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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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Ursachen (hier gleiche Menschen) können die gleichen Folgen haben. Auch
darin hat Neumann recht, daß er zwischen den oben 1--3 genannten Gesetzen
und den historischen Entwickelungsgesetzen (4) einen großen Unterschied ma-
chen will; er schließt letztere von seiner Erörterung ganz aus. Wir werden
sagen können, die ersteren beruhten auf relativ umgränzten psychologischen
Motiven (wirtschaftlicher Eigennutz, Gerechtigkeitssinn) der heutigen geld-
wirtschaftlichen Völker resp. ihrer wirtschaftlich führenden Elemente; die
sog. Entwickelungs- und andere (sub 4 angeführten) Gesetze beruhen teilweise
auf Naturursachen, teilweise auf Motivengruppen viel komplizierterer Art und
ihrer zeitlichen Veränderung, wie sie durch Kulturfortschritt, Rassenmischung,
Rassenaufstieg und Rassendegeneration erfolgt. Wir kommen gleich darauf
zurück.
Vorher noch ein Wort über den Sprachgebrauch, der konstatierte Regelmäßig-
keiten ohne einigermaßen erfolgte Ursachenfeststellung als empirische Ge-
setze bezeichnet. Neumann rät von diesem Sprachgebrauch ab. Und auf
ähnlichem Boden stehen manche jüngere Nationalökonomen wie Diehl, Bo-
nar, M. Weber, Biermann. Es läßt sich dafür viel sagen, zumal für die Fälle,
wo die Ursachenforschung noch ganz fehlt oder noch ganz im Dunkeln tappt.
Aber wo sie begonnen und noch nicht zum vollen Ziele gelangt ist, wird
man das Wort "Gesetz" nicht so leicht verbannen können und der Zusatz "em-
pirisch" deutet dann nur die Unvollendetheit der Ursachenforschung an. Ich
denke dabei besonders an die statistischen Gesetze, die Neumann nicht in
seine Untersuchung einbezieht.
Wir verstehen unter statistischen Gesetzen die zahlenmäßige durch statistische
Massenbeobachtung konstatierten Regelmäßigkeiten von Geburten, Eheschlie-
ßungen, Todesfällen, Verbrechen und ähnliche soziale Einrichtungen. Wir
sehen hier eine bestimmte Konstanz und zeitweise Abweichungen; beides ver-
anlaßt uns, hier eine bestimmte Konstanz, wie dort eine bestimmte Veränderung
der sämtlichen in Betracht kommenden Ursachenreihen zu vermuten. Die Ur-
sachen liegen in Naturtatsachen, biologischen und Rassenverhältnissen, wirt-
schaftlich-technischen und psychologischen Zuständen, unter denen einheit-
liche Menschengruppen stehen; ihre Einheitlichkeit schließt örtliche und zeit-
liche Abweichungen nicht aus; aber wir bemerken, daß diese teils gering
sind, teils sich in den großen Zahlen gegenseitig neutralisieren, so daß die
statistischen Ergebnisse doch immer als Folgen relativ gleicher oder in er-
kennbarer Weise sich ändernden Ursachen erscheinen. Man nannte diese Regel-
mäßigkeiten eben deshalb Gesetze, weil viele in so überraschender Weise
durch Jahre hindurch konstant bleiben und man daneben die Abweichungen
nicht unschwer (z. B. Steigerung der Todesfälle durch Krankheiten, Kriege,
Hungersnot, Krisen) erklären konnte. Man wird sie nicht als Gesetze
schlechtweg, sondern nur als empirische Gesetze bezeichnen können, weil eben
über die unendliche Komplikation der Ursachen, über den Anteil, den die
einzelnen Gruppen derselben am Endergebnisse haben, fast nirgends eine ganz
zuverlässige Erkenntnis vorliegt, so unschwer im großen und ganzen die Ur-
sachen und Ursachengruppen erkennbar sind.
