Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. Erleichterung der Geschäftsführung, eine Verminderung des Risikos, als einen Fortschrittbezeichnet. Sie hat sich aber nicht überall vollzogen, in Deutschland zumal wenig; man hat neuerdings auch eine Schwächung der betreffenden Großbetriebe in dieser Teilung gesehen. Wo Kartelle sich bildeten, haben sie recht eigentlich den Absatz in ihre Hand genommen. Nun noch einige Zahlen über den Fortschritt des Großbetriebes: in Deutschland Daß eine weitere Zunahme des gewerblichen und handelsmäßigen Großbetriebes In Großbritannien und den Vereinigten Staaten hat der Großbetrieb sich schon 143. Das gesellschaftliche Problem des Großbetriebes. Zwei bis Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Erleichterung der Geſchäftsführung, eine Verminderung des Riſikos, als einen Fortſchrittbezeichnet. Sie hat ſich aber nicht überall vollzogen, in Deutſchland zumal wenig; man hat neuerdings auch eine Schwächung der betreffenden Großbetriebe in dieſer Teilung geſehen. Wo Kartelle ſich bildeten, haben ſie recht eigentlich den Abſatz in ihre Hand genommen. Nun noch einige Zahlen über den Fortſchritt des Großbetriebes: in Deutſchland Daß eine weitere Zunahme des gewerblichen und handelsmäßigen Großbetriebes In Großbritannien und den Vereinigten Staaten hat der Großbetrieb ſich ſchon 143. Das geſellſchaftliche Problem des Großbetriebes. Zwei bis <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0450" n="434"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> Erleichterung der Geſchäftsführung, eine Verminderung des Riſikos, als einen Fortſchritt<lb/> bezeichnet. Sie hat ſich aber nicht überall vollzogen, in Deutſchland zumal wenig;<lb/> man hat neuerdings auch eine Schwächung der betreffenden Großbetriebe in dieſer<lb/> Teilung geſehen. Wo Kartelle ſich bildeten, haben ſie recht eigentlich den Abſatz in ihre<lb/> Hand genommen.</p><lb/> <p>Nun noch einige Zahlen über den Fortſchritt des Großbetriebes: in Deutſchland<lb/> hat man 1882 und 1895 etwas über 5 Mill. landwirtſchaftliche Haupt- und Neben-<lb/> betriebe gezählt, wovon etwa 25000 Großbetriebe über 100 <hi rendition="#aq">ha,</hi> 5—600 über 1000 <hi rendition="#aq">ha</hi><lb/> bewirtſchaften; neben ihnen ſtehen 281000 größere Bauernbetriebe, welche 30—100 <hi rendition="#aq">ha,</hi><lb/> an mittleren und kleinen Bauernbetrieben je faſt 1 Mill., welche 5—20 und 2—5 <hi rendition="#aq">ha</hi><lb/> bewirtſchaften, und ca. 3 Mill. Parzellenbetriebe; von 1882—95 fand keine weſentliche<lb/> Veränderung ſtatt; nur die beiden Gruppen der mittleren und kleinen Bauern wuchſen<lb/> um 35000 und 72000. An gewerblichen Großbetrieben mit über 50 Perſonen (in<lb/> Gärtnerei, Fiſchzucht, Gewerbe, Bergbau, Handel und Verkehr, wie ſie unſere Gewerbe-<lb/> ſtatiſtik zuſammenfaßt) zählte man in Deutſchland 1861 etwa 4000, 1875 7800,<lb/> 1882 9900, 1895 18955; an Rieſenbetrieben mit über 1000 Perſonen 1882 127,<lb/> 1895 255; aber Poſt und Eiſenbahn ſind dabei nicht mitbegriffen; die Rieſen-<lb/> betriebe wären um ein Fünftel zahlreicher, wenn die kombinierten Großunternehmungen<lb/> als ganze und nicht in ihren einzelnen Teilen gezählt wären. In den Großbetrieben<lb/> arbeiteten aber 1882 von 7 Mill. Perſonen 1,<hi rendition="#sub">6</hi>, 1895 von 10 Mill. 3 Mill. 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Kräfte, alſo über die<lb/> ſechs- bis ſiebenfache Zahl der ſämtlichen übrigen Gewerbebetriebe.</p><lb/> <p>Daß eine weitere Zunahme des gewerblichen und handelsmäßigen Großbetriebes<lb/> zu erwarten ſteht, darüber kann nach den Veränderungen von 1882—95 kein Zweifel<lb/> ſein; aber es iſt ſchwer zu ſagen, wo und in welchem Maße ſie eintreten wird. 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Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Erleichterung der Geſchäftsführung, eine Verminderung des Riſikos, als einen Fortſchritt
bezeichnet. Sie hat ſich aber nicht überall vollzogen, in Deutſchland zumal wenig;
man hat neuerdings auch eine Schwächung der betreffenden Großbetriebe in dieſer
Teilung geſehen. Wo Kartelle ſich bildeten, haben ſie recht eigentlich den Abſatz in ihre
Hand genommen.
Nun noch einige Zahlen über den Fortſchritt des Großbetriebes: in Deutſchland
hat man 1882 und 1895 etwas über 5 Mill. landwirtſchaftliche Haupt- und Neben-
betriebe gezählt, wovon etwa 25000 Großbetriebe über 100 ha, 5—600 über 1000 ha
bewirtſchaften; neben ihnen ſtehen 281000 größere Bauernbetriebe, welche 30—100 ha,
an mittleren und kleinen Bauernbetrieben je faſt 1 Mill., welche 5—20 und 2—5 ha
bewirtſchaften, und ca. 3 Mill. Parzellenbetriebe; von 1882—95 fand keine weſentliche
Veränderung ſtatt; nur die beiden Gruppen der mittleren und kleinen Bauern wuchſen
um 35000 und 72000. An gewerblichen Großbetrieben mit über 50 Perſonen (in
Gärtnerei, Fiſchzucht, Gewerbe, Bergbau, Handel und Verkehr, wie ſie unſere Gewerbe-
ſtatiſtik zuſammenfaßt) zählte man in Deutſchland 1861 etwa 4000, 1875 7800,
1882 9900, 1895 18955; an Rieſenbetrieben mit über 1000 Perſonen 1882 127,
1895 255; aber Poſt und Eiſenbahn ſind dabei nicht mitbegriffen; die Rieſen-
betriebe wären um ein Fünftel zahlreicher, wenn die kombinierten Großunternehmungen
als ganze und nicht in ihren einzelnen Teilen gezählt wären. In den Großbetrieben
arbeiteten aber 1882 von 7 Mill. Perſonen 1,6, 1895 von 10 Mill. 3 Mill. Fügt
man noch die Mittelbetriebe von 6—50 Perſonen zu den Großbetrieben, ſo waren
dieſe Betriebe 1882—1895 von 121000 auf 210000, ihr Perſonal von 2,9
auf 5,4 Mill. Menſchen geſtiegen; mit der Poſt und den Eiſenbahnen wären es
etwa 6 Mill. Betrugen die Allein- und Kleinbetriebe auch noch 1882 2,8 mit
4,3 Mill., 1895 2,9 mit 4,7 Mill. Menſchen, ſo lag doch der perſönliche Schwerpunkt
der gewerblichen Produktion ſchon 1882, noch mehr 1895 auf den größeren Betrieben
mit 6 und mehr Perſonen; ihrer Produktivkraft nach waren die großen Betriebe
natürlich weit überlegen, ſchon weil ſie ganz anders mit Motoren und Kraftmaſchinen
ausgeſtattet ſind. Rechnet man die Pferdekraft in den Großbetrieben 1895 zu 15
Menſchenkräften, ſo verfügten ſie ſtatt über 3 über 41 Mill. Kräfte, alſo über die
ſechs- bis ſiebenfache Zahl der ſämtlichen übrigen Gewerbebetriebe.
Daß eine weitere Zunahme des gewerblichen und handelsmäßigen Großbetriebes
zu erwarten ſteht, darüber kann nach den Veränderungen von 1882—95 kein Zweifel
ſein; aber es iſt ſchwer zu ſagen, wo und in welchem Maße ſie eintreten wird. Daß
aber auch der handwerksmäßige und hausinduſtrielle Betrieb, noch mehr der Mittel-
betrieb in breitem Maße ſich erhalten wird, dafür ſprechen alle Anzeichen.
In Großbritannien und den Vereinigten Staaten hat der Großbetrieb ſich ſchon
weiter als in Deutſchland ausgedehnt, Frankreich wird Deutſchland nahe ſtehen, Öſter-
reich, Rußland, Italien ſind auf dieſer Bahn noch erheblich zurück, noch viel mehr die
Länder der Halbkultur wie Japan, während in den europäiſchen Kolonien das Gewerbe
und der Handelsbetrieb ſich raſch centraliſieren.
143. Das geſellſchaftliche Problem des Großbetriebes. Zwei bis
fünf Perſonen zu gemeinſamer Arbeit oder zu gemeinſamem Leben in dauernder Form
zu verbinden, iſt immer ſchon nicht ganz leicht geweſen, wo nicht beſondere ſympathiſche
Bande, Unterordnungs- und Treuverhältniſſe oder Derartiges ſie verknüpfte. Aber zehn,
hundert, tauſend ſo zu verknüpfen, daß ſie ohne zu viel Reibung und Konflikte
zuſammenwirken, ſich in einander paſſen, einheitliche Zwecke harmoniſch verfolgen, hat
bei allen Kennern des Lebens und der menſchlichen Seele ſtets als ein ſociales Kunſt-
werk gegolten. Die Sippe und die patriarchaliſche Familie, ſpäter die Gemeinden, die
kirchlichen Genoſſenſchaften, die militäriſchen Körper, endlich ganze Staaten zu organiſieren,
das war ſtets ein ſchwieriges Problem, an dem oft Jahrhunderte vergeblich arbeiteten,
das erſt nach langen Verſuchen der Sitte, dem Recht, den Inſtitutionen der höher ſtehenden
Raſſen und Völker gelang. Sollte es leichter geweſen ſein, Dutzende, Hunderte, jetzt
bereits Tauſende im Großbetrieb zu einheitlicher Arbeit zu verbinden?
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