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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Schluß und Resultate.
habenden Fabrikanten vom einfachen Arbeiter oder Hand-
werksmeister emporgestiegen sind zum größten Besitz,
zu den höchsten Ehren in Staat und Gesellschaft. Die
Standesunterschiede, welche früher dem Talente oft sich
in den Weg stellten, sind gefallen. Aber dieses Empor-
steigen wird von Tag zu Tag schwerer. In den Jahren
1830--40 gab es noch kaum große Tuch- oder Ma-
schinenfabriken; gerade weil es damals fast noch keine
Konkurrenz, fast noch keine großen Geschäfte gab, kamen
die Tüchtigsten unter den Tuchmachern und Kessel-
schmieden empor. Das ist heute total anders geworden.
Jedenfalls ist ein solches Emporsteigen immer nur
Einzelnen, besonders Talentvollen und von glücklichen
Zufällen Begünstigten möglich. Daneben ist unbestreit-
bar, daß die große Industrie in ihrer Gesammtheit lange
Zeit das Schoßkind der Regierungen war. Die früher
gegründeten polytechnischen Schulen haben unsere In-
genieure und Fabrikanten großgezogen, Schutzzölle haben
unsere Baumwollspinner, unsere Zuckerfabrikanten und
andere Fabriken reich gemacht; zahlreiche direkte Staats-
unterstützungen in Preußen, die Thätigkeit von Bank-
und Seehandlung kamen in erster Linie den großen Ge-
schäften, wenn auch in weiterer Linie dem Ganzen
ebenfalls zu Gute.

In Bezug auf das große Kapital hat Lasalle von
einem blinden Werthwechsel gesprochen, der die Besitzen-
den noch reicher, die Nichtbesitzenden täglich ärmer mache.
Diese Anschauung gehört in das Land der Träume.
Aber Ein großer Werthwechsel hat allerdings statt-
gefunden, an dem nur die Besitzenden und zwar die

Schluß und Reſultate.
habenden Fabrikanten vom einfachen Arbeiter oder Hand-
werksmeiſter emporgeſtiegen ſind zum größten Beſitz,
zu den höchſten Ehren in Staat und Geſellſchaft. Die
Standesunterſchiede, welche früher dem Talente oft ſich
in den Weg ſtellten, ſind gefallen. Aber dieſes Empor-
ſteigen wird von Tag zu Tag ſchwerer. In den Jahren
1830—40 gab es noch kaum große Tuch- oder Ma-
ſchinenfabriken; gerade weil es damals faſt noch keine
Konkurrenz, faſt noch keine großen Geſchäfte gab, kamen
die Tüchtigſten unter den Tuchmachern und Keſſel-
ſchmieden empor. Das iſt heute total anders geworden.
Jedenfalls iſt ein ſolches Emporſteigen immer nur
Einzelnen, beſonders Talentvollen und von glücklichen
Zufällen Begünſtigten möglich. Daneben iſt unbeſtreit-
bar, daß die große Induſtrie in ihrer Geſammtheit lange
Zeit das Schoßkind der Regierungen war. Die früher
gegründeten polytechniſchen Schulen haben unſere In-
genieure und Fabrikanten großgezogen, Schutzzölle haben
unſere Baumwollſpinner, unſere Zuckerfabrikanten und
andere Fabriken reich gemacht; zahlreiche direkte Staats-
unterſtützungen in Preußen, die Thätigkeit von Bank-
und Seehandlung kamen in erſter Linie den großen Ge-
ſchäften, wenn auch in weiterer Linie dem Ganzen
ebenfalls zu Gute.

In Bezug auf das große Kapital hat Laſalle von
einem blinden Werthwechſel geſprochen, der die Beſitzen-
den noch reicher, die Nichtbeſitzenden täglich ärmer mache.
Dieſe Anſchauung gehört in das Land der Träume.
Aber Ein großer Werthwechſel hat allerdings ſtatt-
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[674/0696] Schluß und Reſultate. habenden Fabrikanten vom einfachen Arbeiter oder Hand- werksmeiſter emporgeſtiegen ſind zum größten Beſitz, zu den höchſten Ehren in Staat und Geſellſchaft. Die Standesunterſchiede, welche früher dem Talente oft ſich in den Weg ſtellten, ſind gefallen. Aber dieſes Empor- ſteigen wird von Tag zu Tag ſchwerer. In den Jahren 1830—40 gab es noch kaum große Tuch- oder Ma- ſchinenfabriken; gerade weil es damals faſt noch keine Konkurrenz, faſt noch keine großen Geſchäfte gab, kamen die Tüchtigſten unter den Tuchmachern und Keſſel- ſchmieden empor. Das iſt heute total anders geworden. Jedenfalls iſt ein ſolches Emporſteigen immer nur Einzelnen, beſonders Talentvollen und von glücklichen Zufällen Begünſtigten möglich. Daneben iſt unbeſtreit- bar, daß die große Induſtrie in ihrer Geſammtheit lange Zeit das Schoßkind der Regierungen war. Die früher gegründeten polytechniſchen Schulen haben unſere In- genieure und Fabrikanten großgezogen, Schutzzölle haben unſere Baumwollſpinner, unſere Zuckerfabrikanten und andere Fabriken reich gemacht; zahlreiche direkte Staats- unterſtützungen in Preußen, die Thätigkeit von Bank- und Seehandlung kamen in erſter Linie den großen Ge- ſchäften, wenn auch in weiterer Linie dem Ganzen ebenfalls zu Gute. In Bezug auf das große Kapital hat Laſalle von einem blinden Werthwechſel geſprochen, der die Beſitzen- den noch reicher, die Nichtbeſitzenden täglich ärmer mache. Dieſe Anſchauung gehört in das Land der Träume. Aber Ein großer Werthwechſel hat allerdings ſtatt- gefunden, an dem nur die Beſitzenden und zwar die

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/696>, abgerufen am 23.11.2024.