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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Hutmacherei und die Blumenfabriken.
Bedürfniß zu genügen. Im Zollverein kommen 1861
auf 3117 Meister 5362 Gehülfen oder Arbeiter. An
kleinen Orten halten sich wohl noch die kleinen Meister,
aber mehr als Händler; in den großen Städten eröffnen
die Fabriken selbst große Magazine und verkaufen da-
neben an die Handlungen, welche die sämmtlichen
Herrengarderobeartikel führen.

Während die männliche Kopfbedeckung im Laufe
der Zeit immer einfacher, stereotyper wird, läßt sich
das von der weiblichen nicht sagen. Phantasie und
Mode sind bestrebt, in mannigfaltigster, immer wechseln-
der Weise den weiblichen Kopf mit allen möglichen Arten
von Kopfbedeckungen zu zieren, dabei in der raffinirtesten
Weise den Stroh- oder Filzhut, die Spitzen- oder Tüll-
haube mit Bändern, Schleifen, Blumen und Federn zu
dekoriren. Die Band- und Posamentiergewerbe liefern,
abgesehen von den Hüten und breiten Geweben, dazu
die Rohstoffe; auch hierfür sind besondere große Geschäfte
in Berlin, Leipzig und Frankfurt thätig, soweit diese
Waaren nicht vom Ausland bezogen werden. Daneben
kommen die Gewerbe der Buntsticker, Blumen-, Feder-
und Federbuschmacher und Strohhutnäher in Betracht,
welche in den Tabellen als eigene Kategorie zusammen-
gefaßt, in Preußen 1861 - 437 Meister mit 1148 Ge-
hülfen, im Zollverein 1936 Meister mit 7811 Gehülfen
zählen. Schon die Zahlen zeigen, daß es vielfach
größere Geschäfte sind. Die wichtigste Abtheilung ist
die künstliche Blumenfabrikation, die auch im Zollverein
rasche Fortschritte macht, ihr Vorbild aber immer noch
in Frankreich und speziell in Paris hat, woher noch

Die Hutmacherei und die Blumenfabriken.
Bedürfniß zu genügen. Im Zollverein kommen 1861
auf 3117 Meiſter 5362 Gehülfen oder Arbeiter. An
kleinen Orten halten ſich wohl noch die kleinen Meiſter,
aber mehr als Händler; in den großen Städten eröffnen
die Fabriken ſelbſt große Magazine und verkaufen da-
neben an die Handlungen, welche die ſämmtlichen
Herrengarderobeartikel führen.

Während die männliche Kopfbedeckung im Laufe
der Zeit immer einfacher, ſtereotyper wird, läßt ſich
das von der weiblichen nicht ſagen. Phantaſie und
Mode ſind beſtrebt, in mannigfaltigſter, immer wechſeln-
der Weiſe den weiblichen Kopf mit allen möglichen Arten
von Kopfbedeckungen zu zieren, dabei in der raffinirteſten
Weiſe den Stroh- oder Filzhut, die Spitzen- oder Tüll-
haube mit Bändern, Schleifen, Blumen und Federn zu
dekoriren. Die Band- und Poſamentiergewerbe liefern,
abgeſehen von den Hüten und breiten Geweben, dazu
die Rohſtoffe; auch hierfür ſind beſondere große Geſchäfte
in Berlin, Leipzig und Frankfurt thätig, ſoweit dieſe
Waaren nicht vom Ausland bezogen werden. Daneben
kommen die Gewerbe der Buntſticker, Blumen-, Feder-
und Federbuſchmacher und Strohhutnäher in Betracht,
welche in den Tabellen als eigene Kategorie zuſammen-
gefaßt, in Preußen 1861 - 437 Meiſter mit 1148 Ge-
hülfen, im Zollverein 1936 Meiſter mit 7811 Gehülfen
zählen. Schon die Zahlen zeigen, daß es vielfach
größere Geſchäfte ſind. Die wichtigſte Abtheilung iſt
die künſtliche Blumenfabrikation, die auch im Zollverein
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[639/0661] Die Hutmacherei und die Blumenfabriken. Bedürfniß zu genügen. Im Zollverein kommen 1861 auf 3117 Meiſter 5362 Gehülfen oder Arbeiter. An kleinen Orten halten ſich wohl noch die kleinen Meiſter, aber mehr als Händler; in den großen Städten eröffnen die Fabriken ſelbſt große Magazine und verkaufen da- neben an die Handlungen, welche die ſämmtlichen Herrengarderobeartikel führen. Während die männliche Kopfbedeckung im Laufe der Zeit immer einfacher, ſtereotyper wird, läßt ſich das von der weiblichen nicht ſagen. Phantaſie und Mode ſind beſtrebt, in mannigfaltigſter, immer wechſeln- der Weiſe den weiblichen Kopf mit allen möglichen Arten von Kopfbedeckungen zu zieren, dabei in der raffinirteſten Weiſe den Stroh- oder Filzhut, die Spitzen- oder Tüll- haube mit Bändern, Schleifen, Blumen und Federn zu dekoriren. Die Band- und Poſamentiergewerbe liefern, abgeſehen von den Hüten und breiten Geweben, dazu die Rohſtoffe; auch hierfür ſind beſondere große Geſchäfte in Berlin, Leipzig und Frankfurt thätig, ſoweit dieſe Waaren nicht vom Ausland bezogen werden. Daneben kommen die Gewerbe der Buntſticker, Blumen-, Feder- und Federbuſchmacher und Strohhutnäher in Betracht, welche in den Tabellen als eigene Kategorie zuſammen- gefaßt, in Preußen 1861 - 437 Meiſter mit 1148 Ge- hülfen, im Zollverein 1936 Meiſter mit 7811 Gehülfen zählen. Schon die Zahlen zeigen, daß es vielfach größere Geſchäfte ſind. Die wichtigſte Abtheilung iſt die künſtliche Blumenfabrikation, die auch im Zollverein raſche Fortſchritte macht, ihr Vorbild aber immer noch in Frankreich und ſpeziell in Paris hat, woher noch

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/661>, abgerufen am 23.11.2024.