Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. Molkereikundige, Inspektoren, Buchhalter, Maschinenwärter neben den Stallknechten undTagelöhnern heranzuziehen. Ist aus dem vorstehenden klar, daß der landwirtschaftliche Betrieb, so mancherlei An den Boden gebunden, von Natur und Wetter stets ebenso abhängig wie von Der Begriff der gewerblichen Thätigkeit in dem eingeschränkteren Sinne, in In den ältesten Quellen der Eranier treten als einzige Handwerker die Erz- Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Molkereikundige, Inſpektoren, Buchhalter, Maſchinenwärter neben den Stallknechten undTagelöhnern heranzuziehen. Iſt aus dem vorſtehenden klar, daß der landwirtſchaftliche Betrieb, ſo mancherlei An den Boden gebunden, von Natur und Wetter ſtets ebenſo abhängig wie von Der Begriff der gewerblichen Thätigkeit in dem eingeſchränkteren Sinne, in In den älteſten Quellen der Eranier treten als einzige Handwerker die Erz- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0364" n="348"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> Molkereikundige, Inſpektoren, Buchhalter, Maſchinenwärter neben den Stallknechten und<lb/> Tagelöhnern heranzuziehen.</p><lb/> <p>Iſt aus dem vorſtehenden klar, daß der landwirtſchaftliche Betrieb, ſo mancherlei<lb/> er gegen früher abgeſtoßen hat, doch keine Teilung der Produktion, wie der gewerbliche<lb/> verträgt, daß die Leiter und die Hülfskräfte ſich nicht ſo ſpecialiſieren können, wie in<lb/> der Induſtrie, ſo iſt damit zugleich erklärt, warum die Landwirtſchaft techniſch, wirt-<lb/> ſchaftlich, pſychologiſch etwas für ſich bleibt. Sie behält ſtets ein gut Stück Eigen-<lb/> produktion; ſie erhält mehr den familien- und hauswirtſchaftlichen Charakter ſchon<lb/> durch ihren iſolierten Standort. So ſehr der Landwirt rechnen, den Kredit zu benutzen<lb/> lernen, die Konjunkturen ſtudieren ſoll, er kann nie ſo ſehr Spekulant, nie ſo von der<lb/> Geld- und Kreditwirtſchaft erfaßt werden wie der Induſtrielle und Kaufmann. Wie<lb/> er deshalb wirtſchaftlich, pſychologiſch und ethiſch ſeit Jahrtauſenden als der Antipode<lb/> der andern Hauptberufszweige angeſehen wurde, ſo wird er es auch künftig immer bis<lb/> zu einem gewiſſen Grade bleiben.</p><lb/> <p>An den Boden gebunden, von Natur und Wetter ſtets ebenſo abhängig wie von<lb/> Kunſt und Technik, glaubt der Ackerbauer nicht ſo an Neuerung und Fortſchritt wie<lb/> der Gewerbetreibende. Er iſt auch nicht ſo ſparſam, ſo eifrig; er bleibt leichter im<lb/> Schlendrian ſtecken; der große Grundbeſitzer iſt leichter ein luxuriöſer Verſchwender als<lb/> der große Fabrikant und Kaufmann. Aber dafür hat der Landmann mehr Achtung<lb/> vor der Sitte, iſt ein geſünderer und beſſerer Soldat, ein treuerer und zäherer Patriot.<lb/> Das Familien- und das Staatsleben haben kein beſſeres Fundament als einen bewährten<lb/> Stand mittlerer beſitzender Ackerbauern, neben dem auf der einen Seite eine grundbeſitzende<lb/> Ariſtokratie, auf der anderen eine Mehrzahl kleiner Stellenbeſitzer und auf Parzellen<lb/> wirtſchaftender Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner ſtehen. Auch die höchſte Ent-<lb/> wickelung einer arbeitsteilig gegliederten Volkswirtſchaft hat ſich bis jetzt mit einem<lb/> ſolchen Ideal der Ackerbauorganiſation wohl vertragen.