Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Vortheile und Nachtheile der Hausindustrie.
ments war dies möglich. Ganz bestimmte Arten von
Geweben mit festem Namen, bestimmter Breite und
Stücklänge konnten in der Regel nur gefertigt werden.
Bei ihnen mußte man schon bleiben, weil nur über
solche feststehende stereotype Produkte eine Kontrole durch
Schauämter, eine Stempelung möglich war; und diese
Kontrole wieder war unentbehrlich, weil ohne sie die
Waaren, welche der einzelne Kaufmann lieferte, welche
aber Dutzende von Webern gefertigt hatten, zu ungleich-
mäßig ausgefallen wären, weil unter den kleinen Webern
immer viele waren, die nicht so weitsichtig sein konnten,
wie heute jede große Fabrik es ist oder sein sollte,
einzusehen, daß kleine Fälschungen und Nachlässigkeiten
den ganzen Absatz gefährden.

Große politische Stürme, große anhaltende Stockun-
gen des Absatzes, bedeutende Fortschritte in der Technik,
veränderte Anschauungen über Recht und Pflicht des
Staates, sich der Industrie des Landes anzunehmen,
das waren Schläge, welche eine derartig organisirte
Hausindustrie doppelt treffen mußten, zumal wenn sie
sich fast alle zu gleicher Zeit vereinigten.

Die napoleonischen Kriege, die Kontinentalsperre,
die Vernichtung des auswärtigen deutschen Handels, die
großen Veränderungen innerer und äußerer Zollinien
und Zollsätze haben je nach den einzelnen Industrien
auf Deutschland sehr verschieden gewirkt; einzelne, wenig
entwickelt und jetzt von der englischen Konkurrenz befreit,
haben große Fortschritte in dieser Zeit gemacht; andere,
deren Absatz bisher über England, überhaupt nach
Staaten und Ländern gegangen war, mit denen der

Vortheile und Nachtheile der Hausinduſtrie.
ments war dies möglich. Ganz beſtimmte Arten von
Geweben mit feſtem Namen, beſtimmter Breite und
Stücklänge konnten in der Regel nur gefertigt werden.
Bei ihnen mußte man ſchon bleiben, weil nur über
ſolche feſtſtehende ſtereotype Produkte eine Kontrole durch
Schauämter, eine Stempelung möglich war; und dieſe
Kontrole wieder war unentbehrlich, weil ohne ſie die
Waaren, welche der einzelne Kaufmann lieferte, welche
aber Dutzende von Webern gefertigt hatten, zu ungleich-
mäßig ausgefallen wären, weil unter den kleinen Webern
immer viele waren, die nicht ſo weitſichtig ſein konnten,
wie heute jede große Fabrik es iſt oder ſein ſollte,
einzuſehen, daß kleine Fälſchungen und Nachläſſigkeiten
den ganzen Abſatz gefährden.

Große politiſche Stürme, große anhaltende Stockun-
gen des Abſatzes, bedeutende Fortſchritte in der Technik,
veränderte Anſchauungen über Recht und Pflicht des
Staates, ſich der Induſtrie des Landes anzunehmen,
das waren Schläge, welche eine derartig organiſirte
Hausinduſtrie doppelt treffen mußten, zumal wenn ſie
ſich faſt alle zu gleicher Zeit vereinigten.

