Die Entstehung einer Arbeiterklasse. Die Sklaverei.
a) Sklaven. Die Wurzeln der Sklaverei liegen, wie erwähnt, in der herrschaft- lichen Familienverfassung. Wo bisher der Kannibalismus geherrscht, d. h. wo man jeden Stammfremden als rechtlos betrachtet, ihn getötet und verzehrt hatte, da war es ein großer Fortschritt der Menschlichkeit und der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit, wenn man den Gefangenen nicht mehr tötete oder den Göttern opferte. Wie man Frau und Kinder damals als verkäufliches Eigentum in der Regel betrachtete, so begann man ebenso die erbeuteten oder erkauften Knechte und Mägde zu behandeln; man schonte sie, um sie zur Arbeit zu gebrauchen; man sah in ihnen nur die Arbeitskräfte, aber in ähnlicher Schätzung standen auch die Weiber und Kinder. Gewisse Fortschritte in der Familienverfassung und in der Technik, welche folgsame Arbeitskräfte als wünschenswert erscheinen ließen, mußten vorhanden sein, um die Sklaverei entstehen zu lassen. Meist nur Hirten- und Ackerbaustämme (neben wenigen hochstehenden Fischern) und meist nur kriegerische haben die Institution ausgebildet; sie wurde für lange Zeiträume die große mechanische Arbeitsschule der Menschheit. Da sie in der älteren Zeit fast regelmäßig nur durch Krieg und Beutezüge entsteht, so sind es die schwächeren, weniger gut organisierten, weniger klugen Stämme und Rassen, welche ihr unterliegen. In dieser Rassendifferenz sah man im Altertume und bis in die neuere Zeit ihre Rechtfertigung: wie das Kind, so hieß es, bedarf der niedriger stehende Erwachsene der herrschaftlichen Leitung und Zuchtrute, des Zwanges zur Arbeit; er ist zur mechanischen Arbeit brauchbarer als zur geistigen. Er läßt sich Leitung und Herrschaft nicht nur gefallen, er liebt seinen Herrn, giebt sich ihm in Treue und Gehorsam völlig hin.
Der Sklave ist Eigentum des Herrn; er wird von ihm unterhalten und muß diejenigen Leistungen verrichten, die ihm befohlen werden; das sind bei einzelnen auch höhere Arbeiten aller Art, bei den meisten aber handelt es sich um die mühevollen mechanischen Dienstleistungen in Haus und Hof, in Wald und Acker, später im Berg- werke, auf den Schiffen, in den Handwerken und Fabriken. Die Sklaverei erzeugt so nicht sowohl einen bestimmten Beruf, als in aller Thätigkeit die Scheidung zwischen der leitenden und befehlenden und der mechanischen, ausführenden Arbeit. Der Sklave ist das unterste Glied der Hauswirtschaft; die bisher den Frauen zugemuteten schwersten Arbeiten werden nun ihm auferlegt; er hat keine eigene Wirtschaft, meist keine Familie; auch wenn die Sklaven massenweise erbeutet wurden, hat man sie einzeln dem König, den Häuptlingen, einem Tempel, einzelnen Familienvätern zugewiesen.
Ihre Rechtsstellung ist ursprünglich mit der Familienverfassung gegeben; sie sind nicht gänzlich rechtlos, so lange sie als Familienglieder behandelt werden. Noch heute heiraten in Afrika viele Sklaven die Töchter ihrer Herren; der Islam hat stets eine Sklavenbehandlung angestrebt, die mit der Freilassung endigt. Aber wo der Familien- sklave übergeht in den Plantagen- und Bergwerkssklaven, wo der Sklave nicht mehr in persönlicher Berührung mit dem Herrn steht, nicht mehr in der Familie mit dem Herrn lebt, wo er von ihm nur noch als eine Erwerbsquelle angesehen wird, wo an Stelle des Krieges der Sklavenhandel und die eigene Sklavenzüchterei die Hauptquelle der Sklaverei wird, wo ein hartes Schuldrecht die eigenen Volksgenossen der Sklaverei ausliefert, da entsteht jenes unbarmherzige, harte Sklavenrecht, das im Bewußtsein der Gegenwart häufig als dessen einzige Form erscheint. Es war eine Institution, die sich da notwendig zeigte, wo mit einfacher Technik große, riesenhafte Leistungen nötig waren; nur mit harter Disciplin und unbarmherziger Behandlung ließen sich wohlgeschulte Arbeitercompagnien aus den meist auf tiefster Stufe stehenden Rassenelementen herstellen. Die Verschärfung des Sklavenrechtes war vielfach die Voraussetzung, Großes und technisch Besseres als bisher zu leisten. Aber dieses verschärfte Sklavenrecht vergiftete mit seinen Folgen ebenso das Familienleben der Sklaven, wie das Verhältnis zum Herrn; es führte ganz entmenschlichte Verhältnisse, barbarische Mißhandlungen der oft gefesselten Sklaven herbei. Die Unternehmungen, die ganze Gesellschaft wurde durch die zunehmenden Reibungen und Kämpfe gelähmt, kam an den Abgrund unhaltbarer, sich immer weiter vergiftender gesellschaftlicher Zustände.
