Darnach blieb dem Spinner früher an dem Schock ein Verdienst von 28--32 Thlr., 1833 noch von 5 Thlr. bei dem bessern Garn, während das schlechtere, das Einschußgarn, bei dem auch viel früher die Ma- schine konkurrirte, kaum mehr einen Verdienst gab. So kam es, "daß zu Anfang der vierziger Jahre eine ganze Spinnerfamilie, Mann, Frau und Kinder, bei allem Fleiße, wenn sie fast Tag und Nacht am Spinnrade saßen, nicht über 2 Groschen täglichen Verdienstes hatte."
Schon waren damals die Bemühungen für Ver- besserung der Flachsbereitung im Gang. Gut einge- richtete Staatsflachsanstalten, wie in Belgien, wurden vorgeschlagen und eingerichtet, um den Spinner aus der Hand des Flachshändlers zu befreien; in ähnlicher Weise sorgte man für direkten Absatz des Garns, um den wucherischen Druck des Garnsammlers von ihm zu neh- men. Durch zahlreiche Spinnschulen suchte man auf eine bessere Produktion hinzuarbeiten. In Westfalen existirten 1845 - 75 derartige Schulen, 1 in Schlesien wurden ebenfalls zahlreiche errichtet. Das waren Linderungsmittel der Noth; in der Hauptsache konnten sie nicht helfen, um so weniger, als die mechanische Flachsspinnerei sich nunmehr in England großartig ent- wickelt hatte, im Stande war, größere Mengen guten Maschinengarns auch nach dem Zollverein zu liefern. Die Flachsspindel in der Fabrik hatte schon 1818 etwa 120 mal so viel geliefert, als ein Handspinnrad; in
1 Zollvereinsblatt, Jahrg. 1845. S. 605. (aus der Enquete, welche das Berliner Handelsamt anstellte). Gülich IV, 447.
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Darnach blieb dem Spinner früher an dem Schock ein Verdienſt von 28—32 Thlr., 1833 noch von 5 Thlr. bei dem beſſern Garn, während das ſchlechtere, das Einſchußgarn, bei dem auch viel früher die Ma- ſchine konkurrirte, kaum mehr einen Verdienſt gab. So kam es, „daß zu Anfang der vierziger Jahre eine ganze Spinnerfamilie, Mann, Frau und Kinder, bei allem Fleiße, wenn ſie faſt Tag und Nacht am Spinnrade ſaßen, nicht über 2 Groſchen täglichen Verdienſtes hatte.“
Schon waren damals die Bemühungen für Ver- beſſerung der Flachsbereitung im Gang. Gut einge- richtete Staatsflachsanſtalten, wie in Belgien, wurden vorgeſchlagen und eingerichtet, um den Spinner aus der Hand des Flachshändlers zu befreien; in ähnlicher Weiſe ſorgte man für direkten Abſatz des Garns, um den wucheriſchen Druck des Garnſammlers von ihm zu neh- men. Durch zahlreiche Spinnſchulen ſuchte man auf eine beſſere Produktion hinzuarbeiten. In Weſtfalen exiſtirten 1845 - 75 derartige Schulen, 1 in Schleſien wurden ebenfalls zahlreiche errichtet. Das waren Linderungsmittel der Noth; in der Hauptſache konnten ſie nicht helfen, um ſo weniger, als die mechaniſche Flachsſpinnerei ſich nunmehr in England großartig ent- wickelt hatte, im Stande war, größere Mengen guten Maſchinengarns auch nach dem Zollverein zu liefern. Die Flachsſpindel in der Fabrik hatte ſchon 1818 etwa 120 mal ſo viel geliefert, als ein Handſpinnrad; in
1 Zollvereinsblatt, Jahrg. 1845. S. 605. (aus der Enquete, welche das Berliner Handelsamt anſtellte). Gülich IV, 447.
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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Darnach blieb dem Spinner früher an dem Schock
ein Verdienſt von 28—32 Thlr., 1833 noch von
5 Thlr. bei dem beſſern Garn, während das ſchlechtere,
das Einſchußgarn, bei dem auch viel früher die Ma-
ſchine konkurrirte, kaum mehr einen Verdienſt gab. So
kam es, „daß zu Anfang der vierziger Jahre eine ganze
Spinnerfamilie, Mann, Frau und Kinder, bei allem
Fleiße, wenn ſie faſt Tag und Nacht am Spinnrade
ſaßen, nicht über 2 Groſchen täglichen Verdienſtes hatte.“
Schon waren damals die Bemühungen für Ver-
beſſerung der Flachsbereitung im Gang. Gut einge-
richtete Staatsflachsanſtalten, wie in Belgien, wurden
vorgeſchlagen und eingerichtet, um den Spinner aus der
Hand des Flachshändlers zu befreien; in ähnlicher Weiſe
ſorgte man für direkten Abſatz des Garns, um den
wucheriſchen Druck des Garnſammlers von ihm zu neh-
men. Durch zahlreiche Spinnſchulen ſuchte man auf
eine beſſere Produktion hinzuarbeiten. In Weſtfalen
exiſtirten 1845 - 75 derartige Schulen, 1 in Schleſien
wurden ebenfalls zahlreiche errichtet. Das waren
Linderungsmittel der Noth; in der Hauptſache konnten
ſie nicht helfen, um ſo weniger, als die mechaniſche
Flachsſpinnerei ſich nunmehr in England großartig ent-
wickelt hatte, im Stande war, größere Mengen guten
Maſchinengarns auch nach dem Zollverein zu liefern.
Die Flachsſpindel in der Fabrik hatte ſchon 1818 etwa
120 mal ſo viel geliefert, als ein Handſpinnrad; in
1 Zollvereinsblatt, Jahrg. 1845. S. 605. (aus der Enquete,
welche das Berliner Handelsamt anſtellte). Gülich IV, 447.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/486>, abgerufen am 22.11.2024.
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