ihr lobt und tadelt ist für das Gemeinwohl gleichgültig; denn der eine tadelt sie, weil unbequeme Konkurrenz für ihn entsteht, der andere lobt sie, weil einige Unbequem- lichkeiten und Förmlichkeiten ihm erspart sind. Das, was an Segen für das Gemeinwohl der Weiterblickende von der Gewerbefreiheit erwartet, ist etwas anderes, es kann eintreten, aber es muß nicht immer eintreten.
Man erwartet, daß die wirthschaftliche Freiheit andere Sitten, andere Eigenschaften, andere Menschen schaffe, daß, wenn zunächst nur Einzelne sich mehr an- strengen, die andern durch die Konkurrenz gezwungen werden, ihnen zu folgen. Das geht jedenfalls lang- sam; nur von Generation zu Generation ändern sich Sitten und Menschen. Mögen die Folgen aber etwas früher oder später kommen, nur und ausschließlich günstige Wirkungen könnten dann eintreten, wenn alle Gewerb- treibende rührig und dem Fortschritt geneigt wären, wie so häufig Nationalökonomen und Politiker glauben, die nur höher stehende Fabrikanten und Kaufleute persönlich kennen. Da daß nicht immer der Fall ist, so kann die Gewerbefreiheit in einzelnen Kreisen ziemlich wirkungs- los bleiben, ja sie kann umgekehrt durch den Konkurrenz- kampf einen großen Theil der Handwerker tiefer herab- drücken, sie wird es leicht thun, wenn nicht zugleich andere Mittel und Einwirkungen psychologischer und realer Art dieselben fassen und vorwärts bringen.
Wenn der radicale Volkswirth gerne bereit ist, zu erklären, alle welche durch die Gewerbefreiheit nicht vorwärts kommen, seien werth zu Grunde zu gehen, so zieht er in seinem Urtheil eine schroffe Scheidelinie, die
Die Folgen der Gewerbefreiheit.
ihr lobt und tadelt iſt für das Gemeinwohl gleichgültig; denn der eine tadelt ſie, weil unbequeme Konkurrenz für ihn entſteht, der andere lobt ſie, weil einige Unbequem- lichkeiten und Förmlichkeiten ihm erſpart ſind. Das, was an Segen für das Gemeinwohl der Weiterblickende von der Gewerbefreiheit erwartet, iſt etwas anderes, es kann eintreten, aber es muß nicht immer eintreten.
Man erwartet, daß die wirthſchaftliche Freiheit andere Sitten, andere Eigenſchaften, andere Menſchen ſchaffe, daß, wenn zunächſt nur Einzelne ſich mehr an- ſtrengen, die andern durch die Konkurrenz gezwungen werden, ihnen zu folgen. Das geht jedenfalls lang- ſam; nur von Generation zu Generation ändern ſich Sitten und Menſchen. Mögen die Folgen aber etwas früher oder ſpäter kommen, nur und ausſchließlich günſtige Wirkungen könnten dann eintreten, wenn alle Gewerb- treibende rührig und dem Fortſchritt geneigt wären, wie ſo häufig Nationalökonomen und Politiker glauben, die nur höher ſtehende Fabrikanten und Kaufleute perſönlich kennen. Da daß nicht immer der Fall iſt, ſo kann die Gewerbefreiheit in einzelnen Kreiſen ziemlich wirkungs- los bleiben, ja ſie kann umgekehrt durch den Konkurrenz- kampf einen großen Theil der Handwerker tiefer herab- drücken, ſie wird es leicht thun, wenn nicht zugleich andere Mittel und Einwirkungen pſychologiſcher und realer Art dieſelben faſſen und vorwärts bringen.
Wenn der radicale Volkswirth gerne bereit iſt, zu erklären, alle welche durch die Gewerbefreiheit nicht vorwärts kommen, ſeien werth zu Grunde zu gehen, ſo zieht er in ſeinem Urtheil eine ſchroffe Scheidelinie, die
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Die Folgen der Gewerbefreiheit.
ihr lobt und tadelt iſt für das Gemeinwohl gleichgültig;
denn der eine tadelt ſie, weil unbequeme Konkurrenz für
ihn entſteht, der andere lobt ſie, weil einige Unbequem-
lichkeiten und Förmlichkeiten ihm erſpart ſind. Das,
was an Segen für das Gemeinwohl der Weiterblickende
von der Gewerbefreiheit erwartet, iſt etwas anderes,
es kann eintreten, aber es muß nicht immer eintreten.
Man erwartet, daß die wirthſchaftliche Freiheit
andere Sitten, andere Eigenſchaften, andere Menſchen
ſchaffe, daß, wenn zunächſt nur Einzelne ſich mehr an-
ſtrengen, die andern durch die Konkurrenz gezwungen
werden, ihnen zu folgen. Das geht jedenfalls lang-
ſam; nur von Generation zu Generation ändern ſich
Sitten und Menſchen. Mögen die Folgen aber etwas
früher oder ſpäter kommen, nur und ausſchließlich günſtige
Wirkungen könnten dann eintreten, wenn alle Gewerb-
treibende rührig und dem Fortſchritt geneigt wären, wie
ſo häufig Nationalökonomen und Politiker glauben, die
nur höher ſtehende Fabrikanten und Kaufleute perſönlich
kennen. Da daß nicht immer der Fall iſt, ſo kann die
Gewerbefreiheit in einzelnen Kreiſen ziemlich wirkungs-
los bleiben, ja ſie kann umgekehrt durch den Konkurrenz-
kampf einen großen Theil der Handwerker tiefer herab-
drücken, ſie wird es leicht thun, wenn nicht zugleich
andere Mittel und Einwirkungen pſychologiſcher und
realer Art dieſelben faſſen und vorwärts bringen.
Wenn der radicale Volkswirth gerne bereit iſt, zu
erklären, alle welche durch die Gewerbefreiheit nicht
vorwärts kommen, ſeien werth zu Grunde zu gehen, ſo
zieht er in ſeinem Urtheil eine ſchroffe Scheidelinie, die
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/177>, abgerufen am 24.11.2024.
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