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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.

Die Organisation ist in all diesen Branchen sehr
wechselvoll und verschieden. Es giebt da meist große
geschlossene Etablissements, aber eben so oft kleine sich
gegenseitig in die Hände arbeitende Geschäfte. Beson-
ders wo größere persönliche Geschicklichkeit und Kunst-
fertigkeit gefordert wird, da blühen die kleinen neben den
größeren Geschäften; die einen übernehmen das, die
andern jenes. So in der Waffenfabrikation, in der Ver-
fertigung von Beinwaaren, plattirten Waaren, Kupfer-
waaren, Zinnapparaten, pharmazeutischen Apparaten,
chirurgischen und musikalischen Instrumenten. In Silber-
waarenartikeln haben Meister und Fabrikanten in Berlin
zusammen 1864 112 Werkstätten mit nur 475 Gehülfen
oder Arbeitern.1 Der städtische Wagenbau wird in sehr
verschiedener Ausdehnung betrieben; nur in den ganz
großen Städten hat er sich zu Geschäften konzentrirt,
welche die ganze umliegende Gegend versehen. Am
wenigsten sind die Nahrungs-, die Bau- und die persön-
lichen Gewerbe von der ganzen Umbildung ergriffen, sie
bleiben ihrer Natur nach mehr lokal. Beinahe voll-
ständig dagegen zur Großindustrie übergegangen ist die
Tapeten-, Hut-, Knopf-, Schirm-, Stock-, Seifen-
und Lichterfabrikation.

Wenn das Arbeiten für größeren und entfernteren
Absatz in den Vordergrund tritt, so macht sich bald
geltend, daß die Geschäfte am besten prosperiren, wo sie
in größerer Zahl sind, wo sich Fachschulen für das
Gewerbe errichten lassen, wo die Traditionen im Arbeiter-

1 Preußische Handelskammerberichte für 1864. S. 68.
Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.

Die Organiſation iſt in all dieſen Branchen ſehr
wechſelvoll und verſchieden. Es giebt da meiſt große
geſchloſſene Etabliſſements, aber eben ſo oft kleine ſich
gegenſeitig in die Hände arbeitende Geſchäfte. Beſon-
ders wo größere perſönliche Geſchicklichkeit und Kunſt-
fertigkeit gefordert wird, da blühen die kleinen neben den
größeren Geſchäften; die einen übernehmen das, die
andern jenes. So in der Waffenfabrikation, in der Ver-
fertigung von Beinwaaren, plattirten Waaren, Kupfer-
waaren, Zinnapparaten, pharmazeutiſchen Apparaten,
chirurgiſchen und muſikaliſchen Inſtrumenten. In Silber-
waarenartikeln haben Meiſter und Fabrikanten in Berlin
zuſammen 1864 112 Werkſtätten mit nur 475 Gehülfen
oder Arbeitern.1 Der ſtädtiſche Wagenbau wird in ſehr
verſchiedener Ausdehnung betrieben; nur in den ganz
großen Städten hat er ſich zu Geſchäften konzentrirt,
welche die ganze umliegende Gegend verſehen. Am
wenigſten ſind die Nahrungs-, die Bau- und die perſön-
lichen Gewerbe von der ganzen Umbildung ergriffen, ſie
bleiben ihrer Natur nach mehr lokal. Beinahe voll-
ſtändig dagegen zur Großinduſtrie übergegangen iſt die
Tapeten-, Hut-, Knopf-, Schirm-, Stock-, Seifen-
und Lichterfabrikation.

Wenn das Arbeiten für größeren und entfernteren
Abſatz in den Vordergrund tritt, ſo macht ſich bald
geltend, daß die Geſchäfte am beſten prosperiren, wo ſie
in größerer Zahl ſind, wo ſich Fachſchulen für das
Gewerbe errichten laſſen, wo die Traditionen im Arbeiter-

1 Preußiſche Handelskammerberichte für 1864. S. 68.
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[202/0224] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. Die Organiſation iſt in all dieſen Branchen ſehr wechſelvoll und verſchieden. Es giebt da meiſt große geſchloſſene Etabliſſements, aber eben ſo oft kleine ſich gegenſeitig in die Hände arbeitende Geſchäfte. Beſon- ders wo größere perſönliche Geſchicklichkeit und Kunſt- fertigkeit gefordert wird, da blühen die kleinen neben den größeren Geſchäften; die einen übernehmen das, die andern jenes. So in der Waffenfabrikation, in der Ver- fertigung von Beinwaaren, plattirten Waaren, Kupfer- waaren, Zinnapparaten, pharmazeutiſchen Apparaten, chirurgiſchen und muſikaliſchen Inſtrumenten. In Silber- waarenartikeln haben Meiſter und Fabrikanten in Berlin zuſammen 1864 112 Werkſtätten mit nur 475 Gehülfen oder Arbeitern. 1 Der ſtädtiſche Wagenbau wird in ſehr verſchiedener Ausdehnung betrieben; nur in den ganz großen Städten hat er ſich zu Geſchäften konzentrirt, welche die ganze umliegende Gegend verſehen. Am wenigſten ſind die Nahrungs-, die Bau- und die perſön- lichen Gewerbe von der ganzen Umbildung ergriffen, ſie bleiben ihrer Natur nach mehr lokal. Beinahe voll- ſtändig dagegen zur Großinduſtrie übergegangen iſt die Tapeten-, Hut-, Knopf-, Schirm-, Stock-, Seifen- und Lichterfabrikation. Wenn das Arbeiten für größeren und entfernteren Abſatz in den Vordergrund tritt, ſo macht ſich bald geltend, daß die Geſchäfte am beſten prosperiren, wo ſie in größerer Zahl ſind, wo ſich Fachſchulen für das Gewerbe errichten laſſen, wo die Traditionen im Arbeiter- 1 Preußiſche Handelskammerberichte für 1864. S. 68.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/224>, abgerufen am 06.05.2024.