Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.
das Hauptgeschäft des Verlegers. Je tiefer Bildungs-
grad, Geschicklichkeit und Verdienst der betreffenden Ar-
beiter steht, desto leichter kann der schlimme Fall ein-
treten, daß mit einem zu großen Angebot von Arbeits-
kräften der Lohn gedrückt ist, der selbständige Besitz der
Arbeitsmittel aufhört, wie der selbständige Einkauf des
Rohmaterials, daß eine große Zahl verarmter Familien
von wenigen Fabrikanten abhängig wird, in der Noth
sich durch betrügerische Waarenlieferung zu helfen sucht,
zum verkommenen Proletariat herabsinkt.

Solche Zustände sind es, wo der Uebergang zur
Arbeit in geschlossenen Etablissements nur eine Besserung
enthält, den Arbeiter unter Aufsicht und Kontrole stellt, ihn
in gesündere Räume setzt, ihm von seiner Selbständigkeit
nichts mehr nimmt, weil sie doch nicht mehr vorhanden ist. 1

Außerdem ist der Uebergang von der Hausindustrie
zum Fabrikbetrieb in großen Etablissements dann ange-
zeigt, wenn große Maschinen nöthig sind, die sich der
kleine Meister nicht wohl halten kann. Die Maschinen-
weberei wird nur schwer in die Hütte des kleinen Mannes
einkehren. Die Hausindustrie der Nagelschmiede, der
Bürstenbinder, theilweise auch der Stickerei gewährt ein zu
elendes Auskommen, als daß man nicht ihr Aufhören,
ihren Ersatz durch Fabriken wünschen müßte.

Abgesehen aber von solchen Fällen, kann sich die
Hausindustrie, die so viele moralische und soziale Vor-
züge hat, sehr gut halten, und es geht viel zu weit,

1 Siehe die ausgezeichnete kleine Schrift von Dr. med.
Michaelis: Ueber den Einfluß einiger Gewerbezweige auf den
Gesundheitszustand. Leipzig 1866.

Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
das Hauptgeſchäft des Verlegers. Je tiefer Bildungs-
grad, Geſchicklichkeit und Verdienſt der betreffenden Ar-
beiter ſteht, deſto leichter kann der ſchlimme Fall ein-
treten, daß mit einem zu großen Angebot von Arbeits-
kräften der Lohn gedrückt iſt, der ſelbſtändige Beſitz der
Arbeitsmittel aufhört, wie der ſelbſtändige Einkauf des
Rohmaterials, daß eine große Zahl verarmter Familien
von wenigen Fabrikanten abhängig wird, in der Noth
ſich durch betrügeriſche Waarenlieferung zu helfen ſucht,
zum verkommenen Proletariat herabſinkt.

Solche Zuſtände ſind es, wo der Uebergang zur
Arbeit in geſchloſſenen Etabliſſements nur eine Beſſerung
enthält, den Arbeiter unter Aufſicht und Kontrole ſtellt, ihn
in geſündere Räume ſetzt, ihm von ſeiner Selbſtändigkeit
nichts mehr nimmt, weil ſie doch nicht mehr vorhanden iſt. 1

Außerdem iſt der Uebergang von der Hausinduſtrie
zum Fabrikbetrieb in großen Etabliſſements dann ange-
zeigt, wenn große Maſchinen nöthig ſind, die ſich der
kleine Meiſter nicht wohl halten kann. Die Maſchinen-
weberei wird nur ſchwer in die Hütte des kleinen Mannes
einkehren. Die Hausinduſtrie der Nagelſchmiede, der
Bürſtenbinder, theilweiſe auch der Stickerei gewährt ein zu
elendes Auskommen, als daß man nicht ihr Aufhören,
ihren Erſatz durch Fabriken wünſchen müßte.

Abgeſehen aber von ſolchen Fällen, kann ſich die
Hausinduſtrie, die ſo viele moraliſche und ſoziale Vor-
züge hat, ſehr gut halten, und es geht viel zu weit,

