gewöhnlichen Fabrikarbeiter, daß er ein gelernter Hand- werker ist, dem entsprechend eine andere Stellung und andern Lohn beansprucht.
Andere Magazine sind ganz oder fast ausschließlich auf Einkauf fertiger Produkte, fertiger Lederwaaren, fertiger Kleider eingerichtet. Sie beziehen dieselben von Fabriken oder von verschiedenen Handwerksgeschäften, welche selb- ständig die Rohstoffe einkaufen und verarbeiten, welche sich ausschließlich auf einzelne Spezialitäten, z. B. auf die ausschließliche Anfertigung von Damenmänteln werfen. Solche Handwerker arbeiten dann für eine Reihe von Magazinen, oft für Magazine an verschiedenen Orten. Ihre Geschäfte vervollkommnen sich technisch, sind durch ihren Absatz an verschiedene Magazine unabhängig; sie machen häufig gute Geschäfte; es ist kein allzugroßes Kapital zum Beginne nöthig. In dieser Weise hat sich in Thüringen und ganz Mitteldeutschland vielfach die Schuhmacherei gestaltet. Die kleinen Meister kaufen selbst das Leder -- besonders da, wo Rohstoffgenossen- schaften ihnen das erleichtern -- und verkaufen die fer- tige Waare an die Magazine.
Häufig aber beschäftigen die Magazine die kleinen Meister und Arbeiter so, daß sie den Rohstoff liefern, den Arbeiter in seiner eignen Wohnung arbeiten lassen, ihm nur die Arbeit bezahlen. Von solchen Verhält- nissen hauptsächlich geht die vielfach verbreitete Meinung aus, als ob das Magazinsystem an sich identisch sei mit Lohnherabdrückung, mit blutiger Aussaugung des Arbeiter- standes. Diese Meinung irrt in ihrer Allgemeinheit schon deshalb, weil das Magazinsystem ganz verschiedene
Das Verhältniß der Magazine zur Produktion.
gewöhnlichen Fabrikarbeiter, daß er ein gelernter Hand- werker iſt, dem entſprechend eine andere Stellung und andern Lohn beanſprucht.
Andere Magazine ſind ganz oder faſt ausſchließlich auf Einkauf fertiger Produkte, fertiger Lederwaaren, fertiger Kleider eingerichtet. Sie beziehen dieſelben von Fabriken oder von verſchiedenen Handwerksgeſchäften, welche ſelb- ſtändig die Rohſtoffe einkaufen und verarbeiten, welche ſich ausſchließlich auf einzelne Spezialitäten, z. B. auf die ausſchließliche Anfertigung von Damenmänteln werfen. Solche Handwerker arbeiten dann für eine Reihe von Magazinen, oft für Magazine an verſchiedenen Orten. Ihre Geſchäfte vervollkommnen ſich techniſch, ſind durch ihren Abſatz an verſchiedene Magazine unabhängig; ſie machen häufig gute Geſchäfte; es iſt kein allzugroßes Kapital zum Beginne nöthig. In dieſer Weiſe hat ſich in Thüringen und ganz Mitteldeutſchland vielfach die Schuhmacherei geſtaltet. Die kleinen Meiſter kaufen ſelbſt das Leder — beſonders da, wo Rohſtoffgenoſſen- ſchaften ihnen das erleichtern — und verkaufen die fer- tige Waare an die Magazine.
