Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Eines Tages, da ich des Gouverneurs Tochter,
nebst ihrem Cammer-Mädgen auf ein nah gelege-
nes Land-Gut spatzieren gefahren, und im Garten
gantz allein bey der erstern war, setzte sich dieselbe
auf eine grüne B[an]ck nieder, und redete mich auf
eine freye Art also an: Wolffgang! sagt mir doch
was ihr vor ein Lands-Mann seyd, und warum man
euch niemals so lustig, als andere Stall-Bedienten
siehet. Jch stutzte anfänglich über diese Anrede,
gab aber bald darauff mit einem tieff geholten
Seuffzer zur Antwort: Gnädiges Fräulein, ich
bin ein Teutscher von Geburth, zwar von mittel-
mäßigen Herkommen, habe mich aber in Hollän-
dischen Diensten durch meine Courage biß zu dem
Posten eines Unter-Hauptmanns geschwungen,
und letztens auf dieser Jnsul das Unglück empfun-
den, gefährlich blessirt und gefangen zu werden.
Hierauff erwiederte sie mit einer niedergeschlagenen
und etwas negligent scheinenden Mine: Jch
hätte euch zum wenigsten wegen eurer guten Visage,
Adelichen Herkommens geschätzt. Stund damit
auf, und gieng eine gute Zeit in tiefen Gedancken
gantz allein vor sich spatzieren. Jch machte allerhand
Glossen über ihre Reden, und war mir fast leid,
daß ich von meinem Stande nicht etwas mehr ge-
prahlet hatte, doch vielleicht (gedachte ich,) gehet es
in Zukunfft mit guter Manier besser an. Es ge-
schahe auch, denn ehe wir wieder zurück fuhren,
nahm sie Gelegenheit mir, mit einer ungemeinen
verliebten Mine noch dieses zu sagen: Wolffgang!
Wo euch an eurer Freyheit, Glück und Vergnügen
etwas gelegen, so scheuet euch nicht, mir von eurem

Stande
E 5

Eines Tages, da ich des Gouverneurs Tochter,
nebſt ihrem Cammer-Maͤdgen auf ein nah gelege-
nes Land-Gut ſpatzieren gefahren, und im Garten
gantz allein bey der erſtern war, ſetzte ſich dieſelbe
auf eine gruͤne B[an]ck nieder, und redete mich auf
eine freye Art alſo an: Wolffgang! ſagt mir doch
was ihr vor ein Lands-Mann ſeyd, und warum man
euch niemals ſo luſtig, als andere Stall-Bedienten
ſiehet. Jch ſtutzte anfaͤnglich uͤber dieſe Anrede,
gab aber bald darauff mit einem tieff geholten
Seuffzer zur Antwort: Gnaͤdiges Fraͤulein, ich
bin ein Teutſcher von Geburth, zwar von mittel-
maͤßigen Herkommen, habe mich aber in Hollaͤn-
diſchen Dienſten durch meine Courage biß zu dem
Poſten eines Unter-Hauptmanns geſchwungen,
und letztens auf dieſer Jnſul das Ungluͤck empfun-
den, gefaͤhrlich bleſſirt und gefangen zu werden.
Hierauff erwiederte ſie mit einer niedergeſchlagenen
und etwas negligent ſcheinenden Mine: Jch
haͤtte euch zum wenigſten wegen eurer guten Viſage,
Adelichen Herkommens geſchaͤtzt. Stund damit
auf, und gieng eine gute Zeit in tiefen Gedancken
gantz allein vor ſich ſpatzieren. Jch machte allerhand
Gloſſen uͤber ihre Reden, und war mir faſt leid,
daß ich von meinem Stande nicht etwas mehr ge-
prahlet hatte, doch vielleicht (gedachte ich,) gehet es
in Zukunfft mit guter Manier beſſer an. Es ge-
ſchahe auch, denn ehe wir wieder zuruͤck fuhren,
nahm ſie Gelegenheit mir, mit einer ungemeinen
verliebten Mine noch dieſes zu ſagen: Wolffgang!
Wo euch an eurer Freyheit, Gluͤck und Vergnuͤgen
etwas gelegen, ſo ſcheuet euch nicht, mir von eurem

