Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Arbeitsamkeit, der Fleiß, die Wirtschaftlichkeit. Ziel sein, diese Opfer zu vermindern, möglichst alle Arbeit so zu gestalten, daß sie mitTeilnahme und Verständnis, nicht bloß aus Hunger und Not geschieht. Der Erziehungsprozeß der einzelnen, der Völker und der ganzen Menschheit zur Jede mechanische Arbeit hat geistige Elemente, kann, wie die des Holzhackers, 21. Die anderen wirtschaftlichen Tugenden. Während wir unter dem Die Arbeitſamkeit, der Fleiß, die Wirtſchaftlichkeit. Ziel ſein, dieſe Opfer zu vermindern, möglichſt alle Arbeit ſo zu geſtalten, daß ſie mitTeilnahme und Verſtändnis, nicht bloß aus Hunger und Not geſchieht. Der Erziehungsprozeß der einzelnen, der Völker und der ganzen Menſchheit zur Jede mechaniſche Arbeit hat geiſtige Elemente, kann, wie die des Holzhackers, 21. Die anderen wirtſchaftlichen Tugenden. Während wir unter dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="39"/><fw place="top" type="header">Die Arbeitſamkeit, der Fleiß, die Wirtſchaftlichkeit.</fw><lb/> Ziel ſein, dieſe Opfer zu vermindern, möglichſt alle Arbeit ſo zu geſtalten, daß ſie mit<lb/> Teilnahme und Verſtändnis, nicht bloß aus Hunger und Not geſchieht.</p><lb/> <p>Der Erziehungsprozeß der einzelnen, der Völker und der ganzen Menſchheit zur<lb/> Arbeit iſt trotz der modernen Kehrſeiten einer mechaniſchen Überarbeit ein Weg nach<lb/> oben; alles was zur Arbeit zwingt und veranlaßt, iſt beſſer als das Gegenteil, als<lb/> Faulheit und Indolenz, enthält Elemente der wirtſchaftlichen und der ſittlichen, der<lb/> körperlichen und geiſtigen Schulung. Arbeit iſt planvolle Thätigkeit, ſie beſteht in der<lb/> Beherrſchung der wechſelnden Einfälle und Triebreize; ſie iſt ſtets ein Dienſt für Zwecke,<lb/> die nicht im ſelben Augenblick, ſondern erſt künftig Gewinn, Lohn, Genuß verheißen.<lb/> Jede Arbeit ſetzt Überwindung der Trägheit und der Zerſtreutheit voraus. Der Arbeitende<lb/> muß ſich ſelbſt vergeſſen und ſich verſenken in ſein Objekt; die Natur einer Arbeit, nicht<lb/> ſeine Luſt ſchreibt ihm Gebote vor. Der Arbeitende muß ſich Zwecken unterordnen, die<lb/> er in der Schule, in der Werkſtatt, im vielgliedrigen Arbeitsorganismus oft gar nicht,<lb/> oftmals nicht ſofort als heilſam und notwendig einſieht, er muß zunächſt gehorchen und<lb/> ſich anſtrengen lernen. Er wird freilich ein um ſo tüchtigerer Arbeiter, je mehr er die<lb/> Zwecke begreift, billigt, je mehr es direkt oder indirekt — durch den Lohn und durch<lb/> das Gefühl, einem großen Ganzen zu dienen — ſeine eigenen Zwecke ſind, je mehr ſein<lb/> Körper und ſein Geiſt durch Vererbung und Schulung für die beſtimmte Art der Arbeit<lb/> geſchickt gemacht ſind.</p><lb/> <p>Jede mechaniſche Arbeit hat geiſtige Elemente, kann, wie die des Holzhackers,<lb/> Mähers, Steinträgers, geſchickt, klug, überlegt gethan werden; je künſtlicher Werkzeuge<lb/> und Maſchinen werden, deſto mehr Umſicht und Verſtändnis erfordert auch die mechaniſche<lb/> Lohnarbeit. Auch die rein geiſtige Arbeit hat ihre mechaniſchen Teile, wie der Schrift-<lb/> ſteller, der Klavierſpieler oft die Muskeln und Nerven der Arme ruiniert. Die einſeitige<lb/> körperliche wie die einſeitige geiſtige Arbeit darf nicht zu viele Stunden des Tages fort-<lb/> geſetzt werden, muß mit Erholung, Schlaf und anderer Thätigkeit richtig abwechſeln.