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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Schluß und Resultate.
Regierung für die unteren Klassen, die ganze Armen-
pflege, die staatlichen Unterstützungs- und Sparkassen,
die gesetzmäßige Organisation des Knappschaftswesens,
die Fabrikgesetzgebung, vollends das Institut der Fabrik-
inspektoren, der Staatskredit für Wohnungen der arbei-
tenden Klassen, wie er in England lange gegeben wird;
das alles wird ohne Weiteres in einen Topf geworfen.
Wer noch auf solch' überwundenem Standpunkte steht, der
wird als Sozialist oder als pseudoreaktionärer Schleicher
verurtheilt. Er kann den Eid auf die alleinseligmachende
Lehre von der wirthschaftlichen Freiheit ja nicht leisten;
er wird ausgestoßen.

Auch ich verurtheile jede Maßregel, die aus unehr-
lichen oder Nebenabsichten willkürlich in das bestehende
Eigenthum eingreift, die von materialistischer Gleich-
macherei diktirt, von brutaler Leidenschaft und neidischem
Haß geschürt, frivol die Kontinuität unserer Rechts-
institutionen entzwei reißen, eine neue willkürliche Ord-
nung des Besitzes vornehmen will, ohne die Garantie
zu bieten, daß die, welche nun mehr erhalten, dadurch
bessere und glückliche Bürger werden. Aber ich habe
nicht jene kleinliche Furcht vor jeder Maßregel, die
irgendwie das bestehende Eigenthum und seinen Werth
berührt. Das Eigenthum ist kein absolutes; der Werth
des Eigenthums ist immer mehr Folge der Gesellschaft
als Verdienst des Einzelnen; jeder Einzelne ist der Ge-
sellschaft und dem Staate so tausendfach verpflichtet,
daß sein Eigenthum nur denkbar ist mit weitgehenden
Pflichten und Lasten gegen das Ganze. Für gewöhnlich
werden diese in mäßigen Grenzen sich halten. In großen

Schluß und Reſultate.
Regierung für die unteren Klaſſen, die ganze Armen-
pflege, die ſtaatlichen Unterſtützungs- und Sparkaſſen,
die geſetzmäßige Organiſation des Knappſchaftsweſens,
die Fabrikgeſetzgebung, vollends das Inſtitut der Fabrik-
inſpektoren, der Staatskredit für Wohnungen der arbei-
tenden Klaſſen, wie er in England lange gegeben wird;
das alles wird ohne Weiteres in einen Topf geworfen.
Wer noch auf ſolch’ überwundenem Standpunkte ſteht, der
wird als Sozialiſt oder als pſeudoreaktionärer Schleicher
verurtheilt. Er kann den Eid auf die alleinſeligmachende
Lehre von der wirthſchaftlichen Freiheit ja nicht leiſten;
er wird ausgeſtoßen.

Auch ich verurtheile jede Maßregel, die aus unehr-
lichen oder Nebenabſichten willkürlich in das beſtehende
Eigenthum eingreift, die von materialiſtiſcher Gleich-
macherei diktirt, von brutaler Leidenſchaft und neidiſchem
Haß geſchürt, frivol die Kontinuität unſerer Rechts-
inſtitutionen entzwei reißen, eine neue willkürliche Ord-
nung des Beſitzes vornehmen will, ohne die Garantie
zu bieten, daß die, welche nun mehr erhalten, dadurch
beſſere und glückliche Bürger werden. Aber ich habe
nicht jene kleinliche Furcht vor jeder Maßregel, die
irgendwie das beſtehende Eigenthum und ſeinen Werth
berührt. Das Eigenthum iſt kein abſolutes; der Werth
des Eigenthums iſt immer mehr Folge der Geſellſchaft
als Verdienſt des Einzelnen; jeder Einzelne iſt der Ge-
ſellſchaft und dem Staate ſo tauſendfach verpflichtet,
daß ſein Eigenthum nur denkbar iſt mit weitgehenden
Pflichten und Laſten gegen das Ganze. Für gewöhnlich
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[686/0708] Schluß und Reſultate. Regierung für die unteren Klaſſen, die ganze Armen- pflege, die ſtaatlichen Unterſtützungs- und Sparkaſſen, die geſetzmäßige Organiſation des Knappſchaftsweſens, die Fabrikgeſetzgebung, vollends das Inſtitut der Fabrik- inſpektoren, der Staatskredit für Wohnungen der arbei- tenden Klaſſen, wie er in England lange gegeben wird; das alles wird ohne Weiteres in einen Topf geworfen. Wer noch auf ſolch’ überwundenem Standpunkte ſteht, der wird als Sozialiſt oder als pſeudoreaktionärer Schleicher verurtheilt. Er kann den Eid auf die alleinſeligmachende Lehre von der wirthſchaftlichen Freiheit ja nicht leiſten; er wird ausgeſtoßen. Auch ich verurtheile jede Maßregel, die aus unehr- lichen oder Nebenabſichten willkürlich in das beſtehende Eigenthum eingreift, die von materialiſtiſcher Gleich- macherei diktirt, von brutaler Leidenſchaft und neidiſchem Haß geſchürt, frivol die Kontinuität unſerer Rechts- inſtitutionen entzwei reißen, eine neue willkürliche Ord- nung des Beſitzes vornehmen will, ohne die Garantie zu bieten, daß die, welche nun mehr erhalten, dadurch beſſere und glückliche Bürger werden. Aber ich habe nicht jene kleinliche Furcht vor jeder Maßregel, die irgendwie das beſtehende Eigenthum und ſeinen Werth berührt. Das Eigenthum iſt kein abſolutes; der Werth des Eigenthums iſt immer mehr Folge der Geſellſchaft als Verdienſt des Einzelnen; jeder Einzelne iſt der Ge- ſellſchaft und dem Staate ſo tauſendfach verpflichtet, daß ſein Eigenthum nur denkbar iſt mit weitgehenden Pflichten und Laſten gegen das Ganze. Für gewöhnlich werden dieſe in mäßigen Grenzen ſich halten. In großen

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/708>, abgerufen am 23.11.2024.