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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die technischen Schulen.
sehe in diesem Unterricht fast das einzige Gegengewicht
gegen die durchaus einseitige, keine technische und mensch-
liche Erziehung gewährende Beschäftigung unserer 14--
18 jährigen jungen Leute in den großen Geschäften.
Die Prüfungsatteste solcher Schulen haben die Lehrlings-,
Gesellen- und Meisterprüfungen zu ersetzen.

Außerdem handelt es sich darum, an solchen
Stellen, wo der Uebergang zu neuen Verhältnissen dem
Handwerkerstande allein nicht möglich, wo die entstehende
große Konkurrenz zu plötzlich gleichsam ihn überfällt,
auch positiv einzugreifen. Und dazu bedarf es der Or-
gane. Die Berliner Innungen haben vorgeschlagen im
Gegensatz zu den Handelskammern Gewerbekammern,
in welchen das kleine Handwerk zu Worte komme und
seine Interessen vertrete, zu gründen. Damit wäre
aber nichts erreicht. Was bessern solche Kammern?
Selbst die Thätigkeit der bestehenden Handelskammern
konzentrirt sich in ihren Jahresberichten. Daß diese, ver-
faßt meist von besoldeten Literaten, welche der großen
Industrie immer näher stehen, als dem kleinen Handwerk,
alle Dinge mehr nur vom Standpunkt der großen Indu-
strie und des Handels betrachten, ist wahr. Man hat die
Berichte spöttisch oft schon die Wunschzettel unserer großen
Unternehmer genannt. Ob das zu ändern wäre, durch
andere Zusammensetzung, will ich hier nicht erörtern,
so viel aber ist unzweifelhaft, daß Gewerbekammern, in
welchen nur kleine Meister ihre Interessen berathen, die
Handwerkersache wieder mit dem sogenannten Handwerker-
recht zusammenwerfen und nicht viel Ersprießliches
leisten würden.

Die techniſchen Schulen.
ſehe in dieſem Unterricht faſt das einzige Gegengewicht
gegen die durchaus einſeitige, keine techniſche und menſch-
liche Erziehung gewährende Beſchäftigung unſerer 14—
18 jährigen jungen Leute in den großen Geſchäften.
Die Prüfungsatteſte ſolcher Schulen haben die Lehrlings-,
Geſellen- und Meiſterprüfungen zu erſetzen.

Außerdem handelt es ſich darum, an ſolchen
Stellen, wo der Uebergang zu neuen Verhältniſſen dem
Handwerkerſtande allein nicht möglich, wo die entſtehende
große Konkurrenz zu plötzlich gleichſam ihn überfällt,
auch poſitiv einzugreifen. Und dazu bedarf es der Or-
gane. Die Berliner Innungen haben vorgeſchlagen im
Gegenſatz zu den Handelskammern Gewerbekammern,
in welchen das kleine Handwerk zu Worte komme und
ſeine Intereſſen vertrete, zu gründen. Damit wäre
aber nichts erreicht. Was beſſern ſolche Kammern?
Selbſt die Thätigkeit der beſtehenden Handelskammern
konzentrirt ſich in ihren Jahresberichten. Daß dieſe, ver-
faßt meiſt von beſoldeten Literaten, welche der großen
Induſtrie immer näher ſtehen, als dem kleinen Handwerk,
alle Dinge mehr nur vom Standpunkt der großen Indu-
ſtrie und des Handels betrachten, iſt wahr. Man hat die
Berichte ſpöttiſch oft ſchon die Wunſchzettel unſerer großen
Unternehmer genannt. Ob das zu ändern wäre, durch
andere Zuſammenſetzung, will ich hier nicht erörtern,
ſo viel aber iſt unzweifelhaft, daß Gewerbekammern, in
welchen nur kleine Meiſter ihre Intereſſen berathen, die
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recht zuſammenwerfen und nicht viel Erſprießliches
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[699/0721] Die techniſchen Schulen. ſehe in dieſem Unterricht faſt das einzige Gegengewicht gegen die durchaus einſeitige, keine techniſche und menſch- liche Erziehung gewährende Beſchäftigung unſerer 14— 18 jährigen jungen Leute in den großen Geſchäften. Die Prüfungsatteſte ſolcher Schulen haben die Lehrlings-, Geſellen- und Meiſterprüfungen zu erſetzen. Außerdem handelt es ſich darum, an ſolchen Stellen, wo der Uebergang zu neuen Verhältniſſen dem Handwerkerſtande allein nicht möglich, wo die entſtehende große Konkurrenz zu plötzlich gleichſam ihn überfällt, auch poſitiv einzugreifen. Und dazu bedarf es der Or- gane. Die Berliner Innungen haben vorgeſchlagen im Gegenſatz zu den Handelskammern Gewerbekammern, in welchen das kleine Handwerk zu Worte komme und ſeine Intereſſen vertrete, zu gründen. Damit wäre aber nichts erreicht. Was beſſern ſolche Kammern? Selbſt die Thätigkeit der beſtehenden Handelskammern konzentrirt ſich in ihren Jahresberichten. Daß dieſe, ver- faßt meiſt von beſoldeten Literaten, welche der großen Induſtrie immer näher ſtehen, als dem kleinen Handwerk, alle Dinge mehr nur vom Standpunkt der großen Indu- ſtrie und des Handels betrachten, iſt wahr. Man hat die Berichte ſpöttiſch oft ſchon die Wunſchzettel unſerer großen Unternehmer genannt. Ob das zu ändern wäre, durch andere Zuſammenſetzung, will ich hier nicht erörtern, ſo viel aber iſt unzweifelhaft, daß Gewerbekammern, in welchen nur kleine Meiſter ihre Intereſſen berathen, die Handwerkerſache wieder mit dem ſogenannten Handwerker- recht zuſammenwerfen und nicht viel Erſprießliches leiſten würden.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/721>, abgerufen am 25.11.2024.