Die Resultate der Statistik waren zunächst so überraschend, erinnerten so
sehr an naturwissenschaftliche Beobachtungen, verblüfften durch die gleichen
Zahlenreihen vieler Forscher so, daß sie zu den extremsten materialistischen
Ursachen (hier gleiche Menschen) können die gleichen Folgen haben. Auch
darin hat Neumann recht, daß er zwischen den oben 1—3 genannten Gesetzen
und den historischen Entwickelungsgesetzen (4) einen großen Unterschied ma-
chen will; er schließt letztere von seiner Erörterung ganz aus. Wir werden
sagen können, die ersteren beruhten auf relativ umgränzten psychologischen
Motiven (wirtschaftlicher Eigennutz, Gerechtigkeitssinn) der heutigen geld-
wirtschaftlichen Völker resp. ihrer wirtschaftlich führenden Elemente; die
sog. Entwickelungs- und andere (sub 4 angeführten) Gesetze beruhen teilweise
auf Naturursachen, teilweise auf Motivengruppen viel komplizierterer Art und
ihrer zeitlichen Veränderung, wie sie durch Kulturfortschritt, Rassenmischung,
Rassenaufstieg und Rassendegeneration erfolgt. Wir kommen gleich darauf
zurück.
Vorher noch ein Wort über den Sprachgebrauch, der konstatierte Regelmäßig-
keiten ohne einigermaßen erfolgte Ursachenfeststellung als empirische Ge-
setze bezeichnet. Neumann rät von diesem Sprachgebrauch ab. Und auf
ähnlichem Boden stehen manche jüngere Nationalökonomen wie Diehl, Bo-
nar, M. Weber, Biermann. Es läßt sich dafür viel sagen, zumal für die Fälle,
wo die Ursachenforschung noch ganz fehlt oder noch ganz im Dunkeln tappt.
Aber wo sie begonnen und noch nicht zum vollen Ziele gelangt ist, wird
man das Wort „Gesetz“ nicht so leicht verbannen können und der Zusatz „em-
pirisch“ deutet dann nur die Unvollendetheit der Ursachenforschung an. Ich
denke dabei besonders an die statistischen Gesetze, die Neumann nicht in
seine Untersuchung einbezieht.
Wir verstehen unter statistischen Gesetzen die zahlenmäßige durch statistische
Massenbeobachtung konstatierten Regelmäßigkeiten von Geburten, Eheschlie-
ßungen, Todesfällen, Verbrechen und ähnliche soziale Einrichtungen. Wir
sehen hier eine bestimmte Konstanz und zeitweise Abweichungen; beides ver-
anlaßt uns, hier eine bestimmte Konstanz, wie dort eine bestimmte Veränderung
der sämtlichen in Betracht kommenden Ursachenreihen zu vermuten. Die Ur-
sachen liegen in Naturtatsachen, biologischen und Rassenverhältnissen, wirt-
schaftlich-technischen und psychologischen Zuständen, unter denen einheit-
liche Menschengruppen stehen; ihre Einheitlichkeit schließt örtliche und zeit-
liche Abweichungen nicht aus; aber wir bemerken, daß diese teils gering
sind, teils sich in den großen Zahlen gegenseitig neutralisieren, so daß die
statistischen Ergebnisse doch immer als Folgen relativ gleicher oder in er-
kennbarer Weise sich ändernden Ursachen erscheinen. Man nannte diese Regel-
mäßigkeiten eben deshalb Gesetze, weil viele in so überraschender Weise
durch Jahre hindurch konstant bleiben und man daneben die Abweichungen
nicht unschwer (z. B. Steigerung der Todesfälle durch Krankheiten, Kriege,
Hungersnot, Krisen) erklären konnte. Man wird sie nicht als Gesetze
schlechtweg, sondern nur als empirische Gesetze bezeichnen können, weil eben
über die unendliche Komplikation der Ursachen, über den Anteil, den die
einzelnen Gruppen derselben am Endergebnisse haben, fast nirgends eine ganz
zuverlässige Erkenntnis vorliegt, so unschwer im großen und ganzen die Ur-
sachen und Ursachengruppen erkennbar sind.
