Schritt vorwärts im Sinne der Befreiung der gewerb- lichen Thätigkeit enthalte und warnte dringend, nicht viel weiter zu gehen, nicht viel über dieses Ziel hinauszuschießen, da eine weitergehende Befreiung gar nicht einmal im Einklang mit der öffentlichen Mei- nung stehe.
Die Majorität des Reichstages stand auch prinzipiell auf gleichem Boden der Anschauung, aber sie ging im Detail doch wesentlich weiter, glaubte eine Reihe von Cautelen fallen lassen zu können, welche der Entwurf beibehalten hatte, um Betrügerei und unlautere Ele- mente leichter auszuschließen.
Der Entwurf verweigerte dem den Hausirschein, der nicht zuverlässig sei. Das kann und wird die Ver- waltungsbehörde leicht mißbrauchen, wenigstens ungleich- mäßig und willkührlich auslegen. Jetzt ist festgesetzt, daß der nicht mehr Gewerbe- sondern Legitimationsschein genannte Ausweis nur dem verweigert werden darf, der bestimmte Strafen erlitten hat, unter Polizeiaufsicht steht, als notorischer Bettler und Landstreicher bekannt ist. Sicher gerechter; aber die Zunahme unreeller Geschäfte ist so auch viel schwerer zu hemmen. Der Entwurf ver- langte Meldung bei der Polizei an jedem Orte, ver- bot ohne Aufforderung die Häuser zu betreten. Beides wurde beseitigt, letztere Bestimmung, weil das gewöhnliche Hausrecht ausreiche. Von Waaren, welche der Entwurf noch ausschließen wollte und die jetzt doch zugelassen werden, sind nur zu nennen die Verzehrungsgegen- stände, welche nicht zum Wochenmarktsverkehr gehören, also hauptsächlich Colonialwaaren. Sie sollten ausge-
Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Schritt vorwärts im Sinne der Befreiung der gewerb- lichen Thätigkeit enthalte und warnte dringend, nicht viel weiter zu gehen, nicht viel über dieſes Ziel hinauszuſchießen, da eine weitergehende Befreiung gar nicht einmal im Einklang mit der öffentlichen Mei- nung ſtehe.
Die Majorität des Reichstages ſtand auch prinzipiell auf gleichem Boden der Anſchauung, aber ſie ging im Detail doch weſentlich weiter, glaubte eine Reihe von Cautelen fallen laſſen zu können, welche der Entwurf beibehalten hatte, um Betrügerei und unlautere Ele- mente leichter auszuſchließen.
Der Entwurf verweigerte dem den Hauſirſchein, der nicht zuverläſſig ſei. Das kann und wird die Ver- waltungsbehörde leicht mißbrauchen, wenigſtens ungleich- mäßig und willkührlich auslegen. Jetzt iſt feſtgeſetzt, daß der nicht mehr Gewerbe- ſondern Legitimationsſchein genannte Ausweis nur dem verweigert werden darf, der beſtimmte Strafen erlitten hat, unter Polizeiaufſicht ſteht, als notoriſcher Bettler und Landſtreicher bekannt iſt. Sicher gerechter; aber die Zunahme unreeller Geſchäfte iſt ſo auch viel ſchwerer zu hemmen. Der Entwurf ver- langte Meldung bei der Polizei an jedem Orte, ver- bot ohne Aufforderung die Häuſer zu betreten. Beides wurde beſeitigt, letztere Beſtimmung, weil das gewöhnliche Hausrecht ausreiche. Von Waaren, welche der Entwurf noch ausſchließen wollte und die jetzt doch zugelaſſen werden, ſind nur zu nennen die Verzehrungsgegen- ſtände, welche nicht zum Wochenmarktsverkehr gehören, alſo hauptſächlich Colonialwaaren. Sie ſollten ausge-
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Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Schritt vorwärts im Sinne der Befreiung der gewerb-
lichen Thätigkeit enthalte und warnte dringend, nicht
viel weiter zu gehen, nicht viel über dieſes Ziel
hinauszuſchießen, da eine weitergehende Befreiung gar
nicht einmal im Einklang mit der öffentlichen Mei-
nung ſtehe.
Die Majorität des Reichstages ſtand auch prinzipiell
auf gleichem Boden der Anſchauung, aber ſie ging im
Detail doch weſentlich weiter, glaubte eine Reihe von
Cautelen fallen laſſen zu können, welche der Entwurf
beibehalten hatte, um Betrügerei und unlautere Ele-
mente leichter auszuſchließen.
Der Entwurf verweigerte dem den Hauſirſchein,
der nicht zuverläſſig ſei. Das kann und wird die Ver-
waltungsbehörde leicht mißbrauchen, wenigſtens ungleich-
mäßig und willkührlich auslegen. Jetzt iſt feſtgeſetzt, daß
der nicht mehr Gewerbe- ſondern Legitimationsſchein
genannte Ausweis nur dem verweigert werden darf, der
beſtimmte Strafen erlitten hat, unter Polizeiaufſicht ſteht,
als notoriſcher Bettler und Landſtreicher bekannt iſt.
Sicher gerechter; aber die Zunahme unreeller Geſchäfte iſt
ſo auch viel ſchwerer zu hemmen. Der Entwurf ver-
langte Meldung bei der Polizei an jedem Orte, ver-
bot ohne Aufforderung die Häuſer zu betreten. Beides
wurde beſeitigt, letztere Beſtimmung, weil das gewöhnliche
Hausrecht ausreiche. Von Waaren, welche der Entwurf
noch ausſchließen wollte und die jetzt doch zugelaſſen
werden, ſind nur zu nennen die Verzehrungsgegen-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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