Anwachsen unterbrochen ist; von 1834 an eine successive Zunahme des Handwerkerstandes gegenüber der Bevöl- kerung. Die Ursachen liegen überwiegend in den allge- meinen, früher ungünstigen, später günstigen Vorbe- dingungen der wirthschaftlichen Entwickelung, an die ich, soweit sie die Zeit von 1816--31 betreffen, schon oben1 erinnerte. Man erholte sich erst wieder von Krieg und Ackerbaukrisis. Der Einfluß der vorangeschrittenen Industrieländer war noch gering, der deutsche Handel noch gelähmt durch die Zollschranken.
Wesentlich besser gestalten sich die Zustände in den dreißiger Jahren. Der Zollverein beginnt seine Seg- nungen fühlbar zu machen; der deutsche Exporthandel nimmt zu, neue Gewerbszweige entstehen; Zuckerfabriken, Baumwollspinnereien werden gebaut. Daneben freilich ist der Einfluß des Auslandes noch gering; die ersten Eisenbahnen sind in England eben erst vollendet; noch haben die großen internationalen Ausstellungen nicht gewirkt, noch haben wir kaum einen heimischen Maschinen- bau, noch existiren unsere großen polytechnischen Schulen nicht oder sind eben erst gegründet. Der Fortschritt mußte sich also in den hergebrachten Formen halten, d. h. hauptsächlich in einer Zunahme der Kleingewerbe zeigen.
Auch für wichtige Industriezweige, welche auf den Absatz im Großen angewiesen sind, bleibt die Form der Hausindustrie vorerst unangetastet -- so für wichtige Theile der Metallindustrie; so für die Weberei, die nicht
1 Oben S. 51--52.
Die preußiſchen Aufnahmen.
Anwachſen unterbrochen iſt; von 1834 an eine ſucceſſive Zunahme des Handwerkerſtandes gegenüber der Bevöl- kerung. Die Urſachen liegen überwiegend in den allge- meinen, früher ungünſtigen, ſpäter günſtigen Vorbe- dingungen der wirthſchaftlichen Entwickelung, an die ich, ſoweit ſie die Zeit von 1816—31 betreffen, ſchon oben1 erinnerte. Man erholte ſich erſt wieder von Krieg und Ackerbaukriſis. Der Einfluß der vorangeſchrittenen Induſtrieländer war noch gering, der deutſche Handel noch gelähmt durch die Zollſchranken.
Weſentlich beſſer geſtalten ſich die Zuſtände in den dreißiger Jahren. Der Zollverein beginnt ſeine Seg- nungen fühlbar zu machen; der deutſche Exporthandel nimmt zu, neue Gewerbszweige entſtehen; Zuckerfabriken, Baumwollſpinnereien werden gebaut. Daneben freilich iſt der Einfluß des Auslandes noch gering; die erſten Eiſenbahnen ſind in England eben erſt vollendet; noch haben die großen internationalen Ausſtellungen nicht gewirkt, noch haben wir kaum einen heimiſchen Maſchinen- bau, noch exiſtiren unſere großen polytechniſchen Schulen nicht oder ſind eben erſt gegründet. Der Fortſchritt mußte ſich alſo in den hergebrachten Formen halten, d. h. hauptſächlich in einer Zunahme der Kleingewerbe zeigen.
