Dieser wunderliche Capitain Lemelie saß dor- ten von ferne, mit unterstützten Haupte, und an statt, daß er dem Allmächtigen vor die Fristung seines Le- bens dancken solte, fuhren lauter schändliche gott- lose Flüche wider das ihm so feindseelige Verhäng- niß aus seinem ruchlosen Munde, wolte sich auch mit nichts trösten lassen, weiln er nunmehro, so wol seine Ehre, als gantzes Vermögen verlohren zu ha- ben, vorgab. Mons. de Leuven und ich verlies- sen den närrischen Kopf, wünschten, daß er sich eines Bessern besinnen möchte, und giengen zur Concor- dia, welche ihr Ehe-Mann in viele von der Son- ne erwärmte Tücher und Kleider eingehüllt hatte. Allein wir fanden sie dem ohngeacht, in sehr schlech- ten Zustande, weil sie sich biß diese Stunde noch nicht erwärmen, auch weder Speise noch Geträn- cke bey sich behalten konte, sondern vom starcken Froste beständig mit den Zähnen klapperte. Jch zog meine Kleider aus, badete durch das Wasser biß an das zerbrochene Schiff, und langete von sel- bigem etliche Stücken Holtz ab, welche ich mit einem daraus gefundenen breiten Degen zersplitterte, und auf dem Kopffe hinüber trug, um auf unserer Sand- Banck ein Feuer anzumachen, wobey sich Concor- dia erwärmen könte. Allein zum Unglück hatte weder der Capitain Lemelie, noch Mons. Leuven ein Feuerzeug bey sich. Jch fragte den Capitain, auf was vor Art wir etwa Feuer bekommen könten? allein er gab zur Antwort: Was Feuer? ihr habt Ehre genug, wenn ihr alle Drey mit mir crepiret. Mein Herr, gab ich zur Antwort, ich bin vor meine Person so hochmüthig nicht. Besann mich aber
bald,
Dieſer wunderliche Capitain Lemelie ſaß dor- ten von ferne, mit unterſtuͤtzten Haupte, und an ſtatt, daß er dem Allmaͤchtigen vor die Friſtung ſeines Le- bens dancken ſolte, fuhren lauter ſchaͤndliche gott- loſe Fluͤche wider das ihm ſo feindſeelige Verhaͤng- niß aus ſeinem ruchloſen Munde, wolte ſich auch mit nichts troͤſten laſſen, weiln er nunmehro, ſo wol ſeine Ehre, als gantzes Vermoͤgen verlohren zu ha- ben, vorgab. Monſ. de Leuven und ich verlieſ- ſen den naͤrriſchen Kopf, wuͤnſchten, daß er ſich eines Beſſern beſinnen moͤchte, und giengen zur Concor- dia, welche ihr Ehe-Mann in viele von der Son- ne erwaͤrmte Tuͤcher und Kleider eingehuͤllt hatte. Allein wir fanden ſie dem ohngeacht, in ſehr ſchlech- ten Zuſtande, weil ſie ſich biß dieſe Stunde noch nicht erwaͤrmen, auch weder Speiſe noch Getraͤn- cke bey ſich behalten konte, ſondern vom ſtarcken Froſte beſtaͤndig mit den Zaͤhnen klapperte. Jch zog meine Kleider aus, badete durch das Waſſer biß an das zerbrochene Schiff, und langete von ſel- bigem etliche Stuͤcken Holtz ab, welche ich mit einem darauſ gefundenen breiten Degen zerſplitterte, und auf dem Kopffe hinuͤber trug, um auf unſerer Sand- Banck ein Feuer anzumachen, wobey ſich Concor- dia erwaͤrmen koͤnte. Allein zum Ungluͤck hatte weder der Capitain Lemelie, noch Monſ. Leuven ein Feuerzeug bey ſich. Jch fragte den Capitain, auf was vor Art wir etwa Feuer bekommen koͤnten? allein er gab zur Antwort: Was Feuer? ihr habt Ehre genug, wenn ihr alle Drey mit mir crepiret. Mein Herr, gab ich zur Antwort, ich bin vor meine Perſon ſo hochmuͤthig nicht. Beſann mich aber
bald,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0155"n="141"/><p>Dieſer wunderliche <hirendition="#aq">Capitain Lemelie</hi>ſaß dor-<lb/>
ten von ferne, mit unterſtuͤtzten Haupte, und an ſtatt,<lb/>
daß er dem Allmaͤchtigen vor die Friſtung ſeines Le-<lb/>
bens dancken ſolte, fuhren lauter ſchaͤndliche gott-<lb/>
