennende Liebes-Hitze, konte der damahli-
gen Kaͤlte des Winters, noch ziemlichen Widerſtand
thun, doch mußten wir uns ſehr genau in acht neh-
men, daß die, durch offt wiederhohltes Kuͤſſen be-
feuchte Lippen, nicht etwa ihr zartes Haͤutlein an den
unbarmhertzigen eiſernen Staͤben haͤngen lieſſen,
welches ich nur ein eintzigesmahl mit ziemlicher Em-
pfindlichkeit gewahr wurde, allein die hefftige Liebe
verſchmertzte alles, in Betrachtung, daß man vor
dergleichen Delicateſſe auch etwas ausſtehen muͤſſe.

Jch wußte inzwiſchen nicht zu begreiffen, warum

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[114/0128] den, den Vortrag eines baldigen Verloͤbniſſes, und kurtz darauf anzuſtellender Hochzeit anzunehmen, indem ſie nebſt andern erheblichen Urſachen, vor- nehmlich dieſe anfuͤhrete: Daß ſie ihn wenigſtens erſtlich Jahr und Tag, wegen ſeiner Treue auf der Probe halten muͤſſe. Jhren Bruder hatte er durch Geſchencke und andere Gefaͤlligkeiten, nach und nach dermaſſen eingenommen, daß es ſchiene, als ob ſie ein Hertz und eine Seele waͤren, wie denn auch dieſer Auguſt, mehr bey ihm als bey uns war, und ohnfehlbar ſein natuͤrliches Geſchlechte, bey Ferdi- nands Koͤchinnen und Maͤgden vermehrte. Jm Gegentheil wurde meine Copulations- Raths- Charge gaͤntzlich caſſirt, weil Ferdinand, ſeiner Meinung nach, keinen ferneren Vorſprecher mehr beduͤrffe, doch bekam ich zum hoͤflichen Abſchiede noch 12. Stuͤck ſpec. Ducaten, welche vielleicht das Æquivalent des gebraͤuchlichen Kuppel-Peltzes ſeyn ſolten. Jmmittelſt kamen Charlotte und ich, faſt alle Nacht an dem vorerwehnten Orte zuſammen, denn unſere brennende Liebes-Hitze, konte der damahli- gen Kaͤlte des Winters, noch ziemlichen Widerſtand thun, doch mußten wir uns ſehr genau in acht neh- men, daß die, durch offt wiederhohltes Kuͤſſen be- feuchte Lippen, nicht etwa ihr zartes Haͤutlein an den unbarmhertzigen eiſernen Staͤben haͤngen lieſſen, welches ich nur ein eintzigesmahl mit ziemlicher Em- pfindlichkeit gewahr wurde, allein die hefftige Liebe verſchmertzte alles, in Betrachtung, daß man vor dergleichen Delicateſſe auch etwas ausſtehen muͤſſe. Jch wußte inzwiſchen nicht zu begreiffen, warum der

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/128>, abgerufen am 24.11.2024.