Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die preußischen Aufnahmen.
mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiele über
Preußen seinen Einzug in Deutschland hält." Damit
war die Gewerbefreiheit gemeint. Kurz darauf tagte
der Vorkongreß der deutschen Handwerker in Hamburg
(2 -- 6. Juni). Es wurden Anträge auf Beibehaltung der
Bannmeile, auf ausschließliche Befugniß der Städte zum
Gewerbebetrieb, Aufhebung des Hausirhandels und der
kaufmännischen Reisenden, "dieser modernen Hausirer,"
gestellt. Endlich am 15. Juli trat das Handwerker-
parlament in Frankfurt zusammen. Es tagte bis zum
18. August in stürmischen Sitzungen. Man ging aus
von einem "feierlichen, von Millionen Unglücklicher
besiegelten Protest gegen die Gewerbefreiheit." Man
verlangte neben dem politischen ein besonderes aus den
Innungen hervorgehendes Handwerkerparlament als
stehendes Organ; dieses selbst sollte jährlich das Hand-
werksministerium ernennen. In Bezug auf die Gewerbe-
gesetzgebung verlangen die von der "Freiheitsluft des
Völkerfrühlings" zusammengeführten Meister Folgendes:
eventuelle Beschränkung der Meisterzahl an Einem Orte,
Verbot des Hausirhandels, Verbot der Assoziation mit
Nichtinnungsgenossen, Zugehörigkeit aller Handwerks-
arbeit der Fabriken an die zünftigen Meister des Ortes,
Beschränkung auf Ein Gewerbe, Zuscheidung des Klein-
handels mit Handwerkswaaren an die Innungsmeister,
für die Regel ausschließliche Berechtigung der Städte zum
Gewerbebetrieb, Unzulässigkeit von Gemeinde-, Staats-,
Aktienwerkstätten, Verbot des Zuschlags der öffentlichen
Arbeiten an den Mindestfordernden und Vertheilung
derselben an die Meister durch den von diesen besetzten

Die preußiſchen Aufnahmen.
mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiele über
Preußen ſeinen Einzug in Deutſchland hält.“ Damit
war die Gewerbefreiheit gemeint. Kurz darauf tagte
der Vorkongreß der deutſchen Handwerker in Hamburg
(2 — 6. Juni). Es wurden Anträge auf Beibehaltung der
Bannmeile, auf ausſchließliche Befugniß der Städte zum
Gewerbebetrieb, Aufhebung des Hauſirhandels und der
kaufmänniſchen Reiſenden, „dieſer modernen Hauſirer,“
geſtellt. Endlich am 15. Juli trat das Handwerker-
parlament in Frankfurt zuſammen. Es tagte bis zum
18. Auguſt in ſtürmiſchen Sitzungen. Man ging aus
von einem „feierlichen, von Millionen Unglücklicher
beſiegelten Proteſt gegen die Gewerbefreiheit.“ Man
verlangte neben dem politiſchen ein beſonderes aus den
Innungen hervorgehendes Handwerkerparlament als
ſtehendes Organ; dieſes ſelbſt ſollte jährlich das Hand-
werksminiſterium ernennen. In Bezug auf die Gewerbe-
geſetzgebung verlangen die von der „Freiheitsluft des
Völkerfrühlings“ zuſammengeführten Meiſter Folgendes:
eventuelle Beſchränkung der Meiſterzahl an Einem Orte,
Verbot des Hauſirhandels, Verbot der Aſſoziation mit
Nichtinnungsgenoſſen, Zugehörigkeit aller Handwerks-
arbeit der Fabriken an die zünftigen Meiſter des Ortes,
Beſchränkung auf Ein Gewerbe, Zuſcheidung des Klein-
handels mit Handwerkswaaren an die Innungsmeiſter,
für die Regel ausſchließliche Berechtigung der Städte zum
Gewerbebetrieb, Unzuläſſigkeit von Gemeinde-, Staats-,
Aktienwerkſtätten, Verbot des Zuſchlags der öffentlichen
Arbeiten an den Mindeſtfordernden und Vertheilung
derſelben an die Meiſter durch den von dieſen beſetzten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="84"/><fw place="top" type="header">Die preußi&#x017F;chen Aufnahmen.</fw><lb/>
mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiele über<lb/>
Preußen &#x017F;einen Einzug in Deut&#x017F;chland hält.&#x201C; Damit<lb/>
war die Gewerbefreiheit gemeint. Kurz darauf tagte<lb/>
der Vorkongreß der deut&#x017F;chen Handwerker in Hamburg<lb/>
