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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Schilderung der schlesischen Nothstände.
die Weber andere Erwerbszweige hätten ergreifen können
und wollen, es gab deren vor 1846 kaum welche.
Der tägliche Lohn für die mühevolle 14--16 stündige
Arbeit eines Webers, zugleich für Abnutzung der Ge-
räthschaften, Benutzung der Wohnräume, Heitzung und
Beleuchtung, für Beihülfe von Frau und Kindern wird
im Durchschnitt nicht über 2--3 Sgr. damals betra-
gen haben.1

Mit den Bedürfnissen und den Ansprüchen an's
Leben sank die geistige und moralische Spannkraft der
Bevölkerung noch mehr; eine dumpfe, apathische Re-
signation lagerte sich über ganze Gegenden; von Gene-
ration zu Generation wuchs ein schwächlicheres Geschlecht.
Die Leute waren rührend fleißig, auch Trunkenheit und
andere hervorstechende Laster waren in den Webergegen-
den nicht zu Hause; aber es mangelte an jeder höhern
technischen und sonstigen Bildung und an allen Bildungs-
elementen in den abgelegenen Gebirgskreisen. Ueberfrühe
Ehen und ein großer Kinderreichthum bildeten wie
gewöhnlich die Folge eines sozialen Zustandes, von dem
es schien, daß er sich nicht mehr verschlechtern könne.

von Neurode in Schlesien (Jahrbuch für die amtliche Statistik II,
306): Die Lohnweber haben so geringen Verdienst, daß sie mit den
schlechtesten Nahrungsmitteln -- Kartoffeln ohne Butter, Klößen
oder Suppen von sog. Schwarzmehl u. s. w. -- sich begnügen
müssen; dabei arbeiten die Lohnweber oft die ganze Nacht hin-
durch, Arbeiter in den Spinn- und Appreturanstalten 18 Stun-
den täglich.
1 Gülich II, 489. Schneer gibt 1844 den Lohn des
Leinewebers auf 10--20 Groschen für die Woche an.

Schilderung der ſchleſiſchen Nothſtände.
die Weber andere Erwerbszweige hätten ergreifen können
und wollen, es gab deren vor 1846 kaum welche.
Der tägliche Lohn für die mühevolle 14—16 ſtündige
Arbeit eines Webers, zugleich für Abnutzung der Ge-
räthſchaften, Benutzung der Wohnräume, Heitzung und
Beleuchtung, für Beihülfe von Frau und Kindern wird
im Durchſchnitt nicht über 2—3 Sgr. damals betra-
gen haben.1

Mit den Bedürfniſſen und den Anſprüchen an’s
Leben ſank die geiſtige und moraliſche Spannkraft der
Bevölkerung noch mehr; eine dumpfe, apathiſche Re-
ſignation lagerte ſich über ganze Gegenden; von Gene-
ration zu Generation wuchs ein ſchwächlicheres Geſchlecht.
Die Leute waren rührend fleißig, auch Trunkenheit und
andere hervorſtechende Laſter waren in den Webergegen-
den nicht zu Hauſe; aber es mangelte an jeder höhern
techniſchen und ſonſtigen Bildung und an allen Bildungs-
elementen in den abgelegenen Gebirgskreiſen. Ueberfrühe
Ehen und ein großer Kinderreichthum bildeten wie
gewöhnlich die Folge eines ſozialen Zuſtandes, von dem
es ſchien, daß er ſich nicht mehr verſchlechtern könne.

von Neurode in Schleſien (Jahrbuch für die amtliche Statiſtik II,
306): Die Lohnweber haben ſo geringen Verdienſt, daß ſie mit den
ſchlechteſten Nahrungsmitteln — Kartoffeln ohne Butter, Klößen
oder Suppen von ſog. Schwarzmehl u. ſ. w. — ſich begnügen
müſſen; dabei arbeiten die Lohnweber oft die ganze Nacht hin-
durch, Arbeiter in den Spinn- und Appreturanſtalten 18 Stun-
den täglich.
1 Gülich II, 489. Schneer gibt 1844 den Lohn des
Leinewebers auf 10—20 Groſchen für die Woche an.
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[551/0573] Schilderung der ſchleſiſchen Nothſtände. die Weber andere Erwerbszweige hätten ergreifen können und wollen, es gab deren vor 1846 kaum welche. Der tägliche Lohn für die mühevolle 14—16 ſtündige Arbeit eines Webers, zugleich für Abnutzung der Ge- räthſchaften, Benutzung der Wohnräume, Heitzung und Beleuchtung, für Beihülfe von Frau und Kindern wird im Durchſchnitt nicht über 2—3 Sgr. damals betra- gen haben. 1 Mit den Bedürfniſſen und den Anſprüchen an’s Leben ſank die geiſtige und moraliſche Spannkraft der Bevölkerung noch mehr; eine dumpfe, apathiſche Re- ſignation lagerte ſich über ganze Gegenden; von Gene- ration zu Generation wuchs ein ſchwächlicheres Geſchlecht. Die Leute waren rührend fleißig, auch Trunkenheit und andere hervorſtechende Laſter waren in den Webergegen- den nicht zu Hauſe; aber es mangelte an jeder höhern techniſchen und ſonſtigen Bildung und an allen Bildungs- elementen in den abgelegenen Gebirgskreiſen. Ueberfrühe Ehen und ein großer Kinderreichthum bildeten wie gewöhnlich die Folge eines ſozialen Zuſtandes, von dem es ſchien, daß er ſich nicht mehr verſchlechtern könne. 2 1 Gülich II, 489. Schneer gibt 1844 den Lohn des Leinewebers auf 10—20 Groſchen für die Woche an. 2 von Neurode in Schleſien (Jahrbuch für die amtliche Statiſtik II, 306): Die Lohnweber haben ſo geringen Verdienſt, daß ſie mit den ſchlechteſten Nahrungsmitteln — Kartoffeln ohne Butter, Klößen oder Suppen von ſog. Schwarzmehl u. ſ. w. — ſich begnügen müſſen; dabei arbeiten die Lohnweber oft die ganze Nacht hin- durch, Arbeiter in den Spinn- und Appreturanſtalten 18 Stun- den täglich.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/573>, abgerufen am 22.11.2024.