Die napoleoniſchen Kriege, die Kontinentalſperre,
die Vernichtung des auswärtigen deutſchen Handels, die
großen Veränderungen innerer und äußerer Zollinien
und Zollſätze haben je nach den einzelnen Induſtrien
auf Deutſchland ſehr verſchieden gewirkt; einzelne, wenig
entwickelt und jetzt von der engliſchen Konkurrenz befreit,
haben große Fortſchritte in dieſer Zeit gemacht; andere,
deren Abſatz bisher über England, überhaupt nach
Staaten und Ländern gegangen war, mit denen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0565" n="543"/><fw place="top" type="header">Vortheile und Nachtheile der Hausindu&#x017F;trie.</fw><lb/>
ments war dies möglich. Ganz be&#x017F;timmte Arten von<lb/>
Geweben mit fe&#x017F;tem Namen, be&#x017F;timmter Breite und<lb/>
Stücklänge konnten in der Regel nur gefertigt werden.<lb/>
Bei ihnen mußte man &#x017F;chon bleiben, weil nur über<lb/>
&#x017F;olche fe&#x017F;t&#x017F;tehende &#x017F;tereotype Produkte eine Kontrole durch<lb/>
Schauämter, eine Stempelung möglich war; und die&#x017F;e<lb/>
Kontrole wieder war unentbehrlich, weil ohne &#x017F;ie die<lb/>
Waaren, welche der einzelne Kaufmann lieferte, welche<lb/>
aber Dutzende von Webern gefertigt hatten, zu ungleich-<lb/>
mäßig ausgefallen wären, weil unter den kleinen Webern<lb/>
immer viele waren, die nicht &#x017F;o weit&#x017F;ichtig &#x017F;ein konnten,<lb/>
wie heute jede große Fabrik es i&#x017F;t oder &#x017F;ein &#x017F;ollte,<lb/>
einzu&#x017F;ehen, daß kleine Fäl&#x017F;chungen und Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeiten<lb/>
den ganzen Ab&#x017F;atz gefährden.</p><lb/>
          <p>Große politi&#x017F;che Stürme, große anhaltende Stockun-<lb/>
gen des Ab&#x017F;atzes, bedeutende Fort&#x017F;chritte in der Technik,<lb/>
veränderte An&#x017F;chauungen über Recht und Pflicht des<lb/>
Staates, &#x017F;ich der Indu&#x017F;trie des Landes anzunehmen,<lb/>
das waren Schläge, welche eine derartig organi&#x017F;irte<lb/>
Hausindu&#x017F;trie doppelt treffen mußten, zumal wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich fa&#x017F;t alle zu gleicher Zeit vereinigten.</p><lb/>
          <p>Die napoleoni&#x017F;chen Kriege, die Kontinental&#x017F;perre,<lb/>
die Vernichtung des auswärtigen deut&#x017F;chen Handels, die<lb/>
großen Veränderungen innerer und äußerer Zollinien<lb/>
und Zoll&#x017F;ätze haben je nach den einzelnen Indu&#x017F;trien<lb/>
auf Deut&#x017F;chland &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden gewirkt; einzelne, wenig<lb/>
entwickelt und jetzt von der engli&#x017F;chen Konkurrenz befreit,<lb/>
haben große Fort&#x017F;chritte in die&#x017F;er Zeit gemacht; andere,<lb/>
deren Ab&#x017F;atz bisher über England, überhaupt nach<lb/>
Staaten und Ländern gegangen war, mit denen der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[543/0565] Vortheile und Nachtheile der Hausinduſtrie. ments war dies möglich. Ganz beſtimmte Arten von Geweben mit feſtem Namen, beſtimmter Breite und Stücklänge konnten in der Regel nur gefertigt werden. Bei ihnen mußte man ſchon bleiben, weil nur über ſolche feſtſtehende ſtereotype Produkte eine Kontrole durch Schauämter, eine Stempelung möglich war; und dieſe Kontrole wieder war unentbehrlich, weil ohne ſie die Waaren, welche der einzelne Kaufmann lieferte, welche aber Dutzende von Webern gefertigt hatten, zu ungleich- mäßig ausgefallen wären, weil unter den kleinen Webern immer viele waren, die nicht ſo weitſichtig ſein konnten, wie heute jede große Fabrik es iſt oder ſein ſollte, einzuſehen, daß kleine Fälſchungen und Nachläſſigkeiten den ganzen Abſatz gefährden. Große politiſche Stürme, große anhaltende Stockun- gen des Abſatzes, bedeutende Fortſchritte in der Technik, veränderte Anſchauungen über Recht und Pflicht des Staates, ſich der Induſtrie des Landes anzunehmen, das waren Schläge, welche eine derartig organiſirte Hausinduſtrie doppelt treffen mußten, zumal wenn ſie ſich faſt alle zu gleicher Zeit vereinigten. Die napoleoniſchen Kriege, die Kontinentalſperre, die Vernichtung des auswärtigen deutſchen Handels, die großen Veränderungen innerer und äußerer Zollinien und Zollſätze haben je nach den einzelnen Induſtrien auf Deutſchland ſehr verſchieden gewirkt; einzelne, wenig entwickelt und jetzt von der engliſchen Konkurrenz befreit, haben große Fortſchritte in dieſer Zeit gemacht; andere, deren Abſatz bisher über England, überhaupt nach Staaten und Ländern gegangen war, mit denen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/565
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/565>, abgerufen am 18.05.2024.