<lb/> Aber im rechten Maße, von den rechten Schutzmitteln gegen Gefahren umgeben, iſt die<lb/> Arbeit in der Regel eine Stärkung des Körpers und des Geiſtes. Die Arbeit giebt, wie<lb/> uns die neuere Phyſiologie gezeigt hat, den geübten Körperteilen eine beſſere phyſiſche<lb/> Zuſammenſetzung, macht ſie feſter, gegen Ermüdung widerſtandsfähiger, in der Bewegung<lb/> unabhängiger, erregbarer. Der arbeitende Menſch, zumal der ſeit Generationen arbeitende,<lb/> iſt flinker, rühriger, entſchloſſener, weil er über brauchbarere Knochen, Muskeln und Nerven<lb/> verfügt als der träge. Die Nervenerregbarkeit iſt die weſentliche Urſache, daß dem Kultur-<lb/> menſchen die ſtete Arbeit Bedürfnis und Freude iſt. In der Arbeit lernt der Menſch<lb/> beobachten und gehorchen, er lernt Ordnung und Selbſtbeherrſchung. Nicht umſonſt<lb/> verknüpft der Volksmund: Beten und Arbeiten. Nur durch die Arbeit giebt der Menſch<lb/> ſeinem Leben einen Inhalt, der ſonſt — bei Hingabe an die elementaren Triebreize —<lb/> fehlt. Nur durch die Arbeit lernt der Menſch ſeine Kräfte kennen, ſeine Zeit einteilen,<lb/> einen Lebensplan entwerfen. Mit der Übung wachſen die Kräfte, mit den Kräften die<lb/> Arbeitsfreude und das menſchliche Glück. In der Arbeit wurzelt alle ſittliche Thatkraft.<lb/> Nur die Individuen, Familien, Klaſſen und Völker, die arbeiten gelernt, erhalten ſich;<lb/> die, welche ſich der Arbeit entwöhnen, in Arbeitseifer und Geſchicklichkeit zurückgehen,<lb/> verfallen. <hi rendition="#aq">Otium et reges et beatas perdidit urbes</hi>.</p><lb/> <p>21. <hi rendition="#g">Die anderen wirtſchaftlichen Tugenden</hi>. Während wir unter dem<lb/><hi rendition="#g">Fleiß</hi> die habituelle Richtung des Willens auf eine emſige Arbeitsthätigkeit verſtehen,<lb/> bezeichnen wir mit der ſchon oben (S. 3) berührten <hi rendition="#g">Wirtſchaftlichkeit</hi> jene Eigenſchaft,<lb/> die ſich zuerſt in der Hauswirtſchaft entwickelt, dann auf alle wirtſchaftliche, ja überhaupt<lb/> in abgeleitetem Sinne auf alle äußere menſchliche Thätigkeit ausgedehnt hat, jenen Sinn,<lb/> der ſorgſam die Mittel für einen beſtimmten Zweck zu Rate hält, mit Umſicht an Kräften<lb/> und Verbrauch ſpart, ſtets daran denkt, mit den kleinſten Mitteln den größten Erfolg<lb/> zu erzielen. Sie iſt eine Eigenſchaft, welche ebenſo ſehr auf genauer Kenntnis und Be-<lb/> herrſchung der techniſchen Mittel für einen Erfolg, als auf ſteter Aufmerkſamkeit beruht.<lb/> Sie iſt ein Ergebnis der Erfahrung, der Nachahmung des guten Beiſpiels, ſie hängt mit<lb/> der ſittlichen Selbſtbeherrſchung wie mit der Verſtandesausbildung zuſammen. Das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0055]
Die Arbeitſamkeit, der Fleiß, die Wirtſchaftlichkeit.
Ziel ſein, dieſe Opfer zu vermindern, möglichſt alle Arbeit ſo zu geſtalten, daß ſie mit
Teilnahme und Verſtändnis, nicht bloß aus Hunger und Not geſchieht.
Der Erziehungsprozeß der einzelnen, der Völker und der ganzen Menſchheit zur
Arbeit iſt trotz der modernen Kehrſeiten einer mechaniſchen Überarbeit ein Weg nach
oben; alles was zur Arbeit zwingt und veranlaßt, iſt beſſer als das Gegenteil, als
Faulheit und Indolenz, enthält Elemente der wirtſchaftlichen und der ſittlichen, der
körperlichen und geiſtigen Schulung. Arbeit iſt planvolle Thätigkeit, ſie beſteht in der
Beherrſchung der wechſelnden Einfälle und Triebreize; ſie iſt ſtets ein Dienſt für Zwecke,
die nicht im ſelben Augenblick, ſondern erſt künftig Gewinn, Lohn, Genuß verheißen.