Häufig aber beſchäftigen die Magazine die kleinen Meiſter und Arbeiter ſo, daß ſie den Rohſtoff liefern, den Arbeiter in ſeiner eignen Wohnung arbeiten laſſen, ihm nur die Arbeit bezahlen. Von ſolchen Verhält- niſſen hauptſächlich geht die vielfach verbreitete Meinung aus, als ob das Magazinſyſtem an ſich identiſch ſei mit Lohnherabdrückung, mit blutiger Ausſaugung des Arbeiter- ſtandes. Dieſe Meinung irrt in ihrer Allgemeinheit ſchon deshalb, weil das Magazinſyſtem ganz verſchiedene
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0255"n="233"/><fwplace="top"type="header">Das Verhältniß der Magazine zur Produktion.</fw><lb/>
gewöhnlichen Fabrikarbeiter, daß er ein gelernter Hand-<lb/>
werker iſt, dem entſprechend eine andere Stellung und<lb/>
andern Lohn beanſprucht.</p><lb/><p>Andere Magazine ſind ganz oder faſt ausſchließlich<lb/>
auf Einkauf fertiger Produkte, fertiger Lederwaaren, fertiger<lb/>
Kleider eingerichtet. Sie beziehen dieſelben von Fabriken<lb/>
oder von verſchiedenen Handwerksgeſchäften, welche ſelb-<lb/>ſtändig die Rohſtoffe einkaufen und verarbeiten, welche<lb/>ſich ausſchließlich auf einzelne Spezialitäten, z. B. auf<lb/>
die ausſchließliche Anfertigung von Damenmänteln werfen.<lb/>
Solche Handwerker arbeiten dann für eine Reihe von<lb/>
Magazinen, oft für Magazine an verſchiedenen Orten.<lb/>
Ihre Geſchäfte vervollkommnen ſich techniſch, ſind durch<lb/>
ihren Abſatz an verſchiedene Magazine unabhängig; ſie<lb/>
machen häufig gute Geſchäfte; es iſt kein allzugroßes<lb/>
Kapital zum Beginne nöthig. In dieſer Weiſe hat ſich<lb/>
in Thüringen und ganz Mitteldeutſchland vielfach die<lb/>
Schuhmacherei geſtaltet. Die kleinen Meiſter kaufen<lb/>ſelbſt das Leder — beſonders da, wo Rohſtoffgenoſſen-<lb/>ſchaften ihnen das erleichtern — und verkaufen die fer-<lb/>
tige Waare an die Magazine.</p><lb/><p>Häufig aber beſchäftigen die Magazine die kleinen<lb/>
Meiſter und Arbeiter ſo, daß ſie den Rohſtoff liefern,<lb/>
den Arbeiter in ſeiner eignen Wohnung arbeiten laſſen,<lb/>
ihm nur die Arbeit bezahlen. Von ſolchen Verhält-<lb/>
niſſen hauptſächlich geht die vielfach verbreitete Meinung<lb/>
aus, als ob das Magazinſyſtem an ſich identiſch ſei mit<lb/>
Lohnherabdrückung, mit blutiger Ausſaugung des Arbeiter-<lb/>ſtandes. Dieſe Meinung irrt in ihrer Allgemeinheit<lb/>ſchon deshalb, weil das Magazinſyſtem ganz verſchiedene<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[233/0255]
Das Verhältniß der Magazine zur Produktion.
gewöhnlichen Fabrikarbeiter, daß er ein gelernter Hand-
werker iſt, dem entſprechend eine andere Stellung und
andern Lohn beanſprucht.
Andere Magazine ſind ganz oder faſt ausſchließlich
auf Einkauf fertiger Produkte, fertiger Lederwaaren, fertiger
Kleider eingerichtet. Sie beziehen dieſelben von Fabriken
oder von verſchiedenen Handwerksgeſchäften, welche ſelb-
ſtändig die Rohſtoffe einkaufen und verarbeiten, welche
ſich ausſchließlich auf einzelne Spezialitäten, z. B. auf
die ausſchließliche Anfertigung von Damenmänteln werfen.
Solche Handwerker arbeiten dann für eine Reihe von
Magazinen, oft für Magazine an verſchiedenen Orten.
Ihre Geſchäfte vervollkommnen ſich techniſch, ſind durch
ihren Abſatz an verſchiedene Magazine unabhängig; ſie
machen häufig gute Geſchäfte; es iſt kein allzugroßes
Kapital zum Beginne nöthig. In dieſer Weiſe hat ſich
in Thüringen und ganz Mitteldeutſchland vielfach die
Schuhmacherei geſtaltet. Die kleinen Meiſter kaufen
ſelbſt das Leder — beſonders da, wo Rohſtoffgenoſſen-
ſchaften ihnen das erleichtern — und verkaufen die fer-
tige Waare an die Magazine.
Häufig aber beſchäftigen die Magazine die kleinen
Meiſter und Arbeiter ſo, daß ſie den Rohſtoff liefern,
den Arbeiter in ſeiner eignen Wohnung arbeiten laſſen,
ihm nur die Arbeit bezahlen. Von ſolchen Verhält-
niſſen hauptſächlich geht die vielfach verbreitete Meinung
aus, als ob das Magazinſyſtem an ſich identiſch ſei mit
Lohnherabdrückung, mit blutiger Ausſaugung des Arbeiter-
ſtandes. Dieſe Meinung irrt in ihrer Allgemeinheit
ſchon deshalb, weil das Magazinſyſtem ganz verſchiedene
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/255>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.