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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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rische und induktive Behandlung zulassen will. Auch sonst drangen die
Ideen des 19. Jahrhunderts, wie er es selbst nennt, mehr und mehr
auf ihn ein und modelten alle seine Vorstellungen trotz seines Wider-
strebens nach und nach um und in seinen Hauptschriften, hauptsäch-
lich in seiner Logik, ist nun eine wunderbare Mischung von sich
gänzlich widersprechenden Thesen über die Methode der National-
ökonomie und der Sozialwissenschaften. Jevons urteilt kaum zu hart,
wenn er sagt, in jedem Hauptpunkte habe er drei bis sechs miteinan-
der unverträgliche Meinungen zur selben Zeit. Seine ursprüngliche An-
schauungen liegen aber immer noch am auffälligsten zu Tage und an
sie halten sich wesentlich heute noch seine deutschen Verehrer, welche
glauben, die Deduktion gegen die Invasion der induktiven Schule ver-
teidigen zu müssen.

Nachdem er gegen Benthams Interessenphilosophie mit dem Satze
polemisiert, es sei unphilosophisch, aus einigen wenigen von den Agen-
tien, durch welche die Phänomene bestimmt werden, eine Wissenschaft
auszubauen, man müsse alle Einwirkungen in das Bereich der Wissen-
schaft zu bringen suchen, lehrt er wenige Seiten nachher, die Hand-
lungen in bezug auf Produktion und Verteilung wirtschaftlicher Gü-
ter seien hauptsächlich durch das Verlangen nach Reichtum bestimmt,
und auf dieser These baue sich daher die besondere Wissenschaft der
Nationalökonomie auf. Freilich muß er gleich beifügen, eine Reihe
anderer Ursachen müsse man eben in einigen der schlagendsten Fälle
an den betreffenden Stellen der Nationalökonomie selbst einschalten,
so die Scheu vor Arbeit, das Verlangen nach kostspieligen Genüssen,
die Ursachen der Bevölkerungsbewegung; der praktischen Nützlichkeit
wegen müsse man überhaupt von der Strenge der wissenschaftlichen
Anordnung in der Nationalökonomie abstehen. An anderer Stelle fügt
er bei, was von einem Engländer gelte, lasse sich natürlich nicht von
einem Franzosen behaupten, und wo er vom Nationalcharakter ver-
schiedener Völker spricht, erklärt er, sofern dieser eine Rolle spiele, sei
eine separate Wissenschaft (wie die Nationalökonomie) nicht angezeigt,
da müßte die allgemeine Gesellschaftswissenschaft eintreten, welche
alle Umstände erörtere, die ein Volk beeinflussen; es gelte dies vor
allem in bezug auf die Regierungsform. Aber sollte in bezug auf die
Frage der wirtschaftlichen Verfassung es sich nicht ähnlich verhalten?
Die Auseinandersetzung, daß es keine wahre Induktion gebe, wo es
sich bei der Volkswirtschaft um komplizierte Ursachen und Wirkungen
handle, wiederholt er öfter; er sucht sie mit dem groben Beispiele zu
beweisen, daß die generelle Untersuchung, ob ein Schutzzollsystem ein
Land reich mache, ergebnislos sei, er übersieht nur, daß seine Frage-
stellung falsch, d. h. zu allgemein ist; spezialisiertere Untersuchungen,
wie die Serings über die deutschen Eisenzölle, Sombarts über die

rische und induktive Behandlung zulassen will. Auch sonst drangen die
Ideen des 19. Jahrhunderts, wie er es selbst nennt, mehr und mehr
auf ihn ein und modelten alle seine Vorstellungen trotz seines Wider-
strebens nach und nach um und in seinen Hauptschriften, hauptsäch-
lich in seiner Logik, ist nun eine wunderbare Mischung von sich
gänzlich widersprechenden Thesen über die Methode der National-
ökonomie und der Sozialwissenschaften. Jevons urteilt kaum zu hart,
wenn er sagt, in jedem Hauptpunkte habe er drei bis sechs miteinan-
der unverträgliche Meinungen zur selben Zeit. Seine ursprüngliche An-
schauungen liegen aber immer noch am auffälligsten zu Tage und an
sie halten sich wesentlich heute noch seine deutschen Verehrer, welche
glauben, die Deduktion gegen die Invasion der induktiven Schule ver-
teidigen zu müssen.

