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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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chen, daß ihr Standesmäßig gekleidet und gehalten
werdet.

Jch trocknete demnach meine Augen, gieng mit
getrösteten Hertzen von ihm, er aber besuchte gute
Freunde, und nahm noch selbigen Abend Gelegen-
heit mit seiner Mutter und Schwestern meinetwe-
gen zu sprechen. Wiewol nun dieselben mich, auf
sein Begehren, um sein Gespräch nicht mit anzuhö-
ren, beyseits geschafft hatten, so habe doch nachhero
vernommen, daß er ihnen das Gesetz ungemein
scharff geprediget, und sonderlich dieses vorgeworf-
fen hat: Wie es zu verantworten stünde, daß sie
meine Gelder durchgebracht, Kleider und Geschmei-
de unter sich getheilet, und über dieses alles, so jäm-
merlich gepeiniget hätten? Allein auf solche Art
wurde die gantze Hölle auf einmahl angezündet, denn
nachdem Ambrosius wieder auf seine Stube gegan-
gen, ich aber meinen Henckern nur entgegen getre-
ten war, redete mich die Alte mit funckelnden Au-
gen also an: Was hast du verfluchter Findling vor
ein geheimes Verständniß mit meinem Sohne?
und weßwegen wilst du mir denselben auf den Halß
hetzen? Jch hatte meinen Mund noch nicht ein-
mal zur Rechtfertigung aufgethan, da alle 4. Furi-
en über mich herfielen und recht mörderisch mit mir
umgiengen, denn ausserdem, daß mir die Helffte mei-
ner Haupt-Haare ausgeraufft, das Gesichte zer-
kratzt, auch Maul und Nase blutrüstig geschla-
gen wurden, trat mich die Alte etliche mahl derge-
stalt hefftig auf den Unter-Leib und Magen, daß ich
unter ihren Mörder-Klauen ohnmächtig, ja mehr
als halb todt liegen blieb. Ein alte Dienst-Magd

die

chen, daß ihr Standesmaͤßig gekleidet und gehalten
werdet.

Jch trocknete demnach meine Augen, gieng mit
getroͤſteten Hertzen von ihm, er aber beſuchte gute
Freunde, und nahm noch ſelbigen Abend Gelegen-
heit mit ſeiner Mutter und Schweſtern meinetwe-
gen zu ſprechen. Wiewol nun dieſelben mich, auf
ſein Begehren, um ſein Geſpraͤch nicht mit anzuhoͤ-
ren, beyſeits geſchafft hatten, ſo habe doch nachhero
vernommen, daß er ihnen das Geſetz ungemein
ſcharff geprediget, und ſonderlich dieſes vorgeworf-
fen hat: Wie es zu verantworten ſtuͤnde, daß ſie
meine Gelder durchgebracht, Kleider und Geſchmei-
de unter ſich getheilet, und uͤber dieſes alles, ſo jaͤm-
merlich gepeiniget haͤtten? Allein auf ſolche Art
wurde die gantze Hoͤlle auf einmahl angezuͤndet, denn
nachdem Ambroſius wieder auf ſeine Stube gegan-
gen, ich aber meinen Henckern nur entgegen getre-
ten war, redete mich die Alte mit funckelnden Au-
gen alſo an: Was haſt du verfluchter Findling vor
ein geheimes Verſtaͤndniß mit meinem Sohne?
und weßwegen wilſt du mir denſelben auf den Halß
hetzen? Jch hatte meinen Mund noch nicht ein-
mal zur Rechtfertigung aufgethan, da alle 4. Furi-
en uͤber mich herfielen und recht moͤrderiſch mit mir
umgiengen, denn auſſerdem, daß mir die Helffte mei-
ner Haupt-Haare ausgeraufft, das Geſichte zer-
kratzt, auch Maul und Naſe blutruͤſtig geſchla-
gen wurden, trat mich die Alte etliche mahl derge-
ſtalt hefftig auf den Unter-Leib und Magen, daß ich
unter ihren Moͤrder-Klauen ohnmaͤchtig, ja mehr
als halb todt liegen blieb. Ein alte Dienſt-Magd

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[398/0412] chen, daß ihr Standesmaͤßig gekleidet und gehalten werdet. Jch trocknete demnach meine Augen, gieng mit getroͤſteten Hertzen von ihm, er aber beſuchte gute Freunde, und nahm noch ſelbigen Abend Gelegen- heit mit ſeiner Mutter und Schweſtern meinetwe- gen zu ſprechen. Wiewol nun dieſelben mich, auf ſein Begehren, um ſein Geſpraͤch nicht mit anzuhoͤ- ren, beyſeits geſchafft hatten, ſo habe doch nachhero vernommen, daß er ihnen das Geſetz ungemein ſcharff geprediget, und ſonderlich dieſes vorgeworf- fen hat: Wie es zu verantworten ſtuͤnde, daß ſie meine Gelder durchgebracht, Kleider und Geſchmei- de unter ſich getheilet, und uͤber dieſes alles, ſo jaͤm- merlich gepeiniget haͤtten? Allein auf ſolche Art wurde die gantze Hoͤlle auf einmahl angezuͤndet, denn nachdem Ambroſius wieder auf ſeine Stube gegan- gen, ich aber meinen Henckern nur entgegen getre- ten war, redete mich die Alte mit funckelnden Au- gen alſo an: Was haſt du verfluchter Findling vor ein geheimes Verſtaͤndniß mit meinem Sohne? und weßwegen wilſt du mir denſelben auf den Halß hetzen? Jch hatte meinen Mund noch nicht ein- mal zur Rechtfertigung aufgethan, da alle 4. Furi- en uͤber mich herfielen und recht moͤrderiſch mit mir umgiengen, denn auſſerdem, daß mir die Helffte mei- ner Haupt-Haare ausgeraufft, das Geſichte zer- kratzt, auch Maul und Naſe blutruͤſtig geſchla- gen wurden, trat mich die Alte etliche mahl derge- ſtalt hefftig auf den Unter-Leib und Magen, daß ich unter ihren Moͤrder-Klauen ohnmaͤchtig, ja mehr als halb todt liegen blieb. Ein alte Dienſt-Magd die

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/412>, abgerufen am 24.11.2024.