</p><lb/> <p>Der Begriff der <hi rendition="#g">gewerblichen</hi> Thätigkeit in dem eingeſchränkteren Sinne, in<lb/> welchem heute das Wort als Gegenſatz zu Landwirtſchaft, Handel und Verkehr gebraucht<lb/> wird, iſt erſt ein Ergebnis der neueren Arbeitsteilung. Man verſteht darunter den-<lb/> jenigen Teil der wirtſchaftlichen Produktion, welcher auf Formveränderung von Roh-<lb/> ſtoffen und auf Dienſtleiſtungen perſönlicher Art gerichtet, durch beſondere Berufsbildung<lb/> und Arbeitsteilung aus der Haus- und Landwirtſchaft geſchieden, nicht zu dem Handel<lb/> und dem Verkehr und den höheren perſönlichen Dienſtleiſtungen (liberalen Berufen)<lb/> gerechnet wird. Alle <hi rendition="#g">gewerbliche</hi> Thätigkeit entſpringt beſtimmten Handgriffen und<lb/> techniſchen Geſchicklichkeiten, die urſprünglich Beſtandteile der primitiven Lebens- und<lb/> Ernährungsweiſe einzelner Stämme waren; einzelne Jäger hatten Waffen, einzelne<lb/> Fiſcher Boote, einzelne Bergſtämme eiſerne Werkzeuge bereiten gelernt, unendlich lange<lb/> Zeiten hindurch erhielt ſich der Beſitz ſolcher Fertigkeiten in den betreffenden Stämmen;<lb/> nur wenig Neues kam durch Fremde oder durch Nachbarn hinzu, und was die Haupt-<lb/> ſache iſt, die meiſten dieſer Fertigkeiten blieben lange Gemeinbeſitz der Stammesgenoſſen;<lb/> noch in der älteſten patriarchaliſchen Hauswirtſchaft der Semiten und Indogermanen<lb/> treffen wir kaum techniſche Sonderthätigkeiten, die ausſchließlich von einzelnen geübt<lb/> wurden. Nur wo eine gewiſſe Raſſenmiſchung oder -Berührung begonnen hat, wird es<lb/> langſam anders.</p><lb/> <p>In den älteſten Quellen der Eranier treten als einzige Handwerker die Erz-<lb/> ſchmelzer, die zugleich die Metalle verarbeiten, in den indiſchen Vedas (900 v. Chr.)<lb/> neben dieſen ſchon Holzarbeiter auf, die um Entgelt für andere ausüben, was heute<lb/> der Zimmermann, Wagenbauer, Tiſchler, Schnitzer beſorgt. Der Schmied iſt allerwärts<lb/> der erſte und wichtigſte Handwerker. F. Lenormant behauptet, es ſei dieſe Kunſt von<lb/> der turaniſchen Raſſe auf die anderen Völker des Orients übergegangen. Bei den<lb/> Juden iſt der Schmied in den Tagen König Sauls kein Stammesgenoſſe wie heute<lb/> noch bei vielen Stämmen Afrikas. Bei den Südgermanen traten die Schmiede und<lb/> andere Handwerker zuerſt als zugekaufte Sklaven auf, bei den Nordgermanen haben<lb/> Könige und Häuptlinge die Kunſt des Schwertſchmiedens zuerſt geübt. Das Wahr-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [348/0364]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Molkereikundige, Inſpektoren, Buchhalter, Maſchinenwärter neben den Stallknechten und
Tagelöhnern heranzuziehen.
Iſt aus dem vorſtehenden klar, daß der landwirtſchaftliche Betrieb, ſo mancherlei
er gegen früher abgeſtoßen hat, doch keine Teilung der Produktion, wie der gewerbliche
verträgt, daß die Leiter und die Hülfskräfte ſich nicht ſo ſpecialiſieren können, wie in
der Induſtrie, ſo iſt damit zugleich erklärt, warum die Landwirtſchaft techniſch, wirt-
ſchaftlich, pſychologiſch etwas für ſich bleibt. Sie behält ſtets ein gut Stück Eigen-
produktion; ſie erhält mehr den familien- und hauswirtſchaftlichen Charakter ſchon
durch ihren iſolierten Standort. So ſehr der Landwirt rechnen, den Kredit zu benutzen
lernen, die Konjunkturen ſtudieren ſoll, er kann nie ſo ſehr Spekulant, nie ſo von der
Geld- und Kreditwirtſchaft erfaßt werden wie der Induſtrielle und Kaufmann. Wie
er deshalb wirtſchaftlich, pſychologiſch und ethiſch ſeit Jahrtauſenden als der Antipode
der andern Hauptberufszweige angeſehen wurde, ſo wird er es auch künftig immer bis
zu einem gewiſſen Grade bleiben.