1 Siehe die ausgezeichnete kleine Schrift von Dr. med.
Michaelis: Ueber den Einfluß einiger Gewerbezweige auf den
Geſundheitszuſtand. Leipzig 1866.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0226" n="204"/><fw place="top" type="header">Die Umge&#x017F;taltung von Produktion und Verkehr.</fw><lb/>
das Hauptge&#x017F;chäft des Verlegers. Je tiefer Bildungs-<lb/>
grad, Ge&#x017F;chicklichkeit und Verdien&#x017F;t der betreffenden Ar-<lb/>
beiter &#x017F;teht, de&#x017F;to leichter kann der &#x017F;chlimme Fall ein-<lb/>
treten, daß mit einem zu großen Angebot von Arbeits-<lb/>
kräften der Lohn gedrückt i&#x017F;t, der &#x017F;elb&#x017F;tändige Be&#x017F;itz der<lb/>
Arbeitsmittel aufhört, wie der &#x017F;elb&#x017F;tändige Einkauf des<lb/>
Rohmaterials, daß eine große Zahl verarmter Familien<lb/>
von wenigen Fabrikanten abhängig wird, in der Noth<lb/>
&#x017F;ich durch betrügeri&#x017F;che Waarenlieferung zu helfen &#x017F;ucht,<lb/>
zum verkommenen Proletariat herab&#x017F;inkt.</p><lb/>
          <p>Solche Zu&#x017F;tände &#x017F;ind es, wo der Uebergang zur<lb/>
Arbeit in ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Etabli&#x017F;&#x017F;ements nur eine Be&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
enthält, den Arbeiter unter Auf&#x017F;icht und Kontrole &#x017F;tellt, ihn<lb/>
in ge&#x017F;ündere Räume &#x017F;etzt, ihm von &#x017F;einer Selb&#x017F;tändigkeit<lb/>
nichts mehr nimmt, weil &#x017F;ie doch nicht mehr vorhanden i&#x017F;t. <note place="foot" n="1">Siehe die ausgezeichnete kleine Schrift von <hi rendition="#aq">Dr. med.</hi><lb/>
Michaelis: Ueber den Einfluß einiger Gewerbezweige auf den<lb/>
Ge&#x017F;undheitszu&#x017F;tand. Leipzig 1866.</note></p><lb/>
          <p>Außerdem i&#x017F;t der Uebergang von der Hausindu&#x017F;trie<lb/>
zum Fabrikbetrieb in großen Etabli&#x017F;&#x017F;ements dann ange-<lb/>
zeigt, wenn große Ma&#x017F;chinen nöthig &#x017F;ind, die &#x017F;ich der<lb/>
kleine Mei&#x017F;ter nicht wohl halten kann. Die Ma&#x017F;chinen-<lb/>
weberei wird nur &#x017F;chwer in die Hütte des kleinen Mannes<lb/>
einkehren. Die Hausindu&#x017F;trie der Nagel&#x017F;chmiede, der<lb/>
Bür&#x017F;tenbinder, theilwei&#x017F;e auch der Stickerei gewährt ein zu<lb/>
elendes Auskommen, als daß man nicht ihr Aufhören,<lb/>
ihren Er&#x017F;atz durch Fabriken wün&#x017F;chen müßte.</p><lb/>
          <p>Abge&#x017F;ehen aber von &#x017F;olchen Fällen, kann &#x017F;ich die<lb/>
Hausindu&#x017F;trie, die &#x017F;o viele morali&#x017F;che und &#x017F;oziale Vor-<lb/>
züge hat, &#x017F;ehr gut halten, und es geht viel zu weit,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0226] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. das Hauptgeſchäft des Verlegers. Je tiefer Bildungs- grad, Geſchicklichkeit und Verdienſt der betreffenden Ar- beiter ſteht, deſto leichter kann der ſchlimme Fall ein- treten, daß mit einem zu großen Angebot von Arbeits- kräften der Lohn gedrückt iſt, der ſelbſtändige Beſitz der Arbeitsmittel aufhört, wie der ſelbſtändige Einkauf des Rohmaterials, daß eine große Zahl verarmter Familien von wenigen Fabrikanten abhängig wird, in der Noth ſich durch betrügeriſche Waarenlieferung zu helfen ſucht, zum verkommenen Proletariat herabſinkt. Solche Zuſtände ſind es, wo der Uebergang zur Arbeit in geſchloſſenen Etabliſſements nur eine Beſſerung enthält, den Arbeiter unter Aufſicht und Kontrole ſtellt, ihn in geſündere Räume ſetzt, ihm von ſeiner Selbſtändigkeit nichts mehr nimmt, weil ſie doch nicht mehr vorhanden iſt. 1 Außerdem iſt der Uebergang von der Hausinduſtrie zum Fabrikbetrieb in großen Etabliſſements dann ange- zeigt, wenn große Maſchinen nöthig ſind, die ſich der kleine Meiſter nicht wohl halten kann. Die Maſchinen- weberei wird nur ſchwer in die Hütte des kleinen Mannes einkehren. Die Hausinduſtrie der Nagelſchmiede, der Bürſtenbinder, theilweiſe auch der Stickerei gewährt ein zu elendes Auskommen, als daß man nicht ihr Aufhören, ihren Erſatz durch Fabriken wünſchen müßte. Abgeſehen aber von ſolchen Fällen, kann ſich die Hausinduſtrie, die ſo viele moraliſche und ſoziale Vor- züge hat, ſehr gut halten, und es geht viel zu weit, 1 Siehe die ausgezeichnete kleine Schrift von Dr. med. Michaelis: Ueber den Einfluß einiger Gewerbezweige auf den Geſundheitszuſtand. Leipzig 1866.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/226
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/226>, abgerufen am 05.05.2024.