Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Concordia machte noch einen Spaaß hierbey,
indem sie sagte: Wenn nun mein Carl Frantz
kömmt, mag er seine geschossenen Martius-Gänse
biß auf morgen aufheben. Allein, da die Sonne
bereits untergieng, und unsere beyden Braten zum
Speisen tüchtig waren, stellete sich dem ohngeacht
unser guter van Leuven noch nicht ein, wir war-
teten noch ein paar Stunden, da er aber nicht
kam, verzehreten wir den einen Vogel mit guten
Appetit, und spareten den andern vor ihn und Con-
cordien.
Allein die Nacht brach endlich auch ein,
und van Leuven blieb immer aussen, Concordien
begunte das Hertze schwer zu werden, indem sie
genug zu thun hatte, die Thränen zurück zu halten,
ich aber tröstete sie, so gut ich konte, und meinete,
weil es heller Monden-Schein, würde ihr Ehe-
Schatz schon noch zurücke kommen. Sie aber ver-
setzte: Ach! es ist ja wider alle seine gewöhnliche
Art, was wird ihm der Monden-Schein helffen?
Und wie kan er zurücke kommen, wenn er vielleicht
Unglück genommen hat? Ja, ja, fuhr sie fort,
mein Hertze sagt es mir, mein Liebster ist entweder
todt, oder dem Tode sehr nahe, denn itzo fällt mir
mein Traum auf einmahl wieder in die Gedancken,
den ich in der Schreckens-Nacht, seit dem aber
gäntzlich vergessen gehabt. Diese ihre Worte wur-
den mit einer gewaltsamen Thränen-Fluth beglei-
tet, Lemelie aber trat auf, und sagte: Madame!
verfallet doch nicht so gleich auf die ärgsten Gedan-
cken, es kan ihn ja vielleicht eine besonders glückliche
Begebenheit oder Neugierigkeit, etwa hier oder
dar aufhalten. Stehet auf, wir wollen ihm alle drey

entge-

Concordia machte noch einen Spaaß hierbey,
indem ſie ſagte: Wenn nun mein Carl Frantz
koͤmmt, mag er ſeine geſchoſſenen Martius-Gaͤnſe
biß auf morgen aufheben. Allein, da die Sonne
bereits untergieng, und unſere beyden Braten zum
Speiſen tuͤchtig waren, ſtellete ſich dem ohngeacht
unſer guter van Leuven noch nicht ein, wir war-
teten noch ein paar Stunden, da er aber nicht
kam, verzehreten wir den einen Vogel mit guten
Appetit, und ſpareten den andern vor ihn und Con-
cordien.
Allein die Nacht brach endlich auch ein,
und van Leuven blieb immer auſſen, Concordien
begunte das Hertze ſchwer zu werden, indem ſie
genug zu thun hatte, die Thraͤnen zuruͤck zu halten,
ich aber troͤſtete ſie, ſo gut ich konte, und meinete,
weil es heller Monden-Schein, wuͤrde ihr Ehe-
Schatz ſchon noch zuruͤcke kommen. Sie aber ver-
ſetzte: Ach! es iſt ja wider alle ſeine gewoͤhnliche
Art, was wird ihm der Monden-Schein helffen?
Und wie kan er zuruͤcke kommen, wenn er vielleicht
Ungluͤck genommen hat? Ja, ja, fuhr ſie fort,
mein Hertze ſagt es mir, mein Liebſter iſt entweder
todt, oder dem Tode ſehr nahe, denn itzo faͤllt mir
mein Traum auf einmahl wieder in die Gedancken,
den ich in der Schreckens-Nacht, ſeit dem aber
gaͤntzlich vergeſſen gehabt. Dieſe ihre Worte wur-
den mit einer gewaltſamen Thraͤnen-Fluth beglei-
tet, Lemelie aber trat auf, und ſagte: Madame!
verfallet doch nicht ſo gleich auf die aͤrgſten Gedan-
cken, es kan ihn ja vielleicht eine beſonders gluͤckliche
Begebenheit oder Neugierigkeit, etwa hier oder
dar aufhalten. Stehet auf, wir wollen ihm alle drey