Die Resultate der Statistik waren zunächst so überraschend, erinnerten so
sehr an naturwissenschaftliche Beobachtungen, verblüfften durch die gleichen
Zahlenreihen vieler Forscher so, daß sie zu den extremsten materialistischen
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[98/0102] ¹⁴ Ursachen (hier gleiche Menschen) können die gleichen Folgen haben. Auch darin hat Neumann recht, daß er zwischen den oben 1—3 genannten Gesetzen und den historischen Entwickelungsgesetzen (4) einen großen Unterschied ma- chen will; er schließt letztere von seiner Erörterung ganz aus. Wir werden sagen können, die ersteren beruhten auf relativ umgränzten psychologischen Motiven (wirtschaftlicher Eigennutz, Gerechtigkeitssinn) der heutigen geld- wirtschaftlichen Völker resp. ihrer wirtschaftlich führenden Elemente; die sog. Entwickelungs- und andere (sub 4 angeführten) Gesetze beruhen teilweise auf Naturursachen, teilweise auf Motivengruppen viel komplizierterer Art und ihrer zeitlichen Veränderung, wie sie durch Kulturfortschritt, Rassenmischung, Rassenaufstieg und Rassendegeneration erfolgt. Wir kommen gleich darauf zurück. Vorher noch ein Wort über den Sprachgebrauch, der konstatierte Regelmäßig- keiten ohne einigermaßen erfolgte Ursachenfeststellung als empirische Ge- setze bezeichnet. Neumann rät von diesem Sprachgebrauch ab. Und auf ähnlichem Boden stehen manche jüngere Nationalökonomen wie Diehl, Bo- nar, M. Weber, Biermann. Es läßt sich dafür viel sagen, zumal für die Fälle, wo die Ursachenforschung noch ganz fehlt oder noch ganz im Dunkeln tappt. Aber wo sie begonnen und noch nicht zum vollen Ziele gelangt ist, wird man das Wort „Gesetz“ nicht so leicht verbannen können und der Zusatz „em- pirisch“ deutet dann nur die Unvollendetheit der Ursachenforschung an. Ich denke dabei besonders an die statistischen Gesetze, die Neumann nicht in seine Untersuchung einbezieht. Wir verstehen unter statistischen Gesetzen die zahlenmäßige durch statistische Massenbeobachtung konstatierten Regelmäßigkeiten von Geburten, Eheschlie- ßungen, Todesfällen, Verbrechen und ähnliche soziale Einrichtungen. Wir sehen hier eine bestimmte Konstanz und zeitweise Abweichungen; beides ver- anlaßt uns, hier eine bestimmte Konstanz, wie dort eine bestimmte Veränderung der sämtlichen in Betracht kommenden Ursachenreihen zu vermuten. Die Ur- sachen liegen in Naturtatsachen, biologischen und Rassenverhältnissen, wirt- schaftlich-technischen und psychologischen Zuständen, unter denen einheit- liche Menschengruppen stehen; ihre Einheitlichkeit schließt örtliche und zeit- liche Abweichungen nicht aus; aber wir bemerken, daß diese teils gering sind, teils sich in den großen Zahlen gegenseitig neutralisieren, so daß die statistischen Ergebnisse doch immer als Folgen relativ gleicher oder in er- kennbarer Weise sich ändernden Ursachen erscheinen. Man nannte diese Regel- mäßigkeiten eben deshalb Gesetze, weil viele in so überraschender Weise durch Jahre hindurch konstant bleiben und man daneben die Abweichungen nicht unschwer (z. B. Steigerung der Todesfälle durch Krankheiten, Kriege, Hungersnot, Krisen) erklären konnte. Man wird sie nicht als Gesetze schlechtweg, sondern nur als empirische Gesetze bezeichnen können, weil eben über die unendliche Komplikation der Ursachen, über den Anteil, den die einzelnen Gruppen derselben am Endergebnisse haben, fast nirgends eine ganz zuverlässige Erkenntnis vorliegt, so unschwer im großen und ganzen die Ur- sachen und Ursachengruppen erkennbar sind. Die Resultate der Statistik waren zunächst so überraschend, erinnerten so sehr an naturwissenschaftliche Beobachtungen, verblüfften durch die gleichen Zahlenreihen vieler Forscher so, daß sie zu den extremsten materialistischen

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/102>, abgerufen am 22.11.2024.