An den Boden gebunden, von Natur und Wetter ſtets ebenſo abhängig wie von
Kunſt und Technik, glaubt der Ackerbauer nicht ſo an Neuerung und Fortſchritt wie
der Gewerbetreibende. Er iſt auch nicht ſo ſparſam, ſo eifrig; er bleibt leichter im
Schlendrian ſtecken; der große Grundbeſitzer iſt leichter ein luxuriöſer Verſchwender als
der große Fabrikant und Kaufmann. Aber dafür hat der Landmann mehr Achtung
vor der Sitte, iſt ein geſünderer und beſſerer Soldat, ein treuerer und zäherer Patriot.
Das Familien- und das Staatsleben haben kein beſſeres Fundament als einen bewährten
Stand mittlerer beſitzender Ackerbauern, neben dem auf der einen Seite eine grundbeſitzende
Ariſtokratie, auf der anderen eine Mehrzahl kleiner Stellenbeſitzer und auf Parzellen
wirtſchaftender Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner ſtehen. Auch die höchſte Ent-
wickelung einer arbeitsteilig gegliederten Volkswirtſchaft hat ſich bis jetzt mit einem
ſolchen Ideal der Ackerbauorganiſation wohl vertragen.
Der Begriff der gewerblichen Thätigkeit in dem eingeſchränkteren Sinne, in
welchem heute das Wort als Gegenſatz zu Landwirtſchaft, Handel und Verkehr gebraucht
wird, iſt erſt ein Ergebnis der neueren Arbeitsteilung. Man verſteht darunter den-
jenigen Teil der wirtſchaftlichen Produktion, welcher auf Formveränderung von Roh-
ſtoffen und auf Dienſtleiſtungen perſönlicher Art gerichtet, durch beſondere Berufsbildung
und Arbeitsteilung aus der Haus- und Landwirtſchaft geſchieden, nicht zu dem Handel
und dem Verkehr und den höheren perſönlichen Dienſtleiſtungen (liberalen Berufen)
gerechnet wird. Alle gewerbliche Thätigkeit entſpringt beſtimmten Handgriffen und
techniſchen Geſchicklichkeiten, die urſprünglich Beſtandteile der primitiven Lebens- und
Ernährungsweiſe einzelner Stämme waren; einzelne Jäger hatten Waffen, einzelne
Fiſcher Boote, einzelne Bergſtämme eiſerne Werkzeuge bereiten gelernt, unendlich lange
Zeiten hindurch erhielt ſich der Beſitz ſolcher Fertigkeiten in den betreffenden Stämmen;
nur wenig Neues kam durch Fremde oder durch Nachbarn hinzu, und was die Haupt-
ſache iſt, die meiſten dieſer Fertigkeiten blieben lange Gemeinbeſitz der Stammesgenoſſen;
noch in der älteſten patriarchaliſchen Hauswirtſchaft der Semiten und Indogermanen
treffen wir kaum techniſche Sonderthätigkeiten, die ausſchließlich von einzelnen geübt
wurden. Nur wo eine gewiſſe Raſſenmiſchung oder -Berührung begonnen hat, wird es
langſam anders.
In den älteſten Quellen der Eranier treten als einzige Handwerker die Erz-
ſchmelzer, die zugleich die Metalle verarbeiten, in den indiſchen Vedas (900 v. Chr.)
neben dieſen ſchon Holzarbeiter auf, die um Entgelt für andere ausüben, was heute
der Zimmermann, Wagenbauer, Tiſchler, Schnitzer beſorgt. Der Schmied iſt allerwärts
der erſte und wichtigſte Handwerker. F. Lenormant behauptet, es ſei dieſe Kunſt von
der turaniſchen Raſſe auf die anderen Völker des Orients übergegangen. Bei den
Juden iſt der Schmied in den Tagen König Sauls kein Stammesgenoſſe wie heute
noch bei vielen Stämmen Afrikas. Bei den Südgermanen traten die Schmiede und
andere Handwerker zuerſt als zugekaufte Sklaven auf, bei den Nordgermanen haben
Könige und Häuptlinge die Kunſt des Schwertſchmiedens zuerſt geübt. Das Wahr-
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