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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.
er wollte; durch liberales Heranziehen Fremder wurde
die Konkurrenz befördert, die gewerblichen Rechte des
platten Landes wurden wesentlich ausgedehnt. Es ließe
sich noch sehr zweifeln, ob alle diese Maßregeln nicht
einen mindestens ebenso großen Fortschritt im Sinne der
Freiheit und Rechtsgleichheit repräsentiren als die Gewerbe-
freiheit von 1810, ob sie nicht einen größern Fortschritt
enthalten gegenüber den vorherigen Zunftmißbräuchen,
als das Gesetz von 1868 gegenüber dem von 1849. Die
positiven Förderungen einzelner Gewerbe durch Kredit,
Prämien, Reglements, Verbot fremder Waaren ent-
sprachen im Allgemeinen der entsetzlichen Lethargie und
Lähmung aller gewerblichen Kreise jener Zeit, entsprachen
der gesellschaftlichen Stellung und Bildung der kleinen
Leute, der für Verleger arbeitenden Meister, auf denen
in der Hauptsache die ganze damalige Industrie ruhte.
Oft wurde fehlgegriffen, öfter aber das Richtige getroffen.
Die regierenden Elemente waren den Gewerbtreibenden
an Einsicht und Kenntniß damals so überlegen, daß sie
ihnen sagen konnten, was zu thun sei.

In Bezug auf die Gewebeindustrie, auf die zahl-
reichen Spinner- und Weberdörfer und Städte, die
damals ins Leben gerufen, später theilweise in so große
Noth gekommen sind, hat man oft gezweifelt, ob die
Politik eine richtige war; ob es richtig war, so viele
Arbeitskräfte zu einer Thätigkeit zu veranlassen, die in
ihrer Einfachheit geringen Lohn gab und bei jeder Zoll-
ermäßigung oder -Beseitigung in Gefahr war, wieder
sistirt zu werden. Die Nothstände zeigten sich auch sehr
bedeutend in den Napoleonischen Kriegen und bis gegen

Würdigung der preuß. Gewerbepolizei.
er wollte; durch liberales Heranziehen Fremder wurde
die Konkurrenz befördert, die gewerblichen Rechte des
platten Landes wurden weſentlich ausgedehnt. Es ließe
ſich noch ſehr zweifeln, ob alle dieſe Maßregeln nicht
einen mindeſtens ebenſo großen Fortſchritt im Sinne der
Freiheit und Rechtsgleichheit repräſentiren als die Gewerbe-
freiheit von 1810, ob ſie nicht einen größern Fortſchritt
enthalten gegenüber den vorherigen Zunftmißbräuchen,
als das Geſetz von 1868 gegenüber dem von 1849. Die
poſitiven Förderungen einzelner Gewerbe durch Kredit,
Prämien, Reglements, Verbot fremder Waaren ent-
ſprachen im Allgemeinen der entſetzlichen Lethargie und
Lähmung aller gewerblichen Kreiſe jener Zeit, entſprachen
der geſellſchaftlichen Stellung und Bildung der kleinen
Leute, der für Verleger arbeitenden Meiſter, auf denen
in der Hauptſache die ganze damalige Induſtrie ruhte.
Oft wurde fehlgegriffen, öfter aber das Richtige getroffen.
Die regierenden Elemente waren den Gewerbtreibenden
an Einſicht und Kenntniß damals ſo überlegen, daß ſie
ihnen ſagen konnten, was zu thun ſei.

In Bezug auf die Gewebeinduſtrie, auf die zahl-
reichen Spinner- und Weberdörfer und Städte, die
damals ins Leben gerufen, ſpäter theilweiſe in ſo große
Noth gekommen ſind, hat man oft gezweifelt, ob die
Politik eine richtige war; ob es richtig war, ſo viele
Arbeitskräfte zu einer Thätigkeit zu veranlaſſen, die in
ihrer Einfachheit geringen Lohn gab und bei jeder Zoll-
ermäßigung oder -Beſeitigung in Gefahr war, wieder
ſiſtirt zu werden. Die Nothſtände zeigten ſich auch ſehr
bedeutend in den Napoleoniſchen Kriegen und bis gegen

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[43/0065] Würdigung der preuß. Gewerbepolizei. er wollte; durch liberales Heranziehen Fremder wurde die Konkurrenz befördert, die gewerblichen Rechte des platten Landes wurden weſentlich ausgedehnt. Es ließe ſich noch ſehr zweifeln, ob alle dieſe Maßregeln nicht einen mindeſtens ebenſo großen Fortſchritt im Sinne der Freiheit und Rechtsgleichheit repräſentiren als die Gewerbe- freiheit von 1810, ob ſie nicht einen größern Fortſchritt enthalten gegenüber den vorherigen Zunftmißbräuchen, als das Geſetz von 1868 gegenüber dem von 1849. Die poſitiven Förderungen einzelner Gewerbe durch Kredit, Prämien, Reglements, Verbot fremder Waaren ent- ſprachen im Allgemeinen der entſetzlichen Lethargie und Lähmung aller gewerblichen Kreiſe jener Zeit, entſprachen der geſellſchaftlichen Stellung und Bildung der kleinen Leute, der für Verleger arbeitenden Meiſter, auf denen in der Hauptſache die ganze damalige Induſtrie ruhte. Oft wurde fehlgegriffen, öfter aber das Richtige getroffen. Die regierenden Elemente waren den Gewerbtreibenden an Einſicht und Kenntniß damals ſo überlegen, daß ſie ihnen ſagen konnten, was zu thun ſei. In Bezug auf die Gewebeinduſtrie, auf die zahl- reichen Spinner- und Weberdörfer und Städte, die damals ins Leben gerufen, ſpäter theilweiſe in ſo große Noth gekommen ſind, hat man oft gezweifelt, ob die Politik eine richtige war; ob es richtig war, ſo viele Arbeitskräfte zu einer Thätigkeit zu veranlaſſen, die in ihrer Einfachheit geringen Lohn gab und bei jeder Zoll- ermäßigung oder -Beſeitigung in Gefahr war, wieder ſiſtirt zu werden. Die Nothſtände zeigten ſich auch ſehr bedeutend in den Napoleoniſchen Kriegen und bis gegen

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/65>, abgerufen am 22.11.2024.