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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Flachsspinnerei 1800 -- 1820.

So wäre auch die Entwickelung der englischen
Maschinenspinnerei zunächst eine sehr langsame geblieben,
wenn nicht durch die napoleonischen Kriege, später haupt-
sächlich durch die Kontinentalsperre der Bezug der
deutschen Garne wie der deutschen Leinwand erschwert
worden wäre. Die Preise stiegen; auch in den spani-
schen Kolonien blieb die deutsche Leinwand aus; da warf
sich das englische Kapital mit Macht auf die Flachs-
spinnerei. Prämien für Flachsbau, halbjährig steigende
Importzölle 1 auf fremdes Leinengarn, Rückzölle für aus-
geführte Leinwand kamen hinzu, schnell und sicher die
Blüthe der englischen Maschinenspinnerei herbeizuführen.

Unterdessen begann in Deutschland die Noth der
Spinner, übertäubt vom Lärm des Krieges, erst recht
klar sich zeigend, als 1815 der Frieden wiederkehrte.

Theilweise zwar hob sich der Garnbedarf und die
Garnausfuhr wieder etwas, aber nicht genügend; die
Baumwolle verdrängte die Leinwand mehr und mehr;
der Absatz erhielt sich nur, wenn man das Handgarn
immer billiger lieferte. Die Vorurtheile gegen das
Maschinengarn schwanden überall nach und nach, nur
in Deutschland nicht. Jedenfalls zeigte das Maschinen-
garn einen Vortheil, den das Handgarn nie in dem
Maße gehabt, jetzt vollends durch schlechte Produktion
verlor, eine reelle Gleichmäßigkeit des Gespinnstes.

Dieser letztere Umstand der abnehmenden Güte des
deutschen Handgarns wurde verhängnißvoll. Noch war

1 Ueber die Geschichte der engl. Maschinenspinnerei vergl.
den zollver. Ausstellungsbericht von 1851, II, 155.
Die Flachsſpinnerei 1800 — 1820.

So wäre auch die Entwickelung der engliſchen
Maſchinenſpinnerei zunächſt eine ſehr langſame geblieben,
wenn nicht durch die napoleoniſchen Kriege, ſpäter haupt-
ſächlich durch die Kontinentalſperre der Bezug der
deutſchen Garne wie der deutſchen Leinwand erſchwert
worden wäre. Die Preiſe ſtiegen; auch in den ſpani-
ſchen Kolonien blieb die deutſche Leinwand aus; da warf
ſich das engliſche Kapital mit Macht auf die Flachs-
ſpinnerei. Prämien für Flachsbau, halbjährig ſteigende
Importzölle 1 auf fremdes Leinengarn, Rückzölle für aus-
geführte Leinwand kamen hinzu, ſchnell und ſicher die
Blüthe der engliſchen Maſchinenſpinnerei herbeizuführen.

Unterdeſſen begann in Deutſchland die Noth der
Spinner, übertäubt vom Lärm des Krieges, erſt recht
klar ſich zeigend, als 1815 der Frieden wiederkehrte.

Theilweiſe zwar hob ſich der Garnbedarf und die
Garnausfuhr wieder etwas, aber nicht genügend; die
Baumwolle verdrängte die Leinwand mehr und mehr;
der Abſatz erhielt ſich nur, wenn man das Handgarn
immer billiger lieferte. Die Vorurtheile gegen das
Maſchinengarn ſchwanden überall nach und nach, nur
in Deutſchland nicht. Jedenfalls zeigte das Maſchinen-
garn einen Vortheil, den das Handgarn nie in dem
Maße gehabt, jetzt vollends durch ſchlechte Produktion
verlor, eine reelle Gleichmäßigkeit des Geſpinnſtes.

Dieſer letztere Umſtand der abnehmenden Güte des
deutſchen Handgarns wurde verhängnißvoll. Noch war

1 Ueber die Geſchichte der engl. Maſchinenſpinnerei vergl.
den zollver. Ausſtellungsbericht von 1851, II, 155.
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[459/0481] Die Flachsſpinnerei 1800 — 1820. So wäre auch die Entwickelung der engliſchen Maſchinenſpinnerei zunächſt eine ſehr langſame geblieben, wenn nicht durch die napoleoniſchen Kriege, ſpäter haupt- ſächlich durch die Kontinentalſperre der Bezug der deutſchen Garne wie der deutſchen Leinwand erſchwert worden wäre. Die Preiſe ſtiegen; auch in den ſpani- ſchen Kolonien blieb die deutſche Leinwand aus; da warf ſich das engliſche Kapital mit Macht auf die Flachs- ſpinnerei. Prämien für Flachsbau, halbjährig ſteigende Importzölle 1 auf fremdes Leinengarn, Rückzölle für aus- geführte Leinwand kamen hinzu, ſchnell und ſicher die Blüthe der engliſchen Maſchinenſpinnerei herbeizuführen. Unterdeſſen begann in Deutſchland die Noth der Spinner, übertäubt vom Lärm des Krieges, erſt recht klar ſich zeigend, als 1815 der Frieden wiederkehrte. Theilweiſe zwar hob ſich der Garnbedarf und die Garnausfuhr wieder etwas, aber nicht genügend; die Baumwolle verdrängte die Leinwand mehr und mehr; der Abſatz erhielt ſich nur, wenn man das Handgarn immer billiger lieferte. Die Vorurtheile gegen das Maſchinengarn ſchwanden überall nach und nach, nur in Deutſchland nicht. Jedenfalls zeigte das Maſchinen- garn einen Vortheil, den das Handgarn nie in dem Maße gehabt, jetzt vollends durch ſchlechte Produktion verlor, eine reelle Gleichmäßigkeit des Geſpinnſtes. Dieſer letztere Umſtand der abnehmenden Güte des deutſchen Handgarns wurde verhängnißvoll. Noch war 1 Ueber die Geſchichte der engl. Maſchinenſpinnerei vergl. den zollver. Ausſtellungsbericht von 1851, II, 155.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/481>, abgerufen am 26.06.2024.