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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
geschätzt: etwa der dritte Theil der Gesammtproduktion
der Erde.

An dieses große Geschäft haben sich besonders in
Leipzig und Berlin größere Kürschneretablissements an-
geschlossen, welche das Reinigen und Gerben der Felle,
das Umarbeiten derselben zu Röcken, Mänteln, Kragen,
Mützen, Handschuhen, Müffen und Halswärmern im
Großen betreiben und ihre Produkte ins Ausland wie
an die inländischen Lokalgeschäfte absetzen. Die größere
Leistungsfähigkeit solcher Geschäfte erlaubt eine Aus-
dehnung der Geschäfte ohne stark wachsende Personen-
zahl. Dagegen wachsen neben ihnen auch die lokalen
Geschäfte, mehr als Magazine, vom Handel und Re-
paraturen lebend, als selbst das Kürschnergeschäft noch
ausübend. Je mehr diese Lokalgeschäfte aber bloße
Handelsgeschäfte sind, desto weniger werden sie eine
steigende Gehülfenzahl beschäftigen.

Aus ähnlichem Grunde hat die Zahl der aus-
schließlich Mützen verfertigenden Meister wahrscheinlich
nur bis in die vierziger Jahre zugenommen. Wenn
sich auch die Technik der Mützenanfertigung seither kaum
sehr geändert hat, so hat sich doch die Produktion unter
Zuhülfenahme von Nähmaschinen und Arbeitstheilung
konzentrirt, der Geschmack spielt eine größere Rolle als
früher. Eine Reihe von Magazinen verkaufen nebenbei
Mützen, welche sie in größeren Quantitäten aus den
Hauptsitzen der tonangebenden Mode beziehen. Der
kleine bloße Mützenmacher oder Mützenhändler ist jetzt
einer der ärmlichsten Handwerker. Ich glaube, daß
diese Art von kleinen Geschäften sogar eher abgenommen

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
geſchätzt: etwa der dritte Theil der Geſammtproduktion
der Erde.

An dieſes große Geſchäft haben ſich beſonders in
Leipzig und Berlin größere Kürſchneretabliſſements an-
geſchloſſen, welche das Reinigen und Gerben der Felle,
das Umarbeiten derſelben zu Röcken, Mänteln, Kragen,
Mützen, Handſchuhen, Müffen und Halswärmern im
Großen betreiben und ihre Produkte ins Ausland wie
an die inländiſchen Lokalgeſchäfte abſetzen. Die größere
Leiſtungsfähigkeit ſolcher Geſchäfte erlaubt eine Aus-
dehnung der Geſchäfte ohne ſtark wachſende Perſonen-
zahl. Dagegen wachſen neben ihnen auch die lokalen
Geſchäfte, mehr als Magazine, vom Handel und Re-
paraturen lebend, als ſelbſt das Kürſchnergeſchäft noch
ausübend. Je mehr dieſe Lokalgeſchäfte aber bloße
Handelsgeſchäfte ſind, deſto weniger werden ſie eine
ſteigende Gehülfenzahl beſchäftigen.

Aus ähnlichem Grunde hat die Zahl der aus-
ſchließlich Mützen verfertigenden Meiſter wahrſcheinlich
nur bis in die vierziger Jahre zugenommen. Wenn
ſich auch die Technik der Mützenanfertigung ſeither kaum
ſehr geändert hat, ſo hat ſich doch die Produktion unter
Zuhülfenahme von Nähmaſchinen und Arbeitstheilung
konzentrirt, der Geſchmack ſpielt eine größere Rolle als
früher. Eine Reihe von Magazinen verkaufen nebenbei
Mützen, welche ſie in größeren Quantitäten aus den
Hauptſitzen der tonangebenden Mode beziehen. Der
kleine bloße Mützenmacher oder Mützenhändler iſt jetzt
einer der ärmlichſten Handwerker. Ich glaube, daß
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[632/0654] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. geſchätzt: etwa der dritte Theil der Geſammtproduktion der Erde. An dieſes große Geſchäft haben ſich beſonders in Leipzig und Berlin größere Kürſchneretabliſſements an- geſchloſſen, welche das Reinigen und Gerben der Felle, das Umarbeiten derſelben zu Röcken, Mänteln, Kragen, Mützen, Handſchuhen, Müffen und Halswärmern im Großen betreiben und ihre Produkte ins Ausland wie an die inländiſchen Lokalgeſchäfte abſetzen. Die größere Leiſtungsfähigkeit ſolcher Geſchäfte erlaubt eine Aus- dehnung der Geſchäfte ohne ſtark wachſende Perſonen- zahl. Dagegen wachſen neben ihnen auch die lokalen Geſchäfte, mehr als Magazine, vom Handel und Re- paraturen lebend, als ſelbſt das Kürſchnergeſchäft noch ausübend. Je mehr dieſe Lokalgeſchäfte aber bloße Handelsgeſchäfte ſind, deſto weniger werden ſie eine ſteigende Gehülfenzahl beſchäftigen. Aus ähnlichem Grunde hat die Zahl der aus- ſchließlich Mützen verfertigenden Meiſter wahrſcheinlich nur bis in die vierziger Jahre zugenommen. Wenn ſich auch die Technik der Mützenanfertigung ſeither kaum ſehr geändert hat, ſo hat ſich doch die Produktion unter Zuhülfenahme von Nähmaſchinen und Arbeitstheilung konzentrirt, der Geſchmack ſpielt eine größere Rolle als früher. Eine Reihe von Magazinen verkaufen nebenbei Mützen, welche ſie in größeren Quantitäten aus den Hauptſitzen der tonangebenden Mode beziehen. Der kleine bloße Mützenmacher oder Mützenhändler iſt jetzt einer der ärmlichſten Handwerker. Ich glaube, daß dieſe Art von kleinen Geſchäften ſogar eher abgenommen

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/654>, abgerufen am 23.11.2024.