Auch für wichtige Induſtriezweige, welche auf den Abſatz im Großen angewieſen ſind, bleibt die Form der Hausinduſtrie vorerſt unangetaſtet — ſo für wichtige Theile der Metallinduſtrie; ſo für die Weberei, die nicht
1 Oben S. 51—52.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0088"n="66"/><fwplace="top"type="header">Die preußiſchen Aufnahmen.</fw><lb/>
Anwachſen unterbrochen iſt; von 1834 an eine ſucceſſive<lb/>
Zunahme des Handwerkerſtandes gegenüber der Bevöl-<lb/>
kerung. Die Urſachen liegen überwiegend in den allge-<lb/>
meinen, früher ungünſtigen, ſpäter günſtigen Vorbe-<lb/>
dingungen der wirthſchaftlichen Entwickelung, an die ich,<lb/>ſoweit ſie die Zeit von 1816—31 betreffen, ſchon<lb/>
oben<noteplace="foot"n="1">Oben S. 51—52.</note> erinnerte. Man erholte ſich erſt wieder von Krieg<lb/>
und Ackerbaukriſis. Der Einfluß der vorangeſchrittenen<lb/>
Induſtrieländer war noch gering, der deutſche Handel<lb/>
noch gelähmt durch die Zollſchranken.</p><lb/><p>Weſentlich beſſer geſtalten ſich die Zuſtände in den<lb/>
dreißiger Jahren. Der Zollverein beginnt ſeine Seg-<lb/>
nungen fühlbar zu machen; der deutſche Exporthandel<lb/>
nimmt zu, neue Gewerbszweige entſtehen; Zuckerfabriken,<lb/>
Baumwollſpinnereien werden gebaut. Daneben freilich<lb/>
iſt der Einfluß des Auslandes noch gering; die erſten<lb/>
Eiſenbahnen ſind in England eben erſt vollendet; noch<lb/>
haben die großen internationalen Ausſtellungen nicht<lb/>
gewirkt, noch haben wir kaum einen heimiſchen Maſchinen-<lb/>
bau, noch exiſtiren unſere großen polytechniſchen Schulen<lb/>
nicht oder ſind eben erſt gegründet. Der Fortſchritt<lb/>
mußte ſich alſo in den hergebrachten Formen halten,<lb/>
d. h. hauptſächlich in einer Zunahme der Kleingewerbe<lb/>
zeigen.</p><lb/><p>Auch für wichtige Induſtriezweige, welche auf den<lb/>
Abſatz im Großen angewieſen ſind, bleibt die Form der<lb/>
Hausinduſtrie vorerſt unangetaſtet —ſo für wichtige<lb/>
Theile der Metallinduſtrie; ſo für die Weberei, die nicht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0088]
Die preußiſchen Aufnahmen.
Anwachſen unterbrochen iſt; von 1834 an eine ſucceſſive
Zunahme des Handwerkerſtandes gegenüber der Bevöl-
kerung. Die Urſachen liegen überwiegend in den allge-
meinen, früher ungünſtigen, ſpäter günſtigen Vorbe-
dingungen der wirthſchaftlichen Entwickelung, an die ich,
ſoweit ſie die Zeit von 1816—31 betreffen, ſchon
oben 1 erinnerte. Man erholte ſich erſt wieder von Krieg
und Ackerbaukriſis. Der Einfluß der vorangeſchrittenen
Induſtrieländer war noch gering, der deutſche Handel
noch gelähmt durch die Zollſchranken.
Weſentlich beſſer geſtalten ſich die Zuſtände in den
dreißiger Jahren. Der Zollverein beginnt ſeine Seg-
nungen fühlbar zu machen; der deutſche Exporthandel
nimmt zu, neue Gewerbszweige entſtehen; Zuckerfabriken,
Baumwollſpinnereien werden gebaut. Daneben freilich
iſt der Einfluß des Auslandes noch gering; die erſten
Eiſenbahnen ſind in England eben erſt vollendet; noch
haben die großen internationalen Ausſtellungen nicht
gewirkt, noch haben wir kaum einen heimiſchen Maſchinen-
bau, noch exiſtiren unſere großen polytechniſchen Schulen
nicht oder ſind eben erſt gegründet. Der Fortſchritt
mußte ſich alſo in den hergebrachten Formen halten,
d. h. hauptſächlich in einer Zunahme der Kleingewerbe
zeigen.
Auch für wichtige Induſtriezweige, welche auf den
Abſatz im Großen angewieſen ſind, bleibt die Form der
Hausinduſtrie vorerſt unangetaſtet — ſo für wichtige
Theile der Metallinduſtrie; ſo für die Weberei, die nicht
1 Oben S. 51—52.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/88>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.