(2 &#x2014; 6. Juni). Es wurden Anträge auf Beibehaltung der<lb/>
Bannmeile, auf aus&#x017F;chließliche Befugniß der Städte zum<lb/>
Gewerbebetrieb, Aufhebung des Hau&#x017F;irhandels und der<lb/>
kaufmänni&#x017F;chen Rei&#x017F;enden, &#x201E;die&#x017F;er modernen Hau&#x017F;irer,&#x201C;<lb/>
ge&#x017F;tellt. Endlich am 15. Juli trat das Handwerker-<lb/>
parlament in Frankfurt zu&#x017F;ammen. Es tagte bis zum<lb/>
18. Augu&#x017F;t in &#x017F;türmi&#x017F;chen Sitzungen. Man ging aus<lb/>
von einem &#x201E;feierlichen, von Millionen Unglücklicher<lb/>
be&#x017F;iegelten Prote&#x017F;t gegen die Gewerbefreiheit.&#x201C; Man<lb/>
verlangte neben dem politi&#x017F;chen ein be&#x017F;onderes aus den<lb/>
Innungen hervorgehendes Handwerkerparlament als<lb/>
&#x017F;tehendes Organ; die&#x017F;es &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ollte jährlich das Hand-<lb/>
werksmini&#x017F;terium ernennen. In Bezug auf die Gewerbe-<lb/>
ge&#x017F;etzgebung verlangen die von der &#x201E;Freiheitsluft des<lb/>
Völkerfrühlings&#x201C; zu&#x017F;ammengeführten Mei&#x017F;ter Folgendes:<lb/>
eventuelle Be&#x017F;chränkung der Mei&#x017F;terzahl an Einem Orte,<lb/>
Verbot des Hau&#x017F;irhandels, Verbot der A&#x017F;&#x017F;oziation mit<lb/>
Nichtinnungsgeno&#x017F;&#x017F;en, Zugehörigkeit aller Handwerks-<lb/>
arbeit der Fabriken an die zünftigen Mei&#x017F;ter des Ortes,<lb/>
Be&#x017F;chränkung auf Ein Gewerbe, Zu&#x017F;cheidung des Klein-<lb/>
handels mit Handwerkswaaren an die Innungsmei&#x017F;ter,<lb/>
für die Regel aus&#x017F;chließliche Berechtigung der Städte zum<lb/>
Gewerbebetrieb, Unzulä&#x017F;&#x017F;igkeit von Gemeinde-, Staats-,<lb/>
Aktienwerk&#x017F;tätten, Verbot des Zu&#x017F;chlags der öffentlichen<lb/>
Arbeiten an den Minde&#x017F;tfordernden und Vertheilung<lb/>
der&#x017F;elben an die Mei&#x017F;ter durch den von die&#x017F;en be&#x017F;etzten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0106] Die preußiſchen Aufnahmen. mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiele über Preußen ſeinen Einzug in Deutſchland hält.“ Damit war die Gewerbefreiheit gemeint. Kurz darauf tagte der Vorkongreß der deutſchen Handwerker in Hamburg (2 — 6. Juni). Es wurden Anträge auf Beibehaltung der Bannmeile, auf ausſchließliche Befugniß der Städte zum Gewerbebetrieb, Aufhebung des Hauſirhandels und der kaufmänniſchen Reiſenden, „dieſer modernen Hauſirer,“ geſtellt. Endlich am 15. Juli trat das Handwerker- parlament in Frankfurt zuſammen. Es tagte bis zum 18. Auguſt in ſtürmiſchen Sitzungen. Man ging aus von einem „feierlichen, von Millionen Unglücklicher beſiegelten Proteſt gegen die Gewerbefreiheit.“ Man verlangte neben dem politiſchen ein beſonderes aus den Innungen hervorgehendes Handwerkerparlament als ſtehendes Organ; dieſes ſelbſt ſollte jährlich das Hand- werksminiſterium ernennen. In Bezug auf die Gewerbe- geſetzgebung verlangen die von der „Freiheitsluft des Völkerfrühlings“ zuſammengeführten Meiſter Folgendes: eventuelle Beſchränkung der Meiſterzahl an Einem Orte, Verbot des Hauſirhandels, Verbot der Aſſoziation mit Nichtinnungsgenoſſen, Zugehörigkeit aller Handwerks- arbeit der Fabriken an die zünftigen Meiſter des Ortes, Beſchränkung auf Ein Gewerbe, Zuſcheidung des Klein- handels mit Handwerkswaaren an die Innungsmeiſter, für die Regel ausſchließliche Berechtigung der Städte zum Gewerbebetrieb, Unzuläſſigkeit von Gemeinde-, Staats-, Aktienwerkſtätten, Verbot des Zuſchlags der öffentlichen Arbeiten an den Mindeſtfordernden und Vertheilung derſelben an die Meiſter durch den von dieſen beſetzten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/106
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/106>, abgerufen am 05.05.2024.