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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die kleinen Streichgarnstühle und die Handspinnerei.
brachte bald darauf seine schon viel vollendetere Woll-
spinnmaschine nach Verviers, führte sie dann auch in
Aachen ein, und seine Söhne errichteten schon 1815
aus Veranlassung der preußischen Regierung eine hierzu
eingerichtete Maschinenfabrik in Berlin.

Neben diesen kleinen rasch sich verbreitenden Streich-
garnspinnmaschinen erhielt sich bis in die neueste Zeit
in abgelegenen Gegenden als Nebenbeschäftigung die
Handspinnerei. Wo der Bauer sein eigenes Tuch sich
noch webt, da spinnt er auch die Wolle dazu. Mehr
noch wird zu Strick- und Strumpfwaaren das Garn
mit der Hand gesponnen. In Thüringen, Westfalen
und Württemberg gibt es bis in die neuere Zeit noch
Spinnerfamilien, doch dringen auch auf dem Lande die
Maschinenstrickgarne täglich weiter vor. Die preußische
Statistik verzeichnet die Wollspinner zusammen mit den
gewerbsmäßigen Wollstrickern; das erschwert eine sichere
Beurtheilung der Verhältnisse nach den Zahlen; auch
die Grenze zwischen gewerblicher und Hausarbeit ist
natürlich schwankend. Man zählte in Preußen:

[Tabelle]

So viel sieht man aus den Zahlen, daß es sich
um kein bedeutendes Gewerbe mehr handelt, auch nicht
um ein plötzliches Zurückgehen.

Wohl galt es noch einen Kampf zwischen dem
kleinen und dem großen Betrieb; aber die Losung war
hier nicht mehr: Handarbeit oder Maschine, sondern:
kleine oder große Maschine! Es hatte sich der Kampf

Die kleinen Streichgarnſtühle und die Handſpinnerei.
brachte bald darauf ſeine ſchon viel vollendetere Woll-
ſpinnmaſchine nach Verviers, führte ſie dann auch in
Aachen ein, und ſeine Söhne errichteten ſchon 1815
aus Veranlaſſung der preußiſchen Regierung eine hierzu
eingerichtete Maſchinenfabrik in Berlin.

Neben dieſen kleinen raſch ſich verbreitenden Streich-
garnſpinnmaſchinen erhielt ſich bis in die neueſte Zeit
in abgelegenen Gegenden als Nebenbeſchäftigung die
Handſpinnerei. Wo der Bauer ſein eigenes Tuch ſich
noch webt, da ſpinnt er auch die Wolle dazu. Mehr
noch wird zu Strick- und Strumpfwaaren das Garn
mit der Hand geſponnen. In Thüringen, Weſtfalen
und Württemberg gibt es bis in die neuere Zeit noch
Spinnerfamilien, doch dringen auch auf dem Lande die
Maſchinenſtrickgarne täglich weiter vor. Die preußiſche
Statiſtik verzeichnet die Wollſpinner zuſammen mit den
gewerbsmäßigen Wollſtrickern; das erſchwert eine ſichere
Beurtheilung der Verhältniſſe nach den Zahlen; auch
die Grenze zwiſchen gewerblicher und Hausarbeit iſt
natürlich ſchwankend. Man zählte in Preußen:

[Tabelle]

So viel ſieht man aus den Zahlen, daß es ſich
um kein bedeutendes Gewerbe mehr handelt, auch nicht
um ein plötzliches Zurückgehen.

Wohl galt es noch einen Kampf zwiſchen dem
kleinen und dem großen Betrieb; aber die Loſung war
hier nicht mehr: Handarbeit oder Maſchine, ſondern:
kleine oder große Maſchine! Es hatte ſich der Kampf

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[477/0499] Die kleinen Streichgarnſtühle und die Handſpinnerei. brachte bald darauf ſeine ſchon viel vollendetere Woll- ſpinnmaſchine nach Verviers, führte ſie dann auch in Aachen ein, und ſeine Söhne errichteten ſchon 1815 aus Veranlaſſung der preußiſchen Regierung eine hierzu eingerichtete Maſchinenfabrik in Berlin. Neben dieſen kleinen raſch ſich verbreitenden Streich- garnſpinnmaſchinen erhielt ſich bis in die neueſte Zeit in abgelegenen Gegenden als Nebenbeſchäftigung die Handſpinnerei. Wo der Bauer ſein eigenes Tuch ſich noch webt, da ſpinnt er auch die Wolle dazu. Mehr noch wird zu Strick- und Strumpfwaaren das Garn mit der Hand geſponnen. In Thüringen, Weſtfalen und Württemberg gibt es bis in die neuere Zeit noch Spinnerfamilien, doch dringen auch auf dem Lande die Maſchinenſtrickgarne täglich weiter vor. Die preußiſche Statiſtik verzeichnet die Wollſpinner zuſammen mit den gewerbsmäßigen Wollſtrickern; das erſchwert eine ſichere Beurtheilung der Verhältniſſe nach den Zahlen; auch die Grenze zwiſchen gewerblicher und Hausarbeit iſt natürlich ſchwankend. Man zählte in Preußen: So viel ſieht man aus den Zahlen, daß es ſich um kein bedeutendes Gewerbe mehr handelt, auch nicht um ein plötzliches Zurückgehen. Wohl galt es noch einen Kampf zwiſchen dem kleinen und dem großen Betrieb; aber die Loſung war hier nicht mehr: Handarbeit oder Maſchine, ſondern: kleine oder große Maſchine! Es hatte ſich der Kampf

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/499>, abgerufen am 26.11.2024.