Gewerberath, Verbot öffentlicher Versteigerung noch neuer Waaren, Verbot der Haltung von mehr als zwei Lehrlingen, Besteuerung der Fabriken zu Gunsten des Handwerks, eine Geschäftsgrenze für die Fabriken und den Handel mit Fabrikaten, endlich gleichmäßigen Lehr- zwang, Wanderzwang, Zwang zur Erstehung einer theoretischen und einer praktischen Prüfung. Ueberboten wurden diese Forderungen nur noch von dem besondern Frankfurter Schneiderkongreß, der vor Allem Aufhebung der Magazine, Beschränkung der Arbeit der Frauen- zimmer, Verbot auswärtiger Kleidereinfuhr verlangte.1
Wunderliche Produkte der Kurzsichtigkeit -- wie der damals allerdings herrschenden Noth! Nur hätten die ehrbaren Meister nicht vergessen sollen, daß die Noth des Handwerkerstandes da am größten war, wo man dem Ideal eines solchen Gewerberechts noch am nächsten stand.
Uebrigens hätte die ganze Sturmflut von Petitionen, alle Agitation auch in Preußen nichts erreicht, wenn nicht zwei Parteien in einer gänzlich unklaren Ver- kennung des Zusammenhangs die Bewegung unterstützt hätten. Die konservative, wie die schutzzöllnerische Partei2
1 Siehe über die ganze Bewegung: Schäffle, gemeinsame Ordnung der Gewerbebefugnisse in Deutschland, deutsche Viertel- jahrsschrift. 1859. Heft 1. S. 218 ff., und Böhmert, Freiheit der Arbeit, Beiträge zur Reform der Gewerbegesetze. Bremen 1858. S. 163 ff.
2 Man vergleiche darüber das Organ der schutzzöllne- rischen Partei, das deutsche Zollvereinsblatt z. B. Jahrgang 1849. S. 230: "Und so begrüßen wir denn auch eine der wichtigsten Folgen der neuen preußischen Gewerbeordnung, die Innungen
Die Wünſche der Handwerker.
Gewerberath, Verbot öffentlicher Verſteigerung noch neuer Waaren, Verbot der Haltung von mehr als zwei Lehrlingen, Beſteuerung der Fabriken zu Gunſten des Handwerks, eine Geſchäftsgrenze für die Fabriken und den Handel mit Fabrikaten, endlich gleichmäßigen Lehr- zwang, Wanderzwang, Zwang zur Erſtehung einer theoretiſchen und einer praktiſchen Prüfung. Ueberboten wurden dieſe Forderungen nur noch von dem beſondern Frankfurter Schneiderkongreß, der vor Allem Aufhebung der Magazine, Beſchränkung der Arbeit der Frauen- zimmer, Verbot auswärtiger Kleidereinfuhr verlangte.1
Wunderliche Produkte der Kurzſichtigkeit — wie der damals allerdings herrſchenden Noth! Nur hätten die ehrbaren Meiſter nicht vergeſſen ſollen, daß die Noth des Handwerkerſtandes da am größten war, wo man dem Ideal eines ſolchen Gewerberechts noch am nächſten ſtand.
Uebrigens hätte die ganze Sturmflut von Petitionen, alle Agitation auch in Preußen nichts erreicht, wenn nicht zwei Parteien in einer gänzlich unklaren Ver- kennung des Zuſammenhangs die Bewegung unterſtützt hätten. Die konſervative, wie die ſchutzzöllneriſche Partei2
1 Siehe über die ganze Bewegung: Schäffle, gemeinſame Ordnung der Gewerbebefugniſſe in Deutſchland, deutſche Viertel- jahrsſchrift. 1859. Heft 1. S. 218 ff., und Böhmert, Freiheit der Arbeit, Beiträge zur Reform der Gewerbegeſetze. Bremen 1858. S. 163 ff.
2 Man vergleiche darüber das Organ der ſchutzzöllne- riſchen Partei, das deutſche Zollvereinsblatt z. B. Jahrgang 1849. S. 230: „Und ſo begrüßen wir denn auch eine der wichtigſten Folgen der neuen preußiſchen Gewerbeordnung, die Innungen
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Die Wünſche der Handwerker.
Gewerberath, Verbot öffentlicher Verſteigerung noch
neuer Waaren, Verbot der Haltung von mehr als zwei
Lehrlingen, Beſteuerung der Fabriken zu Gunſten des
Handwerks, eine Geſchäftsgrenze für die Fabriken und
den Handel mit Fabrikaten, endlich gleichmäßigen Lehr-
zwang, Wanderzwang, Zwang zur Erſtehung einer
theoretiſchen und einer praktiſchen Prüfung. Ueberboten
wurden dieſe Forderungen nur noch von dem beſondern
Frankfurter Schneiderkongreß, der vor Allem Aufhebung
der Magazine, Beſchränkung der Arbeit der Frauen-
zimmer, Verbot auswärtiger Kleidereinfuhr verlangte. 1
Wunderliche Produkte der Kurzſichtigkeit — wie
der damals allerdings herrſchenden Noth! Nur hätten
die ehrbaren Meiſter nicht vergeſſen ſollen, daß die
Noth des Handwerkerſtandes da am größten war, wo
man dem Ideal eines ſolchen Gewerberechts noch am
nächſten ſtand.
Uebrigens hätte die ganze Sturmflut von Petitionen,
alle Agitation auch in Preußen nichts erreicht, wenn
nicht zwei Parteien in einer gänzlich unklaren Ver-
kennung des Zuſammenhangs die Bewegung unterſtützt
hätten. Die konſervative, wie die ſchutzzöllneriſche Partei 2
1 Siehe über die ganze Bewegung: Schäffle, gemeinſame
Ordnung der Gewerbebefugniſſe in Deutſchland, deutſche Viertel-
jahrsſchrift. 1859. Heft 1. S. 218 ff., und Böhmert, Freiheit
der Arbeit, Beiträge zur Reform der Gewerbegeſetze. Bremen
1858. S. 163 ff.
2 Man vergleiche darüber das Organ der ſchutzzöllne-
riſchen Partei, das deutſche Zollvereinsblatt z. B. Jahrgang 1849.
S. 230: „Und ſo begrüßen wir denn auch eine der wichtigſten
Folgen der neuen preußiſchen Gewerbeordnung, die Innungen
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/107>, abgerufen am 17.07.2024.
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