entge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0214" n="200"/>
        <p><hi rendition="#aq">Concordia</hi> machte noch einen Spaaß hierbey,<lb/>
indem &#x017F;ie &#x017F;agte: Wenn nun mein <hi rendition="#aq">Carl Frantz</hi><lb/>
ko&#x0364;mmt, mag er &#x017F;eine ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enen Martius-Ga&#x0364;n&#x017F;e<lb/>
biß auf morgen aufheben. Allein, da die Sonne<lb/>
bereits untergieng, und un&#x017F;ere beyden Braten zum<lb/>
Spei&#x017F;en tu&#x0364;chtig waren, &#x017F;tellete &#x017F;ich dem ohngeacht<lb/>
un&#x017F;er guter <hi rendition="#aq">van Leuven</hi> noch nicht ein, wir war-<lb/>
teten noch ein paar Stunden, da er aber nicht<lb/>
kam, verzehreten wir den einen Vogel mit guten<lb/><hi rendition="#aq">Appetit,</hi> und &#x017F;pareten den andern vor ihn und <hi rendition="#aq">Con-<lb/>
cordien.</hi> Allein die Nacht brach endlich auch ein,<lb/>
und <hi rendition="#aq">van Leuven</hi> blieb immer au&#x017F;&#x017F;en, <hi rendition="#aq">Concordien</hi><lb/>
begunte das Hertze &#x017F;chwer zu werden, indem &#x017F;ie<lb/>
genug zu thun hatte, die Thra&#x0364;nen zuru&#x0364;ck zu halten,<lb/>
ich aber tro&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ie, &#x017F;o gut ich konte, und meinete,<lb/>
weil es heller Monden-Schein, wu&#x0364;rde ihr Ehe-<lb/>
Schatz &#x017F;chon noch zuru&#x0364;cke kommen. Sie aber ver-<lb/>
&#x017F;etzte: Ach! es i&#x017F;t ja wider alle &#x017F;eine gewo&#x0364;hnliche<lb/>
Art, was wird ihm der Monden-Schein helffen?<lb/>
Und wie kan er zuru&#x0364;cke kommen, wenn er vielleicht<lb/>
Unglu&#x0364;ck genommen hat? Ja, ja, fuhr &#x017F;ie fort,<lb/>
mein Hertze &#x017F;agt es mir, mein Lieb&#x017F;ter i&#x017F;t entweder<lb/>
todt, oder dem Tode &#x017F;ehr nahe, denn itzo fa&#x0364;llt mir<lb/>
mein Traum auf einmahl wieder in die Gedancken,<lb/>
den ich in der Schreckens-Nacht, &#x017F;eit dem aber<lb/>
ga&#x0364;ntzlich verge&#x017F;&#x017F;en gehabt. Die&#x017F;e ihre Worte wur-<lb/>
den mit einer gewalt&#x017F;amen Thra&#x0364;nen-Fluth beglei-<lb/>
tet, <hi rendition="#aq">Lemelie</hi> aber trat auf, und &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">Madame!</hi><lb/>
verfallet doch nicht &#x017F;o gleich auf die a&#x0364;rg&#x017F;ten Gedan-<lb/>
cken, es kan ihn ja vielleicht eine be&#x017F;onders glu&#x0364;ckliche<lb/>
Begebenheit oder Neugierigkeit, etwa hier oder<lb/>
dar aufhalten. Stehet auf, wir wollen ihm alle drey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">entge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0214] Concordia machte noch einen Spaaß hierbey, indem ſie ſagte: Wenn nun mein Carl Frantz koͤmmt, mag er ſeine geſchoſſenen Martius-Gaͤnſe biß auf morgen aufheben. Allein, da die Sonne bereits untergieng, und unſere beyden Braten zum Speiſen tuͤchtig waren, ſtellete ſich dem ohngeacht unſer guter van Leuven noch nicht ein, wir war- teten noch ein paar Stunden, da er aber nicht kam, verzehreten wir den einen Vogel mit guten Appetit, und ſpareten den andern vor ihn und Con- cordien. Allein die Nacht brach endlich auch ein, und van Leuven blieb immer auſſen, Concordien begunte das Hertze ſchwer zu werden, indem ſie genug zu thun hatte, die Thraͤnen zuruͤck zu halten, ich aber troͤſtete ſie, ſo gut ich konte, und meinete, weil es heller Monden-Schein, wuͤrde ihr Ehe- Schatz ſchon noch zuruͤcke kommen. Sie aber ver- ſetzte: Ach! es iſt ja wider alle ſeine gewoͤhnliche Art, was wird ihm der Monden-Schein helffen? Und wie kan er zuruͤcke kommen, wenn er vielleicht Ungluͤck genommen hat? Ja, ja, fuhr ſie fort, mein Hertze ſagt es mir, mein Liebſter iſt entweder todt, oder dem Tode ſehr nahe, denn itzo faͤllt mir mein Traum auf einmahl wieder in die Gedancken, den ich in der Schreckens-Nacht, ſeit dem aber gaͤntzlich vergeſſen gehabt. Dieſe ihre Worte wur- den mit einer gewaltſamen Thraͤnen-Fluth beglei- tet, Lemelie aber trat auf, und ſagte: Madame! verfallet doch nicht ſo gleich auf die aͤrgſten Gedan- cken, es kan ihn ja vielleicht eine beſonders gluͤckliche Begebenheit oder Neugierigkeit, etwa hier oder dar aufhalten. Stehet auf, wir wollen ihm alle drey entge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/214
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/214>, abgerufen am 03.05.2024.