Fässer, Packen und Küsten ausräumeten und durch- suchten, allein, ob sich schon ungemein kostbare Sa- chen darinnen fanden, so war doch sehr wenig dabey, welches die bevorstehende Hungers-Noth zu ver- treiben vermögend war.
Wir armen Menschen sind so wunderlich gear- tet, daß wir zuweilen aus blossen Muthwillen solche Sachen vornehmen, von welchen wir doch im vor- aus wissen, daß dieselben mit tausendfachen Gefähr- lichkeiten verknüpfft sind; Jm Gegentheil, wenn un- ser Gemüthe zu anderer Zeit nur eine einfache Ge- fahr vermerckt, die doch eben so wohl noch nicht ein- mahl gegenwärtig ist, stellen wir uns an, als ob wir schon lange Zeit darinnen gesteckt hätten. Jch will zwar nicht sagen, daß alle Menschen von dergleichen Schlage wären, bey uns 4en aber braucht es keines Zweifels, denn wir hatten, wiewohl nicht alles aus der Erfahrung, jedoch vom hören und lesen, daß man auf der Schiffarth nach Ost-Jndien, die Gefähr- lichkeiten von Donner, Blitz, Sturmwind, Regen, Hitze, Frost, Selaverey, Schiffbruch, Hunger, Durst, Kranckheit und Tod zu befürchten habe; doch deren keine eintzige konte den Vorsatz nach Ost- Jndien zu reisen unterbrechen, nunmehro aber, da wir doch schon ein vieles überstanden, noch nicht den geringsten Hunger gelitten, und nur diesen eintzigen Feind, binnen etlichen Tagen zu befürchten hatten, konten wir uns allerseits im voraus schon dermassen vor dem Hunger fürchten, daß auch nur das blosse Drandencken unsere Cörper auszuhungern vermö- gend war.
Lemelie that nichts als essen und trincken, To-
back
K 4
Faͤſſer, Packen und Kuͤſten ausraͤumeten und durch- ſuchten, allein, ob ſich ſchon ungemein koſtbare Sa- chen darinnen fanden, ſo war doch ſehr wenig dabey, welches die bevorſtehende Hungers-Noth zu ver- treiben vermoͤgend war.
Wir armen Menſchen ſind ſo wunderlich gear- tet, daß wir zuweilen aus bloſſen Muthwillen ſolche Sachen vornehmen, von welchen wir doch im vor- aus wiſſen, daß dieſelben mit tauſendfachen Gefaͤhr- lichkeiten verknuͤpfft ſind; Jm Gegentheil, wenn un- ſer Gemuͤthe zu anderer Zeit nur eine einfache Ge- fahr vermerckt, die doch eben ſo wohl noch nicht ein- mahl gegenwaͤrtig iſt, ſtellen wir uns an, als ob wir ſchon lange Zeit darinnen geſteckt haͤtten. Jch will zwar nicht ſagen, daß alle Menſchen von dergleichen Schlage waͤren, bey uns 4en aber braucht es keines Zweifels, denn wir hatten, wiewohl nicht alles aus der Erfahrung, jedoch vom hoͤren und leſen, daß man auf der Schiffarth nach Oſt-Jndien, die Gefaͤhr- lichkeiten von Donner, Blitz, Sturmwind, Regen, Hitze, Froſt, Selaverey, Schiffbruch, Hunger, Durſt, Kranckheit und Tod zu befuͤrchten habe; doch deren keine eintzige konte den Vorſatz nach Oſt- Jndien zu reiſen unterbrechen, nunmehro aber, da wir doch ſchon ein vieles uͤberſtanden, noch nicht den geringſten Hunger gelitten, und nur dieſen eintzigen Feind, binnen etlichen Tagen zu befuͤrchten hatten, konten wir uns allerſeits im voraus ſchon dermaſſen vor dem Hunger fuͤrchten, daß auch nur das bloſſe Drandencken unſere Coͤrper auszuhungern vermoͤ- gend war.
