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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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schafft beraubt hatte. Zwar fiel ich auf die Gedan-
cken, es würden sich an deren statt Menschen bey mir
einfinden, allein, da ich binnen 6. Stunden die gantze
Gegend ziemlich durchstreifft, und sehr wenige und
zweiffelhaffte Merckmahle gefunden hatte, daß Men-
schen alhier anzutreffen, oder sonst da gewesen wä-
ren, vergieng mir diese Hoffnung, als woran mir,
wenn ich die rechte Wahrheit bekennen soll, fast gar
nicht viel gelegen war. Jm Gegentheil hatte aller-
hand theils blühende, theils schon Frucht tragende
Bäume, Weinstöcke, Garten-Gewächse von vieler-
ley Sorten und andere zur Nahrung wohl dienliche
Sachen angemerckt, ob mir schon die meisten gantz
fremd und unbekandt vorkamen.

Mittlerweile war mir der Tag unter den Hän-
den verschwunden, indem ich wegen allzuvieler
Gedancken und Verwunderung, den Stand der
Sonnen gar nicht in acht genommen, biß mich
der alles bedeckende Schatten versicherte, daß sel-
bige untergegangen seyn müsse. Da aber nicht
vor rathsam hielt, gegen die Nacht zu die gefähr-
lichen Wege hinunter zu klettern, entschloß ich
mich, in diesem irrdischen Paradiese die Nacht über
zu verbleiben, und suchte mir zu dem Ende auf einen
mit dicken Sträuchern bewachsenen Hügel eine be-
queme Lager-Statt aus, langete aus meinen
Taschen etliche kleine Stücklein | Zwieback, pflückte
von einem Baume etliche ziemlich reiffe Früchte,
welche röthlich aussahen, und im Geschmacke de-
nen Morellen gleich kamen, hielt damit meine A-
bend-Mahlzeit, tranck aus dem vorbey rauschen-

den

ſchafft beraubt hatte. Zwar fiel ich auf die Gedan-
cken, es wuͤrden ſich an deren ſtatt Menſchen bey mir
einfinden, allein, da ich binnen 6. Stunden die gantze
Gegend ziemlich durchſtreifft, und ſehr wenige und
zweiffelhaffte Merckmahle gefunden hatte, daß Men-
ſchen alhier anzutreffen, oder ſonſt da geweſen waͤ-
ren, vergieng mir dieſe Hoffnung, als woran mir,
wenn ich die rechte Wahrheit bekennen ſoll, faſt gar
nicht viel gelegen war. Jm Gegentheil hatte aller-
hand theils bluͤhende, theils ſchon Frucht tragende
Baͤume, Weinſtoͤcke, Garten-Gewaͤchſe von vieler-
ley Sorten und andere zur Nahrung wohl dienliche
Sachen angemerckt, ob mir ſchon die meiſten gantz
fremd und unbekandt vorkamen.

Mittlerweile war mir der Tag unter den Haͤn-
den verſchwunden, indem ich wegen allzuvieler
Gedancken und Verwunderung, den Stand der
Sonnen gar nicht in acht genommen, biß mich
der alles bedeckende Schatten verſicherte, daß ſel-
bige untergegangen ſeyn muͤſſe. Da aber nicht
vor rathſam hielt, gegen die Nacht zu die gefaͤhr-
lichen Wege hinunter zu klettern, entſchloß ich
mich, in dieſem irrdiſchen Paradieſe die Nacht uͤber
zu verbleiben, und ſuchte mir zu dem Ende auf einen
mit dicken Straͤuchern bewachſenen Huͤgel eine be-
queme Lager-Statt aus, langete aus meinen
Taſchen etliche kleine Stuͤcklein | Zwieback, pfluͤckte
von einem Baume etliche ziemlich reiffe Fruͤchte,
welche roͤthlich ausſahen, und im Geſchmacke de-
nen Morellen gleich kamen, hielt damit meine A-
bend-Mahlzeit, tranck aus dem vorbey rauſchen-

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[158/0172] ſchafft beraubt hatte. Zwar fiel ich auf die Gedan- cken, es wuͤrden ſich an deren ſtatt Menſchen bey mir einfinden, allein, da ich binnen 6. Stunden die gantze Gegend ziemlich durchſtreifft, und ſehr wenige und zweiffelhaffte Merckmahle gefunden hatte, daß Men- ſchen alhier anzutreffen, oder ſonſt da geweſen waͤ- ren, vergieng mir dieſe Hoffnung, als woran mir, wenn ich die rechte Wahrheit bekennen ſoll, faſt gar nicht viel gelegen war. Jm Gegentheil hatte aller- hand theils bluͤhende, theils ſchon Frucht tragende Baͤume, Weinſtoͤcke, Garten-Gewaͤchſe von vieler- ley Sorten und andere zur Nahrung wohl dienliche Sachen angemerckt, ob mir ſchon die meiſten gantz fremd und unbekandt vorkamen. Mittlerweile war mir der Tag unter den Haͤn- den verſchwunden, indem ich wegen allzuvieler Gedancken und Verwunderung, den Stand der Sonnen gar nicht in acht genommen, biß mich der alles bedeckende Schatten verſicherte, daß ſel- bige untergegangen ſeyn muͤſſe. Da aber nicht vor rathſam hielt, gegen die Nacht zu die gefaͤhr- lichen Wege hinunter zu klettern, entſchloß ich mich, in dieſem irrdiſchen Paradieſe die Nacht uͤber zu verbleiben, und ſuchte mir zu dem Ende auf einen mit dicken Straͤuchern bewachſenen Huͤgel eine be- queme Lager-Statt aus, langete aus meinen Taſchen etliche kleine Stuͤcklein | Zwieback, pfluͤckte von einem Baume etliche ziemlich reiffe Fruͤchte, welche roͤthlich ausſahen, und im Geſchmacke de- nen Morellen gleich kamen, hielt damit meine A- bend-Mahlzeit, tranck aus dem vorbey rauſchen- den

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/172>, abgerufen am 25.11.2024.