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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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gen hat meine Mutter ziemlich frisch und munter zu
sehen, mich aber als seinen erstgebohrnen jungen, ge-
sunden Sohn zu küssen, hat er sich, wie mir erzehlet
worden, vor Freuden kaum zu bergen gewust.

Jch trage Bedencken von denenjenigen Tändeley-
en viel Wesens zu machen, die zwischen meinen
Eltern als jungen Eheleuten, und mir als ihrer er-
sten Frucht der Liebe, in den ersten Kinder-Jahren
vorgegangen. Genung! ich wurde von ihnen, wie-
wohl etwas zärtlich, jedoch christlich und ordentlich
erzogen, weil sie mich aber von Jugend an dem Stu-
dir
en gewidmet, so muste es keines weges an gelehr-
ten und sonst geschickten Lehr-Meistern ermangeln,
deren getreue Unterweisung nebst meinen uner-
müdeten Fleisse so viel würckte, daß ich auf Einra-
then vieler erfahrner Männer, die mich examinirt
hatten, in meinem 17ten Jahre nemlich um O-
stern 1723 auf die Universität Kiel nebst einem
guten Anführer reisen konte. Jch legte mich auf
die Jurisprudentz nicht so wohl aus meinem eige-
nen Antriebe, sondern auf Begehren meiner Mut-
ter, welche eines vornehmen Rechts-Gelehrten
Tochter war. Allein ein hartes Verhängniß ließ
mich die Früchte ihres über meine guten Progressen
geschöpfften Vergnügens nicht lange geniessen, in-
dem ein Jahr hernach die schmertzliche Zeitung bey
mir einlieff, daß meine getreue Mutter am 16. Apr.
1724. samt der Frucht in Kindes-Nöthen todes
verblichen sey. Mein Vater verlangte mich zwar
zu seinem Troste auf einige Wochen nach Hause,
weiln, wie er schrieb, weder meine eintzige Schwe-
ster, noch andere Anverwandte seinen Schmertzen

einige

gen hat meine Mutter ziemlich friſch und munter zu
ſehen, mich aber als ſeinen erſtgebohrnen jungen, ge-
ſunden Sohn zu kuͤſſen, hat er ſich, wie mir erzehlet
worden, vor Freuden kaum zu bergen gewuſt.

Jch trage Bedencken von denenjenigen Taͤndeley-
en viel Weſens zu machen, die zwiſchen meinen
Eltern als jungen Eheleuten, und mir als ihrer er-
ſten Frucht der Liebe, in den erſten Kinder-Jahren
vorgegangen. Genung! ich wurde von ihnen, wie-
wohl etwas zaͤrtlich, jedoch chriſtlich und ordentlich
erzogen, weil ſie mich aber von Jugend an dem Stu-
dir
en gewidmet, ſo muſte es keines weges an gelehr-
ten und ſonſt geſchickten Lehr-Meiſtern ermangeln,
deren getreue Unterweiſung nebſt meinen uner-
muͤdeten Fleiſſe ſo viel wuͤrckte, daß ich auf Einra-
then vieler erfahrner Maͤnner, die mich examinirt
hatten, in meinem 17ten Jahre nemlich um O-
ſtern 1723 auf die Univerſitaͤt Kiel nebſt einem
guten Anfuͤhrer reiſen konte. Jch legte mich auf
die Jurisprudentz nicht ſo wohl aus meinem eige-
nen Antriebe, ſondern auf Begehren meiner Mut-
ter, welche eines vornehmen Rechts-Gelehrten
Tochter war. Allein ein hartes Verhaͤngniß ließ
mich die Fruͤchte ihres uͤber meine guten Progreſſen
geſchoͤpfften Vergnuͤgens nicht lange genieſſen, in-
dem ein Jahr hernach die ſchmertzliche Zeitung bey
mir einlieff, daß meine getreue Mutter am 16. Apr.
1724. ſamt der Frucht in Kindes-Noͤthen todes
verblichen ſey. Mein Vater verlangte mich zwar
zu ſeinem Troſte auf einige Wochen nach Hauſe,
weiln, wie er ſchrieb, weder meine eintzige Schwe-
ſter, noch andere Anverwandte ſeinen Schmertzen

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[2/0014] gen hat meine Mutter ziemlich friſch und munter zu ſehen, mich aber als ſeinen erſtgebohrnen jungen, ge- ſunden Sohn zu kuͤſſen, hat er ſich, wie mir erzehlet worden, vor Freuden kaum zu bergen gewuſt. Jch trage Bedencken von denenjenigen Taͤndeley- en viel Weſens zu machen, die zwiſchen meinen Eltern als jungen Eheleuten, und mir als ihrer er- ſten Frucht der Liebe, in den erſten Kinder-Jahren vorgegangen. Genung! ich wurde von ihnen, wie- wohl etwas zaͤrtlich, jedoch chriſtlich und ordentlich erzogen, weil ſie mich aber von Jugend an dem Stu- diren gewidmet, ſo muſte es keines weges an gelehr- ten und ſonſt geſchickten Lehr-Meiſtern ermangeln, deren getreue Unterweiſung nebſt meinen uner- muͤdeten Fleiſſe ſo viel wuͤrckte, daß ich auf Einra- then vieler erfahrner Maͤnner, die mich examinirt hatten, in meinem 17ten Jahre nemlich um O- ſtern 1723 auf die Univerſitaͤt Kiel nebſt einem guten Anfuͤhrer reiſen konte. Jch legte mich auf die Jurisprudentz nicht ſo wohl aus meinem eige- nen Antriebe, ſondern auf Begehren meiner Mut- ter, welche eines vornehmen Rechts-Gelehrten Tochter war. Allein ein hartes Verhaͤngniß ließ mich die Fruͤchte ihres uͤber meine guten Progreſſen geſchoͤpfften Vergnuͤgens nicht lange genieſſen, in- dem ein Jahr hernach die ſchmertzliche Zeitung bey mir einlieff, daß meine getreue Mutter am 16. Apr. 1724. ſamt der Frucht in Kindes-Noͤthen todes verblichen ſey. Mein Vater verlangte mich zwar zu ſeinem Troſte auf einige Wochen nach Hauſe, weiln, wie er ſchrieb, weder meine eintzige Schwe- ſter, noch andere Anverwandte ſeinen Schmertzen einige

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/14>, abgerufen am 26.04.2024.