Von 1816--31 eine bedeutende Abnahme; sie ist aber in Wirklichkeit nicht von großem Einfluß, da in dieser Zeit die als Nebenbeschäftigung gehenden Stühle um so mehr zunahmen. Von 1831--49 trotz der furchtbaren Krisis im ganzen Staate eine Zunahme, in Schlesien erst gegen 1849 eine Abnahme. Sehr viele Weber zwar gingen in dieser Zeit schon zur Baumwoll- weberei über, dafür aber rekrutirte sich die Zahl der Leineweber immer wieder aus den Reihen der Spinner, die in noch schlimmerer Lage sich durch den Uebergang zum Webstuhl zu helfen suchten.1
Diese Stabilität der Zahl hängt zusammen mit dem schlimmsten Uebelstand der Leineweberei: alle Un- gunst einer langsam durch Jahrzehnte hindurch sinkenden Preiskonjunktur wurde ertragen durch den langsam aber sicher immer tiefer sinkenden Lohn, durch die sukzessive Einschränkung der Bedürfnisse, welche eine genügsame Arbeiterbevölkerung sich gefallen ließ. "Die Löhne" -- ruft Schneer -- "wurden immer mehr herabgesetzt, die Indolenz, der Eigensinn und das Kleben am Alten, welche die eigenthümlichen Charakterzüge des schlesischen Arbeiters bilden, ließ die Weber und Spinner bei der großen Zahl der Bewerber um Arbeit, mit dem Noth- dürftigen und endlich mit dem Nothdürftigsten des Lebensunterhaltes sich begnügen."2 Und selbst wenn
1 Vgl. z. B. Zollvereinsblatt 1845, S. 520, über die Spinner im Eichsfelde, welche zur Weberei übergingen.
2 Ueber die schlechte Ernährung in den schlesischen und sächsi- schen Weberdistrikten: Michaelis, über den Einfluß einiger In- dustriezweige etc. Noch 1863 schreibt die amtliche Kreisbeschreibung
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Von 1816—31 eine bedeutende Abnahme; ſie iſt aber in Wirklichkeit nicht von großem Einfluß, da in dieſer Zeit die als Nebenbeſchäftigung gehenden Stühle um ſo mehr zunahmen. Von 1831—49 trotz der furchtbaren Kriſis im ganzen Staate eine Zunahme, in Schleſien erſt gegen 1849 eine Abnahme. Sehr viele Weber zwar gingen in dieſer Zeit ſchon zur Baumwoll- weberei über, dafür aber rekrutirte ſich die Zahl der Leineweber immer wieder aus den Reihen der Spinner, die in noch ſchlimmerer Lage ſich durch den Uebergang zum Webſtuhl zu helfen ſuchten.1
Dieſe Stabilität der Zahl hängt zuſammen mit dem ſchlimmſten Uebelſtand der Leineweberei: alle Un- gunſt einer langſam durch Jahrzehnte hindurch ſinkenden Preiskonjunktur wurde ertragen durch den langſam aber ſicher immer tiefer ſinkenden Lohn, durch die ſukzeſſive Einſchränkung der Bedürfniſſe, welche eine genügſame Arbeiterbevölkerung ſich gefallen ließ. „Die Löhne“ — ruft Schneer — „wurden immer mehr herabgeſetzt, die Indolenz, der Eigenſinn und das Kleben am Alten, welche die eigenthümlichen Charakterzüge des ſchleſiſchen Arbeiters bilden, ließ die Weber und Spinner bei der großen Zahl der Bewerber um Arbeit, mit dem Noth- dürftigen und endlich mit dem Nothdürftigſten des Lebensunterhaltes ſich begnügen.“2 Und ſelbſt wenn
1 Vgl. z. B. Zollvereinsblatt 1845, S. 520, über die Spinner im Eichsfelde, welche zur Weberei übergingen.
2 Ueber die ſchlechte Ernährung in den ſchleſiſchen und ſächſi- ſchen Weberdiſtrikten: Michaelis, über den Einfluß einiger In- duſtriezweige ꝛc. Noch 1863 ſchreibt die amtliche Kreisbeſchreibung
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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Von 1816—31 eine bedeutende Abnahme; ſie iſt
aber in Wirklichkeit nicht von großem Einfluß, da in
dieſer Zeit die als Nebenbeſchäftigung gehenden Stühle
um ſo mehr zunahmen. Von 1831—49 trotz der
furchtbaren Kriſis im ganzen Staate eine Zunahme, in
Schleſien erſt gegen 1849 eine Abnahme. Sehr viele
Weber zwar gingen in dieſer Zeit ſchon zur Baumwoll-
weberei über, dafür aber rekrutirte ſich die Zahl der
Leineweber immer wieder aus den Reihen der Spinner,
die in noch ſchlimmerer Lage ſich durch den Uebergang
zum Webſtuhl zu helfen ſuchten. 1
Dieſe Stabilität der Zahl hängt zuſammen mit
dem ſchlimmſten Uebelſtand der Leineweberei: alle Un-
gunſt einer langſam durch Jahrzehnte hindurch ſinkenden
Preiskonjunktur wurde ertragen durch den langſam aber
ſicher immer tiefer ſinkenden Lohn, durch die ſukzeſſive
Einſchränkung der Bedürfniſſe, welche eine genügſame
Arbeiterbevölkerung ſich gefallen ließ. „Die Löhne“ —
ruft Schneer — „wurden immer mehr herabgeſetzt, die
Indolenz, der Eigenſinn und das Kleben am Alten,
welche die eigenthümlichen Charakterzüge des ſchleſiſchen
Arbeiters bilden, ließ die Weber und Spinner bei der
großen Zahl der Bewerber um Arbeit, mit dem Noth-
dürftigen und endlich mit dem Nothdürftigſten des
Lebensunterhaltes ſich begnügen.“ 2 Und ſelbſt wenn
1 Vgl. z. B. Zollvereinsblatt 1845, S. 520, über die
Spinner im Eichsfelde, welche zur Weberei übergingen.
2 Ueber die ſchlechte Ernährung in den ſchleſiſchen und ſächſi-
ſchen Weberdiſtrikten: Michaelis, über den Einfluß einiger In-
duſtriezweige ꝛc. Noch 1863 ſchreibt die amtliche Kreisbeſchreibung
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/572>, abgerufen am 22.11.2024.
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