Lemelie that nichts als eſſen und trincken, To-
back
K 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0165"n="151"/>
Faͤſſer, Packen und Kuͤſten ausraͤumeten und durch-<lb/>ſuchten, allein, ob ſich ſchon ungemein koſtbare Sa-<lb/>
chen darinnen fanden, ſo war doch ſehr wenig dabey,<lb/>
welches die bevorſtehende Hungers-Noth zu ver-<lb/>
treiben vermoͤgend war.</p><lb/><p>Wir armen Menſchen ſind ſo wunderlich gear-<lb/>
tet, daß wir zuweilen aus bloſſen Muthwillen ſolche<lb/>
Sachen vornehmen, von welchen wir doch im vor-<lb/>
aus wiſſen, daß dieſelben mit tauſendfachen Gefaͤhr-<lb/>
lichkeiten verknuͤpfft ſind; Jm Gegentheil, wenn un-<lb/>ſer Gemuͤthe zu anderer Zeit nur eine einfache Ge-<lb/>
fahr vermerckt, die doch eben ſo wohl noch nicht ein-<lb/>
mahl gegenwaͤrtig iſt, ſtellen wir uns an, als ob wir<lb/>ſchon lange Zeit darinnen geſteckt haͤtten. Jch will<lb/>
zwar nicht ſagen, daß alle Menſchen von dergleichen<lb/>
Schlage waͤren, bey uns 4en aber braucht es keines<lb/>
Zweifels, denn wir hatten, wiewohl nicht alles aus<lb/>
der Erfahrung, jedoch vom hoͤren und leſen, daß man<lb/>
auf der Schiffarth nach Oſt-Jndien, die Gefaͤhr-<lb/>
lichkeiten von Donner, Blitz, Sturmwind, Regen,<lb/>
Hitze, Froſt, Selaverey, Schiffbruch, Hunger,<lb/>
Durſt, Kranckheit und Tod zu befuͤrchten habe;<lb/>
doch deren keine eintzige konte den Vorſatz nach Oſt-<lb/>
Jndien zu reiſen unterbrechen, nunmehro aber, da<lb/>
wir doch ſchon ein vieles uͤberſtanden, noch nicht den<lb/>
geringſten Hunger gelitten, und nur dieſen eintzigen<lb/>
Feind, binnen etlichen Tagen zu befuͤrchten hatten,<lb/>
konten wir uns allerſeits im voraus ſchon dermaſſen<lb/>
vor dem Hunger fuͤrchten, daß auch nur das bloſſe<lb/>
Drandencken unſere Coͤrper auszuhungern vermoͤ-<lb/>
gend war.</p><lb/><p><hirendition="#aq">Lemelie</hi> that nichts als eſſen und trincken, To-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">back</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0165]
Faͤſſer, Packen und Kuͤſten ausraͤumeten und durch-
ſuchten, allein, ob ſich ſchon ungemein koſtbare Sa-
chen darinnen fanden, ſo war doch ſehr wenig dabey,
welches die bevorſtehende Hungers-Noth zu ver-
treiben vermoͤgend war.
Wir armen Menſchen ſind ſo wunderlich gear-
tet, daß wir zuweilen aus bloſſen Muthwillen ſolche
Sachen vornehmen, von welchen wir doch im vor-
aus wiſſen, daß dieſelben mit tauſendfachen Gefaͤhr-
lichkeiten verknuͤpfft ſind; Jm Gegentheil, wenn un-
ſer Gemuͤthe zu anderer Zeit nur eine einfache Ge-
fahr vermerckt, die doch eben ſo wohl noch nicht ein-
mahl gegenwaͤrtig iſt, ſtellen wir uns an, als ob wir
ſchon lange Zeit darinnen geſteckt haͤtten. Jch will
zwar nicht ſagen, daß alle Menſchen von dergleichen
Schlage waͤren, bey uns 4en aber braucht es keines
Zweifels, denn wir hatten, wiewohl nicht alles aus
der Erfahrung, jedoch vom hoͤren und leſen, daß man
auf der Schiffarth nach Oſt-Jndien, die Gefaͤhr-
lichkeiten von Donner, Blitz, Sturmwind, Regen,
Hitze, Froſt, Selaverey, Schiffbruch, Hunger,
Durſt, Kranckheit und Tod zu befuͤrchten habe;
doch deren keine eintzige konte den Vorſatz nach Oſt-
Jndien zu reiſen unterbrechen, nunmehro aber, da
wir doch ſchon ein vieles uͤberſtanden, noch nicht den
geringſten Hunger gelitten, und nur dieſen eintzigen
Feind, binnen etlichen Tagen zu befuͤrchten hatten,
konten wir uns allerſeits im voraus ſchon dermaſſen
vor dem Hunger fuͤrchten, daß auch nur das bloſſe
Drandencken unſere Coͤrper auszuhungern vermoͤ-
gend war.
Lemelie that nichts als eſſen und trincken, To-
back
K 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/165>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.