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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Anbey hatte meine übel exercirte poetische Feder
folgende Aria ausfliessen lassen:

ARIA.
1.
Jsts wahr, ihr allerschönsten Augen,
Daß ihr charmant und grausam seyd?
Nein! dieses schickt sich nicht zusammen,
Drum stifftet ihr gleich Gluth und Flammen,
So laßt doch endlich mit der Zeit
Aus euren Blicken Kühlung saugen. Da Capo.
2.
Erwegt, daß meine treue Seele
Durch euren Strahl entzündet ist,
Betrachtet doch in meinem Hertzen
Den Einfluß aller Angst und Schmertzen,
Wo Gram und Furcht das Hertze frißt,
Seht an! ach seht, wie ich mich quäle! Da Capo.
3.
Drum laßt ihr schönsten Augen-Sonnen
Euch endlich zur Erbarmung ziehn,
Vergöttert euch durch Huld und Güte,
So kömmt mein Hoffen bald zur Blüthe.
So muß der Schmertz von hinnen fliehn,
So hat mein treues Hertz gewonnen. Da Capo.

Kaum hatte der äusserst-verliebte Ferdinand das
Concept von beyden sich vorlesen lassen, als er gleich
Decken-hoch aufsprunge, und mich unter den aller-
sensiblesten Umarmungen unzehlige mahl küssete,
weiln, wie er sagte, seine Gedancken dermassen dar-
innen ausgedrückt wären, als ob ich selbsten in das
innerste seiner Seelen hinein geschauet hätte, wan-

nenhero

Anbey hatte meine uͤbel exercirte poëtiſche Feder
folgende Aria ausflieſſen laſſen:

ARIA.
1.
Jſts wahr, ihr allerſchoͤnſten Augen,
Daß ihr charmant und grauſam ſeyd?
Nein! dieſes ſchickt ſich nicht zuſammen,
Drum ſtifftet ihr gleich Gluth und Flammen,
So laßt doch endlich mit der Zeit
Aus euren Blicken Kuͤhlung ſaugen. Da Capo.
2.
Erwegt, daß meine treue Seele
Durch euren Strahl entzuͤndet iſt,
Betrachtet doch in meinem Hertzen
Den Einfluß aller Angſt und Schmertzen,
Wo Gram und Furcht das Hertze frißt,
Seht an! ach ſeht, wie ich mich quaͤle! Da Capo.
3.
Drum laßt ihr ſchoͤnſten Augen-Sonnen
Euch endlich zur Erbarmung ziehn,
Vergoͤttert euch durch Huld und Guͤte,
So koͤmmt mein Hoffen bald zur Bluͤthe.
So muß der Schmertz von hinnen fliehn,
So hat mein treues Hertz gewonnen. Da Capo.

Kaum hatte der aͤuſſerſt-verliebte Ferdinand das
Concept von beyden ſich vorleſen laſſen, als er gleich
Decken-hoch aufſprunge, und mich unter den aller-
ſenſibleſten Umarmungen unzehlige mahl kuͤſſete,
weiln, wie er ſagte, ſeine Gedancken dermaſſen dar-
innen ausgedruͤckt waͤren, als ob ich ſelbſten in das
innerſte ſeiner Seelen hinein geſchauet haͤtte, wan-

nenhero
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[104/0118] Anbey hatte meine uͤbel exercirte poëtiſche Feder folgende Aria ausflieſſen laſſen: ARIA. 1. Jſts wahr, ihr allerſchoͤnſten Augen, Daß ihr charmant und grauſam ſeyd? Nein! dieſes ſchickt ſich nicht zuſammen, Drum ſtifftet ihr gleich Gluth und Flammen, So laßt doch endlich mit der Zeit Aus euren Blicken Kuͤhlung ſaugen. Da Capo. 2. Erwegt, daß meine treue Seele Durch euren Strahl entzuͤndet iſt, Betrachtet doch in meinem Hertzen Den Einfluß aller Angſt und Schmertzen, Wo Gram und Furcht das Hertze frißt, Seht an! ach ſeht, wie ich mich quaͤle! Da Capo. 3. Drum laßt ihr ſchoͤnſten Augen-Sonnen Euch endlich zur Erbarmung ziehn, Vergoͤttert euch durch Huld und Guͤte, So koͤmmt mein Hoffen bald zur Bluͤthe. So muß der Schmertz von hinnen fliehn, So hat mein treues Hertz gewonnen. Da Capo. Kaum hatte der aͤuſſerſt-verliebte Ferdinand das Concept von beyden ſich vorleſen laſſen, als er gleich Decken-hoch aufſprunge, und mich unter den aller- ſenſibleſten Umarmungen unzehlige mahl kuͤſſete, weiln, wie er ſagte, ſeine Gedancken dermaſſen dar- innen ausgedruͤckt waͤren, als ob ich ſelbſten in das innerſte ſeiner Seelen hinein geſchauet haͤtte, wan- nenhero

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/118>, abgerufen am 24.11.2024.