der Behörden wesentlich zu Gunsten der Meister und Realberechtigten beschränkt. Die allgemeinen Klagen, die seit 1840 durch ganz Deutschland wiederklingen, daß das Handwerk übersetzt sei, trugen nicht dazu bei, die Gesetze milder zu handhaben. Die Instruktion von 1853 steht unter dem Hochdruck der Reaktion. Die Praxis war eine wesentlich härtere, als in Würtemberg, Sachsen, Baden, die ja damals auch noch Zunftverfas- sung hatten.
Erst 1862 trat infolge der um sich greifenden Agitation für Gewerbefreiheit eine liberalere Behand- lung durch die veränderte Gewerbeinstruktion dieses Jah- res ein. Die volle Gewerbefreiheit erreichte ihre gesetz- liche Einführung endlich den 30. Januar 1868.1 In der Pfalz war die durch die französische Herrschaft ein- geführte Gewerbefreiheit nie angetastet worden.
Als Beweis, daß nur die einschränkende Gesetz- gebung an der gewerblichen Stagnation Baierns Schuld sei, liebt man anzuführen, daß die Pfalz in besserer Lage sei, daß seit 1862 ein großer Aufschwung einge- treten sei, daß Fürth die Grundlage seiner gewerblichen Blüthe der Zeit verdanke, in der es als anspach'scher Flecken volle Gewerbefreiheit besaß. Sicher ist daran viel Wahres. Ebenso sicher aber haben jederzeit andere Umstände wesentlich mitgewirkt, und ebenso sicher wird die Vergleichung der Pfalz mit Altbaiern sehr häufig unter falschen Gesichtspunkten vorgenommen, wie ich unten zeigen werde.
1 Schöller, das Gesetz vom 30. Januar 1868, das Gewerb- wesen betreffend, erläutert. Erlangen 1869.
Die bairiſche Gewerbegeſetzgebung.
der Behörden weſentlich zu Gunſten der Meiſter und Realberechtigten beſchränkt. Die allgemeinen Klagen, die ſeit 1840 durch ganz Deutſchland wiederklingen, daß das Handwerk überſetzt ſei, trugen nicht dazu bei, die Geſetze milder zu handhaben. Die Inſtruktion von 1853 ſteht unter dem Hochdruck der Reaktion. Die Praxis war eine weſentlich härtere, als in Würtemberg, Sachſen, Baden, die ja damals auch noch Zunftverfaſ- ſung hatten.
Erſt 1862 trat infolge der um ſich greifenden Agitation für Gewerbefreiheit eine liberalere Behand- lung durch die veränderte Gewerbeinſtruktion dieſes Jah- res ein. Die volle Gewerbefreiheit erreichte ihre geſetz- liche Einführung endlich den 30. Januar 1868.1 In der Pfalz war die durch die franzöſiſche Herrſchaft ein- geführte Gewerbefreiheit nie angetaſtet worden.
Als Beweis, daß nur die einſchränkende Geſetz- gebung an der gewerblichen Stagnation Baierns Schuld ſei, liebt man anzuführen, daß die Pfalz in beſſerer Lage ſei, daß ſeit 1862 ein großer Aufſchwung einge- treten ſei, daß Fürth die Grundlage ſeiner gewerblichen Blüthe der Zeit verdanke, in der es als anſpach’ſcher Flecken volle Gewerbefreiheit beſaß. Sicher iſt daran viel Wahres. Ebenſo ſicher aber haben jederzeit andere Umſtände weſentlich mitgewirkt, und ebenſo ſicher wird die Vergleichung der Pfalz mit Altbaiern ſehr häufig unter falſchen Geſichtspunkten vorgenommen, wie ich unten zeigen werde.
1 Schöller, das Geſetz vom 30. Januar 1868, das Gewerb- weſen betreffend, erläutert. Erlangen 1869.
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Die bairiſche Gewerbegeſetzgebung.
der Behörden weſentlich zu Gunſten der Meiſter und
Realberechtigten beſchränkt. Die allgemeinen Klagen,
die ſeit 1840 durch ganz Deutſchland wiederklingen,
daß das Handwerk überſetzt ſei, trugen nicht dazu bei,
die Geſetze milder zu handhaben. Die Inſtruktion von
1853 ſteht unter dem Hochdruck der Reaktion. Die
Praxis war eine weſentlich härtere, als in Würtemberg,
Sachſen, Baden, die ja damals auch noch Zunftverfaſ-
ſung hatten.
Erſt 1862 trat infolge der um ſich greifenden
Agitation für Gewerbefreiheit eine liberalere Behand-
lung durch die veränderte Gewerbeinſtruktion dieſes Jah-
res ein. Die volle Gewerbefreiheit erreichte ihre geſetz-
liche Einführung endlich den 30. Januar 1868. 1 In
der Pfalz war die durch die franzöſiſche Herrſchaft ein-
geführte Gewerbefreiheit nie angetaſtet worden.
Als Beweis, daß nur die einſchränkende Geſetz-
gebung an der gewerblichen Stagnation Baierns Schuld
ſei, liebt man anzuführen, daß die Pfalz in beſſerer
Lage ſei, daß ſeit 1862 ein großer Aufſchwung einge-
treten ſei, daß Fürth die Grundlage ſeiner gewerblichen
Blüthe der Zeit verdanke, in der es als anſpach’ſcher
Flecken volle Gewerbefreiheit beſaß. Sicher iſt daran
viel Wahres. Ebenſo ſicher aber haben jederzeit andere
Umſtände weſentlich mitgewirkt, und ebenſo ſicher wird
die Vergleichung der Pfalz mit Altbaiern ſehr häufig
unter falſchen Geſichtspunkten vorgenommen, wie ich
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1 Schöller, das Geſetz vom 30. Januar 1868, das Gewerb-
weſen betreffend, erläutert. Erlangen 1869.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/143>, abgerufen am 22.11.2024.
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