Jede Arbeit ſetzt Überwindung der Trägheit und der Zerſtreutheit voraus. Der Arbeitende
muß ſich ſelbſt vergeſſen und ſich verſenken in ſein Objekt; die Natur einer Arbeit, nicht
ſeine Luſt ſchreibt ihm Gebote vor. Der Arbeitende muß ſich Zwecken unterordnen, die
er in der Schule, in der Werkſtatt, im vielgliedrigen Arbeitsorganismus oft gar nicht,
oftmals nicht ſofort als heilſam und notwendig einſieht, er muß zunächſt gehorchen und
ſich anſtrengen lernen. Er wird freilich ein um ſo tüchtigerer Arbeiter, je mehr er die
Zwecke begreift, billigt, je mehr es direkt oder indirekt — durch den Lohn und durch
das Gefühl, einem großen Ganzen zu dienen — ſeine eigenen Zwecke ſind, je mehr ſein
Körper und ſein Geiſt durch Vererbung und Schulung für die beſtimmte Art der Arbeit
geſchickt gemacht ſind.
Jede mechaniſche Arbeit hat geiſtige Elemente, kann, wie die des Holzhackers,
Mähers, Steinträgers, geſchickt, klug, überlegt gethan werden; je künſtlicher Werkzeuge
und Maſchinen werden, deſto mehr Umſicht und Verſtändnis erfordert auch die mechaniſche
Lohnarbeit. Auch die rein geiſtige Arbeit hat ihre mechaniſchen Teile, wie der Schrift-
ſteller, der Klavierſpieler oft die Muskeln und Nerven der Arme ruiniert. Die einſeitige
körperliche wie die einſeitige geiſtige Arbeit darf nicht zu viele Stunden des Tages fort-
geſetzt werden, muß mit Erholung, Schlaf und anderer Thätigkeit richtig abwechſeln.
Aber im rechten Maße, von den rechten Schutzmitteln gegen Gefahren umgeben, iſt die
Arbeit in der Regel eine Stärkung des Körpers und des Geiſtes. Die Arbeit giebt, wie
uns die neuere Phyſiologie gezeigt hat, den geübten Körperteilen eine beſſere phyſiſche
Zuſammenſetzung, macht ſie feſter, gegen Ermüdung widerſtandsfähiger, in der Bewegung
unabhängiger, erregbarer. Der arbeitende Menſch, zumal der ſeit Generationen arbeitende,
iſt flinker, rühriger, entſchloſſener, weil er über brauchbarere Knochen, Muskeln und Nerven
verfügt als der träge. Die Nervenerregbarkeit iſt die weſentliche Urſache, daß dem Kultur-
menſchen die ſtete Arbeit Bedürfnis und Freude iſt. In der Arbeit lernt der Menſch
beobachten und gehorchen, er lernt Ordnung und Selbſtbeherrſchung. Nicht umſonſt
verknüpft der Volksmund: Beten und Arbeiten. Nur durch die Arbeit giebt der Menſch
ſeinem Leben einen Inhalt, der ſonſt — bei Hingabe an die elementaren Triebreize —
fehlt. Nur durch die Arbeit lernt der Menſch ſeine Kräfte kennen, ſeine Zeit einteilen,
einen Lebensplan entwerfen. Mit der Übung wachſen die Kräfte, mit den Kräften die
Arbeitsfreude und das menſchliche Glück. In der Arbeit wurzelt alle ſittliche Thatkraft.
Nur die Individuen, Familien, Klaſſen und Völker, die arbeiten gelernt, erhalten ſich;
die, welche ſich der Arbeit entwöhnen, in Arbeitseifer und Geſchicklichkeit zurückgehen,
verfallen. Otium et reges et beatas perdidit urbes.
21. Die anderen wirtſchaftlichen Tugenden. Während wir unter dem
Fleiß die habituelle Richtung des Willens auf eine emſige Arbeitsthätigkeit verſtehen,
bezeichnen wir mit der ſchon oben (S. 3) berührten Wirtſchaftlichkeit jene Eigenſchaft,
die ſich zuerſt in der Hauswirtſchaft entwickelt, dann auf alle wirtſchaftliche, ja überhaupt
in abgeleitetem Sinne auf alle äußere menſchliche Thätigkeit ausgedehnt hat, jenen Sinn,
der ſorgſam die Mittel für einen beſtimmten Zweck zu Rate hält, mit Umſicht an Kräften
und Verbrauch ſpart, ſtets daran denkt, mit den kleinſten Mitteln den größten Erfolg
zu erzielen. Sie iſt eine Eigenſchaft, welche ebenſo ſehr auf genauer Kenntnis und Be-
herrſchung der techniſchen Mittel für einen Erfolg, als auf ſteter Aufmerkſamkeit beruht.
Sie iſt ein Ergebnis der Erfahrung, der Nachahmung des guten Beiſpiels, ſie hängt mit
der ſittlichen Selbſtbeherrſchung wie mit der Verſtandesausbildung zuſammen. Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |