Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Voraussetzungen und Ursachen des Großbetriebes. mäßigen oder hausindustriellen Werkstätten geschaffen, hatte den ersteren auf dem Landeeinzelne größere Betriebe mit Sklaven und Hörigen angehängt. Aber erst die neuere Maschinentechnik, gestützt auf die neue Verkehrstechnik, schuf für einen steigenden Teil des privaten wirtschaftlichen Lebens den Großbetrieb. Seine Begründer verfügten über so viel Kapital und Kredit, daß sie die für einen einheitlichen Geschäftszweck nötigen Kraft- und Arbeitsmaschinen direkt nebeneinander stellen, den Arbeitsprozeß in die ent- sprechenden Stationen zerlegen und doch richtig aneinander fügen konnten. Die Maschinenanwendung wird häufig um so billiger, je größer der Betrieb ist. Der Klein- betrieb kann oft die mechanische Kraft, selten die teueren Arbeitsmaschinen sich verschaffen. Der heutige Großbetrieb kann sich immer mehr auf einzelne Waren und Geschäfte specialisieren und damit unendlich viel an Arbeit, an Vorbereitungskosten, Maschinen sparen gegenüber dem kleinen Geschäft, das vielerlei produziert. Er kann daneben an anderer passender Stelle verschiedene Arbeitsprozesse kombinieren, die in einer Hand Feuerung, Transportkosten und kaufmännische Spesen ersparen, die Arbeitsprozesse erleichtern, Abfälle und Nebenprodukte besser zur Verwertung bringen, den ruhigen gleichmäßigen Gang des Geschäftes, die Versorgung mit Halbstoffen erleichtern. Je weiter freilich die Mechanisierung des Arbeitsprozesses, ihre Begründung auf eine Summe großer teuerer Maschinen geht, desto mehr setzt das einen gesicherten Absatz für längere Zeiträume voraus, in welchen die großen Kosten sich erst amortisieren. Alle wirtschaftliche Produktion, aller Verkehr und Handel im Großen ist so für Jahre fest- gelegt, kann sich nicht wie die Hauswirtschaft, das Handwerk, die Hausindustrie stetig dem wechselnden Bedarf anpassen. e) So weit früher größere Organisationen in Familie, Gemeinde und Staat, Das Rechtsverhältnis, welches die innere sociale Struktur des Großbetriebes Die Vorausſetzungen und Urſachen des Großbetriebes. mäßigen oder hausinduſtriellen Werkſtätten geſchaffen, hatte den erſteren auf dem Landeeinzelne größere Betriebe mit Sklaven und Hörigen angehängt. Aber erſt die neuere Maſchinentechnik, geſtützt auf die neue Verkehrstechnik, ſchuf für einen ſteigenden Teil des privaten wirtſchaftlichen Lebens den Großbetrieb. Seine Begründer verfügten über ſo viel Kapital und Kredit, daß ſie die für einen einheitlichen Geſchäftszweck nötigen Kraft- und Arbeitsmaſchinen direkt nebeneinander ſtellen, den Arbeitsprozeß in die ent- ſprechenden Stationen zerlegen und doch richtig aneinander fügen konnten. Die Maſchinenanwendung wird häufig um ſo billiger, je größer der Betrieb iſt. Der Klein- betrieb kann oft die mechaniſche Kraft, ſelten die teueren Arbeitsmaſchinen ſich verſchaffen. Der heutige Großbetrieb kann ſich immer mehr auf einzelne Waren und Geſchäfte ſpecialiſieren und damit unendlich viel an Arbeit, an Vorbereitungskoſten, Maſchinen ſparen gegenüber dem kleinen Geſchäft, das vielerlei produziert. Er kann daneben an anderer paſſender Stelle verſchiedene Arbeitsprozeſſe kombinieren, die in einer Hand Feuerung, Transportkoſten und kaufmänniſche Speſen erſparen, die Arbeitsprozeſſe erleichtern, Abfälle und Nebenprodukte beſſer zur Verwertung bringen, den ruhigen gleichmäßigen Gang des Geſchäftes, die Verſorgung mit Halbſtoffen erleichtern. Je weiter freilich die Mechaniſierung des Arbeitsprozeſſes, ihre Begründung auf eine Summe großer teuerer Maſchinen geht, deſto mehr ſetzt das einen geſicherten Abſatz für längere Zeiträume voraus, in welchen die großen Koſten ſich erſt amortiſieren. Alle wirtſchaftliche Produktion, aller Verkehr und Handel im Großen iſt ſo für Jahre feſt- gelegt, kann ſich nicht wie die Hauswirtſchaft, das Handwerk, die Hausinduſtrie ſtetig dem wechſelnden Bedarf anpaſſen. e) So weit früher größere Organiſationen in Familie, Gemeinde und Staat, Das Rechtsverhältnis, welches die innere ſociale Struktur des Großbetriebes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0447" n="431"/><fw place="top" type="header">Die Vorausſetzungen und Urſachen des Großbetriebes.</fw><lb/> mäßigen oder hausinduſtriellen Werkſtätten geſchaffen, hatte den erſteren auf dem Lande<lb/> einzelne größere Betriebe mit Sklaven und Hörigen angehängt. Aber erſt die neuere<lb/> Maſchinentechnik, geſtützt auf die neue Verkehrstechnik, ſchuf für einen ſteigenden Teil<lb/> des privaten wirtſchaftlichen Lebens den Großbetrieb. 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Daß er in den Händen<lb/> gleichſtehender Genoſſen unendliche Schwierigkeit bietet, zeigt heute noch jede Produktiv-<lb/> genoſſenſchaft, in der man ſelten den rechten Leiter, ebenſo ſelten den rechten Gehorſam<lb/> bei den übrigen Genoſſen findet. Aus den Kreiſen der Kleinbürger, der Handwerker,<lb/> der Bauern konnte der neue Großbetrieb nicht hervorgehen; er konnte nur entſtehen,<lb/> wenn die zur Leitung Befähigten in einer beſitzloſen Arbeiterſchaft die mechaniſch aus-<lb/> führenden Hülfskräfte fanden, ſie disciplinierten, ihre Arbeit zerlegten und wieder richtig<lb/> kombinierten. Die größten Fortſchritte der Arbeitsteilung konnten mit ihren Folgen<lb/> nur ſo durchgeführt werden. Dieſen Neuerungen widerſtrebten nun aber die Arbeits-<lb/> kräfte meiſt ebenſo, wie der ſtraffen Disciplin, der Ordnung, dem Mechanismus, ohne<lb/> den der größere Betrieb nicht beſtehen kann; nur wen die Not trieb, wer ſonſt keine<lb/> Exiſtenz fand, ging als Lohnarbeiter auf den Gutshof und in die Fabrik. Aber da<lb/> es doch im ganzen viele ſolcher Kräfte gab, während die Zahl der fähigen Leiter<lb/> gering war, ſo ergab ſich als ſociale Struktur der großen Unternehmung eben die<lb/> in der Hauptſache heute noch vorhandene: ein Unternehmer, der auf ſeine Gefahr das<lb/> Geſchäft ins Leben ruft, Gewinne macht oder alles verliert, jedenfalls den mittleren<lb/> und höheren Schichten der Geſellſchaft angehört oder in ſie eintritt, und unter ſeiner<lb/> Leitung die von ihm engagierten, meiſt den unterſten Klaſſen angehörigen Arbeiter; ſie<lb/> erhalten ſicher ihren feſten Lohn, ob das Geſchäft einen Gewinn abwirft oder nicht;<lb/> derſelbe iſt nur für eine kleine Elite reichlich, für eine größere Zahl auskömmlich, für<lb/> viele kärglich; und die geringeren Arbeiter riskieren immer, bei ungünſtiger Konjunktur<lb/> brotlos zu werden.</p><lb/> <p>Das Rechtsverhältnis, welches die innere ſociale Struktur des Großbetriebes<lb/> neuerdings beherrſcht, hauptſächlich der freie kündbare Arbeitsvertrag, entſpricht den<lb/> ſocialen Verhältniſſen, den überlieferten Sitten und Rechtsinſtituten, dem praktiſchen<lb/> Bedürfnis. Es ruht auf ſehr einfachen, ſicher wirkenden Motiven und einfacheren Rechts-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [431/0447]
Die Vorausſetzungen und Urſachen des Großbetriebes.
mäßigen oder hausinduſtriellen Werkſtätten geſchaffen, hatte den erſteren auf dem Lande
einzelne größere Betriebe mit Sklaven und Hörigen angehängt. Aber erſt die neuere
Maſchinentechnik, geſtützt auf die neue Verkehrstechnik, ſchuf für einen ſteigenden Teil
des privaten wirtſchaftlichen Lebens den Großbetrieb. Seine Begründer verfügten über
ſo viel Kapital und Kredit, daß ſie die für einen einheitlichen Geſchäftszweck nötigen
Kraft- und Arbeitsmaſchinen direkt nebeneinander ſtellen, den Arbeitsprozeß in die ent-
ſprechenden Stationen zerlegen und doch richtig aneinander fügen konnten. Die
Maſchinenanwendung wird häufig um ſo billiger, je größer der Betrieb iſt. Der Klein-
betrieb kann oft die mechaniſche Kraft, ſelten die teueren Arbeitsmaſchinen ſich verſchaffen.
Der heutige Großbetrieb kann ſich immer mehr auf einzelne Waren und Geſchäfte
ſpecialiſieren und damit unendlich viel an Arbeit, an Vorbereitungskoſten, Maſchinen
ſparen gegenüber dem kleinen Geſchäft, das vielerlei produziert. Er kann daneben an
anderer paſſender Stelle verſchiedene Arbeitsprozeſſe kombinieren, die in einer Hand
Feuerung, Transportkoſten und kaufmänniſche Speſen erſparen, die Arbeitsprozeſſe
erleichtern, Abfälle und Nebenprodukte beſſer zur Verwertung bringen, den ruhigen
gleichmäßigen Gang des Geſchäftes, die Verſorgung mit Halbſtoffen erleichtern. Je
weiter freilich die Mechaniſierung des Arbeitsprozeſſes, ihre Begründung auf eine
Summe großer teuerer Maſchinen geht, deſto mehr ſetzt das einen geſicherten Abſatz für
längere Zeiträume voraus, in welchen die großen Koſten ſich erſt amortiſieren. Alle
wirtſchaftliche Produktion, aller Verkehr und Handel im Großen iſt ſo für Jahre feſt-
gelegt, kann ſich nicht wie die Hauswirtſchaft, das Handwerk, die Hausinduſtrie ſtetig
dem wechſelnden Bedarf anpaſſen.
e) So weit früher größere Organiſationen in Familie, Gemeinde und Staat,
auch in Landwirtſchaft und Gewerbe entſtanden, hat man ſie nur mit Sklaven und
Hörigen zuſtande gebracht, weil ſie als herrſchaftliche Gebilde ſo viel leichter gelingen
wie als genoſſenſchaftliche, weil ſie den Befehl eines Höherſtehenden, die Ausführung
durch Gehorchende vorausſetzen. Die Entſtehung des neueren privatwirtſchaftlichen
Großbetriebes fiel zuſammen mit dem Sieg der perſönlichen Freiheit, aber auch mit
einer althergebrachten weitgehenden Klaſſendifferenzierung. Daß er in den Händen
gleichſtehender Genoſſen unendliche Schwierigkeit bietet, zeigt heute noch jede Produktiv-
genoſſenſchaft, in der man ſelten den rechten Leiter, ebenſo ſelten den rechten Gehorſam
bei den übrigen Genoſſen findet. Aus den Kreiſen der Kleinbürger, der Handwerker,
der Bauern konnte der neue Großbetrieb nicht hervorgehen; er konnte nur entſtehen,
wenn die zur Leitung Befähigten in einer beſitzloſen Arbeiterſchaft die mechaniſch aus-
führenden Hülfskräfte fanden, ſie disciplinierten, ihre Arbeit zerlegten und wieder richtig
kombinierten. Die größten Fortſchritte der Arbeitsteilung konnten mit ihren Folgen
nur ſo durchgeführt werden. Dieſen Neuerungen widerſtrebten nun aber die Arbeits-
kräfte meiſt ebenſo, wie der ſtraffen Disciplin, der Ordnung, dem Mechanismus, ohne
den der größere Betrieb nicht beſtehen kann; nur wen die Not trieb, wer ſonſt keine
Exiſtenz fand, ging als Lohnarbeiter auf den Gutshof und in die Fabrik. Aber da
es doch im ganzen viele ſolcher Kräfte gab, während die Zahl der fähigen Leiter
gering war, ſo ergab ſich als ſociale Struktur der großen Unternehmung eben die
in der Hauptſache heute noch vorhandene: ein Unternehmer, der auf ſeine Gefahr das
Geſchäft ins Leben ruft, Gewinne macht oder alles verliert, jedenfalls den mittleren
und höheren Schichten der Geſellſchaft angehört oder in ſie eintritt, und unter ſeiner
Leitung die von ihm engagierten, meiſt den unterſten Klaſſen angehörigen Arbeiter; ſie
erhalten ſicher ihren feſten Lohn, ob das Geſchäft einen Gewinn abwirft oder nicht;
derſelbe iſt nur für eine kleine Elite reichlich, für eine größere Zahl auskömmlich, für
viele kärglich; und die geringeren Arbeiter riskieren immer, bei ungünſtiger Konjunktur
brotlos zu werden.
Das Rechtsverhältnis, welches die innere ſociale Struktur des Großbetriebes
neuerdings beherrſcht, hauptſächlich der freie kündbare Arbeitsvertrag, entſpricht den
ſocialen Verhältniſſen, den überlieferten Sitten und Rechtsinſtituten, dem praktiſchen
Bedürfnis. Es ruht auf ſehr einfachen, ſicher wirkenden Motiven und einfacheren Rechts-
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