Stande
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0085" n="73"/>
        <p>Eines Tages, da ich des <hi rendition="#aq">Gouverneurs</hi> Tochter,<lb/>
neb&#x017F;t ihrem Cammer-Ma&#x0364;dgen auf ein nah gelege-<lb/>
nes Land-Gut &#x017F;patzieren gefahren, und im Garten<lb/>
gantz allein bey der er&#x017F;tern war, &#x017F;etzte &#x017F;ich die&#x017F;elbe<lb/>
auf eine gru&#x0364;ne B<supplied>an</supplied>ck nieder, und redete mich auf<lb/>
eine freye Art al&#x017F;o an: <hi rendition="#aq">Wolffgang!</hi> &#x017F;agt mir doch<lb/>
was ihr vor ein Lands-Mann &#x017F;eyd, und warum man<lb/>
euch niemals &#x017F;o lu&#x017F;tig, als andere Stall-Bedienten<lb/>
&#x017F;iehet. Jch &#x017F;tutzte anfa&#x0364;nglich u&#x0364;ber die&#x017F;e Anrede,<lb/>
gab aber bald darauff mit einem tieff geholten<lb/>
Seuffzer zur Antwort: Gna&#x0364;diges Fra&#x0364;ulein, ich<lb/>
bin ein Teut&#x017F;cher von Geburth, zwar von mittel-<lb/>
ma&#x0364;ßigen Herkommen, habe mich aber in Holla&#x0364;n-<lb/>
di&#x017F;chen Dien&#x017F;ten durch meine <hi rendition="#aq">Courage</hi> biß zu dem<lb/>
Po&#x017F;ten eines Unter-Hauptmanns ge&#x017F;chwungen,<lb/>
und letztens auf die&#x017F;er Jn&#x017F;ul das Unglu&#x0364;ck empfun-<lb/>
den, gefa&#x0364;hrlich <hi rendition="#aq">ble&#x017F;&#x017F;irt</hi> und gefangen zu werden.<lb/>
Hierauff erwiederte &#x017F;ie mit einer niederge&#x017F;chlagenen<lb/>
und etwas <hi rendition="#aq">negligent</hi> &#x017F;cheinenden <hi rendition="#aq">Mine:</hi> Jch<lb/>
ha&#x0364;tte euch zum wenig&#x017F;ten wegen eurer guten <hi rendition="#aq">Vi&#x017F;age,</hi><lb/>
Adelichen Herkommens ge&#x017F;cha&#x0364;tzt. Stund damit<lb/>
auf, und gieng eine gute Zeit in tiefen Gedancken<lb/>
gantz allein vor &#x017F;ich &#x017F;patzieren. Jch machte allerhand<lb/>
Glo&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber ihre Reden, und war mir fa&#x017F;t leid,<lb/>
daß ich von meinem Stande nicht etwas mehr ge-<lb/>
prahlet hatte, doch vielleicht (gedachte ich,) gehet es<lb/>
in Zukunfft mit guter <hi rendition="#aq">Manier</hi> be&#x017F;&#x017F;er an. Es ge-<lb/>
&#x017F;chahe auch, denn ehe wir wieder zuru&#x0364;ck fuhren,<lb/>
nahm &#x017F;ie Gelegenheit mir, mit einer ungemeinen<lb/>
verliebten <hi rendition="#aq">Mine</hi> noch die&#x017F;es zu &#x017F;agen: <hi rendition="#aq">Wolffgang!</hi><lb/>
Wo euch an eurer Freyheit, Glu&#x0364;ck und Vergnu&#x0364;gen<lb/>
etwas gelegen, &#x017F;o &#x017F;cheuet euch nicht, mir von eurem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Stande</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0085] Eines Tages, da ich des Gouverneurs Tochter, nebſt ihrem Cammer-Maͤdgen auf ein nah gelege- nes Land-Gut ſpatzieren gefahren, und im Garten gantz allein bey der erſtern war, ſetzte ſich dieſelbe auf eine gruͤne Banck nieder, und redete mich auf eine freye Art alſo an: Wolffgang! ſagt mir doch was ihr vor ein Lands-Mann ſeyd, und warum man euch niemals ſo luſtig, als andere Stall-Bedienten ſiehet. Jch ſtutzte anfaͤnglich uͤber dieſe Anrede, gab aber bald darauff mit einem tieff geholten Seuffzer zur Antwort: Gnaͤdiges Fraͤulein, ich bin ein Teutſcher von Geburth, zwar von mittel- maͤßigen Herkommen, habe mich aber in Hollaͤn- diſchen Dienſten durch meine Courage biß zu dem Poſten eines Unter-Hauptmanns geſchwungen, und letztens auf dieſer Jnſul das Ungluͤck empfun- den, gefaͤhrlich bleſſirt und gefangen zu werden. Hierauff erwiederte ſie mit einer niedergeſchlagenen und etwas negligent ſcheinenden Mine: Jch haͤtte euch zum wenigſten wegen eurer guten Viſage, Adelichen Herkommens geſchaͤtzt. Stund damit auf, und gieng eine gute Zeit in tiefen Gedancken gantz allein vor ſich ſpatzieren. Jch machte allerhand Gloſſen uͤber ihre Reden, und war mir faſt leid, daß ich von meinem Stande nicht etwas mehr ge- prahlet hatte, doch vielleicht (gedachte ich,) gehet es in Zukunfft mit guter Manier beſſer an. Es ge- ſchahe auch, denn ehe wir wieder zuruͤck fuhren, nahm ſie Gelegenheit mir, mit einer ungemeinen verliebten Mine noch dieſes zu ſagen: Wolffgang! Wo euch an eurer Freyheit, Gluͤck und Vergnuͤgen etwas gelegen, ſo ſcheuet euch nicht, mir von eurem Stande E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/85
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/85>, abgerufen am 24.11.2024.