loſe Fluͤche wider das ihm ſo feindſeelige Verhaͤng-<lb/>
niß aus ſeinem ruchloſen Munde, wolte ſich auch<lb/>
mit nichts troͤſten laſſen, weiln er nunmehro, ſo wol<lb/>ſeine Ehre, als gantzes Vermoͤgen verlohren zu ha-<lb/>
ben, vorgab. <hirendition="#aq">Monſ. de Leuven</hi> und ich verlieſ-<lb/>ſen den naͤrriſchen Kopf, wuͤnſchten, daß er ſich eines<lb/>
Beſſern beſinnen moͤchte, und giengen zur <hirendition="#aq">Concor-<lb/>
dia,</hi> welche ihr Ehe-Mann in viele von der Son-<lb/>
ne erwaͤrmte Tuͤcher und Kleider eingehuͤllt hatte.<lb/>
Allein wir fanden ſie dem ohngeacht, in ſehr ſchlech-<lb/>
ten Zuſtande, weil ſie ſich biß dieſe Stunde noch<lb/>
nicht erwaͤrmen, auch weder Speiſe noch Getraͤn-<lb/>
cke bey ſich behalten konte, ſondern vom ſtarcken<lb/>
Froſte beſtaͤndig mit den Zaͤhnen klapperte. Jch<lb/>
zog meine Kleider aus, badete durch das Waſſer<lb/>
biß an das zerbrochene Schiff, und langete von ſel-<lb/>
bigem etliche Stuͤcken Holtz ab, welche ich mit einem<lb/>
darauſ gefundenen breiten Degen zerſplitterte, und<lb/>
auf dem Kopffe hinuͤber trug, um auf unſerer Sand-<lb/>
Banck ein Feuer anzumachen, wobey ſich <hirendition="#aq">Concor-<lb/>
dia</hi> erwaͤrmen koͤnte. Allein zum Ungluͤck hatte<lb/>
weder der <hirendition="#aq">Capitain Lemelie,</hi> noch <hirendition="#aq">Monſ. Leuven</hi><lb/>
ein Feuerzeug bey ſich. Jch fragte den <hirendition="#aq">Capitain,</hi><lb/>
auf was vor Art wir etwa Feuer bekommen koͤnten?<lb/>
allein er gab zur Antwort: Was Feuer? ihr habt<lb/>
Ehre genug, wenn ihr alle Drey mit mir <hirendition="#aq">crepi</hi>ret.<lb/>
Mein Herr, gab ich zur Antwort, ich bin vor meine<lb/>
Perſon ſo hochmuͤthig nicht. Beſann mich aber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bald,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[141/0155]
Dieſer wunderliche Capitain Lemelie ſaß dor-
ten von ferne, mit unterſtuͤtzten Haupte, und an ſtatt,
daß er dem Allmaͤchtigen vor die Friſtung ſeines Le-
bens dancken ſolte, fuhren lauter ſchaͤndliche gott-
loſe Fluͤche wider das ihm ſo feindſeelige Verhaͤng-
niß aus ſeinem ruchloſen Munde, wolte ſich auch
mit nichts troͤſten laſſen, weiln er nunmehro, ſo wol
ſeine Ehre, als gantzes Vermoͤgen verlohren zu ha-
ben, vorgab. Monſ. de Leuven und ich verlieſ-
ſen den naͤrriſchen Kopf, wuͤnſchten, daß er ſich eines
Beſſern beſinnen moͤchte, und giengen zur Concor-
dia, welche ihr Ehe-Mann in viele von der Son-
ne erwaͤrmte Tuͤcher und Kleider eingehuͤllt hatte.
Allein wir fanden ſie dem ohngeacht, in ſehr ſchlech-
ten Zuſtande, weil ſie ſich biß dieſe Stunde noch
nicht erwaͤrmen, auch weder Speiſe noch Getraͤn-
cke bey ſich behalten konte, ſondern vom ſtarcken
Froſte beſtaͤndig mit den Zaͤhnen klapperte. Jch
zog meine Kleider aus, badete durch das Waſſer
biß an das zerbrochene Schiff, und langete von ſel-
bigem etliche Stuͤcken Holtz ab, welche ich mit einem
darauſ gefundenen breiten Degen zerſplitterte, und
auf dem Kopffe hinuͤber trug, um auf unſerer Sand-
Banck ein Feuer anzumachen, wobey ſich Concor-
dia erwaͤrmen koͤnte. Allein zum Ungluͤck hatte
weder der Capitain Lemelie, noch Monſ. Leuven
ein Feuerzeug bey ſich. Jch fragte den Capitain,
auf was vor Art wir etwa Feuer bekommen koͤnten?
allein er gab zur Antwort: Was Feuer? ihr habt
Ehre genug, wenn ihr alle Drey mit mir crepiret.
Mein Herr, gab ich zur Antwort, ich bin vor meine
Perſon ſo hochmuͤthig nicht. Beſann mich aber
bald,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/155>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.