Nachdem er gegen Benthams Interessenphilosophie mit dem Satze
polemisiert, es sei unphilosophisch, aus einigen wenigen von den Agen-
tien, durch welche die Phänomene bestimmt werden, eine Wissenschaft
auszubauen, man müsse alle Einwirkungen in das Bereich der Wissen-
schaft zu bringen suchen, lehrt er wenige Seiten nachher, die Hand-
lungen in bezug auf Produktion und Verteilung wirtschaftlicher Gü-
ter seien hauptsächlich durch das Verlangen nach Reichtum bestimmt,
und auf dieser These baue sich daher die besondere Wissenschaft der
Nationalökonomie auf. Freilich muß er gleich beifügen, eine Reihe
anderer Ursachen müsse man eben in einigen der schlagendsten Fälle
an den betreffenden Stellen der Nationalökonomie selbst einschalten,
so die Scheu vor Arbeit, das Verlangen nach kostspieligen Genüssen,
die Ursachen der Bevölkerungsbewegung; der praktischen Nützlichkeit
wegen müsse man überhaupt von der Strenge der wissenschaftlichen
Anordnung in der Nationalökonomie abstehen. An anderer Stelle fügt
er bei, was von einem Engländer gelte, lasse sich natürlich nicht von
einem Franzosen behaupten, und wo er vom Nationalcharakter ver-
schiedener Völker spricht, erklärt er, sofern dieser eine Rolle spiele, sei
eine separate Wissenschaft (wie die Nationalökonomie) nicht angezeigt,
da müßte die allgemeine Gesellschaftswissenschaft eintreten, welche
alle Umstände erörtere, die ein Volk beeinflussen; es gelte dies vor
allem in bezug auf die Regierungsform. Aber sollte in bezug auf die
Frage der wirtschaftlichen Verfassung es sich nicht ähnlich verhalten?
Die Auseinandersetzung, daß es keine wahre Induktion gebe, wo es
sich bei der Volkswirtschaft um komplizierte Ursachen und Wirkungen
handle, wiederholt er öfter; er sucht sie mit dem groben Beispiele zu
beweisen, daß die generelle Untersuchung, ob ein Schutzzollsystem ein
Land reich mache, ergebnislos sei, er übersieht nur, daß seine Frage-
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[63/0067] rische und induktive Behandlung zulassen will. Auch sonst drangen die Ideen des 19. Jahrhunderts, wie er es selbst nennt, mehr und mehr auf ihn ein und modelten alle seine Vorstellungen trotz seines Wider- strebens nach und nach um und in seinen Hauptschriften, hauptsäch- lich in seiner Logik, ist nun eine wunderbare Mischung von sich gänzlich widersprechenden Thesen über die Methode der National- ökonomie und der Sozialwissenschaften. Jevons urteilt kaum zu hart, wenn er sagt, in jedem Hauptpunkte habe er drei bis sechs miteinan- der unverträgliche Meinungen zur selben Zeit. Seine ursprüngliche An- schauungen liegen aber immer noch am auffälligsten zu Tage und an sie halten sich wesentlich heute noch seine deutschen Verehrer, welche glauben, die Deduktion gegen die Invasion der induktiven Schule ver- teidigen zu müssen. Nachdem er gegen Benthams Interessenphilosophie mit dem Satze polemisiert, es sei unphilosophisch, aus einigen wenigen von den Agen- tien, durch welche die Phänomene bestimmt werden, eine Wissenschaft auszubauen, man müsse alle Einwirkungen in das Bereich der Wissen- schaft zu bringen suchen, lehrt er wenige Seiten nachher, die Hand- lungen in bezug auf Produktion und Verteilung wirtschaftlicher Gü- ter seien hauptsächlich durch das Verlangen nach Reichtum bestimmt, und auf dieser These baue sich daher die besondere Wissenschaft der Nationalökonomie auf. Freilich muß er gleich beifügen, eine Reihe anderer Ursachen müsse man eben in einigen der schlagendsten Fälle an den betreffenden Stellen der Nationalökonomie selbst einschalten, so die Scheu vor Arbeit, das Verlangen nach kostspieligen Genüssen, die Ursachen der Bevölkerungsbewegung; der praktischen Nützlichkeit wegen müsse man überhaupt von der Strenge der wissenschaftlichen Anordnung in der Nationalökonomie abstehen. An anderer Stelle fügt er bei, was von einem Engländer gelte, lasse sich natürlich nicht von einem Franzosen behaupten, und wo er vom Nationalcharakter ver- schiedener Völker spricht, erklärt er, sofern dieser eine Rolle spiele, sei eine separate Wissenschaft (wie die Nationalökonomie) nicht angezeigt, da müßte die allgemeine Gesellschaftswissenschaft eintreten, welche alle Umstände erörtere, die ein Volk beeinflussen; es gelte dies vor allem in bezug auf die Regierungsform. Aber sollte in bezug auf die Frage der wirtschaftlichen Verfassung es sich nicht ähnlich verhalten? Die Auseinandersetzung, daß es keine wahre Induktion gebe, wo es sich bei der Volkswirtschaft um komplizierte Ursachen und Wirkungen handle, wiederholt er öfter; er sucht sie mit dem groben Beispiele zu beweisen, daß die generelle Untersuchung, ob ein Schutzzollsystem ein Land reich mache, ergebnislos sei, er übersieht nur, daß seine Frage- stellung falsch, d. h. zu allgemein ist; spezialisiertere Untersuchungen, wie die Serings über die deutschen Eisenzölle, Sombarts über die

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/67>, abgerufen am 23.11.2024.