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Die Entſtehung einer Arbeiterklaſſe. Die Sklaverei.
a) Sklaven. Die Wurzeln der Sklaverei liegen, wie erwähnt, in der herrſchaft- lichen Familienverfaſſung. Wo bisher der Kannibalismus geherrſcht, d. h. wo man jeden Stammfremden als rechtlos betrachtet, ihn getötet und verzehrt hatte, da war es ein großer Fortſchritt der Menſchlichkeit und der wirtſchaftlichen Zweckmäßigkeit, wenn man den Gefangenen nicht mehr tötete oder den Göttern opferte. Wie man Frau und Kinder damals als verkäufliches Eigentum in der Regel betrachtete, ſo begann man ebenſo die erbeuteten oder erkauften Knechte und Mägde zu behandeln; man ſchonte ſie, um ſie zur Arbeit zu gebrauchen; man ſah in ihnen nur die Arbeitskräfte, aber in ähnlicher Schätzung ſtanden auch die Weiber und Kinder. Gewiſſe Fortſchritte in der Familienverfaſſung und in der Technik, welche folgſame Arbeitskräfte als wünſchenswert erſcheinen ließen, mußten vorhanden ſein, um die Sklaverei entſtehen zu laſſen. Meiſt nur Hirten- und Ackerbauſtämme (neben wenigen hochſtehenden Fiſchern) und meiſt nur kriegeriſche haben die Inſtitution ausgebildet; ſie wurde für lange Zeiträume die große mechaniſche Arbeitsſchule der Menſchheit. Da ſie in der älteren Zeit faſt regelmäßig nur durch Krieg und Beutezüge entſteht, ſo ſind es die ſchwächeren, weniger gut organiſierten, weniger klugen Stämme und Raſſen, welche ihr unterliegen. In dieſer Raſſendifferenz ſah man im Altertume und bis in die neuere Zeit ihre Rechtfertigung: wie das Kind, ſo hieß es, bedarf der niedriger ſtehende Erwachſene der herrſchaftlichen Leitung und Zuchtrute, des Zwanges zur Arbeit; er iſt zur mechaniſchen Arbeit brauchbarer als zur geiſtigen. Er läßt ſich Leitung und Herrſchaft nicht nur gefallen, er liebt ſeinen Herrn, giebt ſich ihm in Treue und Gehorſam völlig hin.
Der Sklave iſt Eigentum des Herrn; er wird von ihm unterhalten und muß diejenigen Leiſtungen verrichten, die ihm befohlen werden; das ſind bei einzelnen auch höhere Arbeiten aller Art, bei den meiſten aber handelt es ſich um die mühevollen mechaniſchen Dienſtleiſtungen in Haus und Hof, in Wald und Acker, ſpäter im Berg- werke, auf den Schiffen, in den Handwerken und Fabriken. Die Sklaverei erzeugt ſo nicht ſowohl einen beſtimmten Beruf, als in aller Thätigkeit die Scheidung zwiſchen der leitenden und befehlenden und der mechaniſchen, ausführenden Arbeit. Der Sklave iſt das unterſte Glied der Hauswirtſchaft; die bisher den Frauen zugemuteten ſchwerſten Arbeiten werden nun ihm auferlegt; er hat keine eigene Wirtſchaft, meiſt keine Familie; auch wenn die Sklaven maſſenweiſe erbeutet wurden, hat man ſie einzeln dem König, den Häuptlingen, einem Tempel, einzelnen Familienvätern zugewieſen.
Ihre Rechtsſtellung iſt urſprünglich mit der Familienverfaſſung gegeben; ſie ſind nicht gänzlich rechtlos, ſo lange ſie als Familienglieder behandelt werden. Noch heute heiraten in Afrika viele Sklaven die Töchter ihrer Herren; der Islam hat ſtets eine Sklavenbehandlung angeſtrebt, die mit der Freilaſſung endigt. Aber wo der Familien- ſklave übergeht in den Plantagen- und Bergwerksſklaven, wo der Sklave nicht mehr in perſönlicher Berührung mit dem Herrn ſteht, nicht mehr in der Familie mit dem Herrn lebt, wo er von ihm nur noch als eine Erwerbsquelle angeſehen wird, wo an Stelle des Krieges der Sklavenhandel und die eigene Sklavenzüchterei die Hauptquelle der Sklaverei wird, wo ein hartes Schuldrecht die eigenen Volksgenoſſen der Sklaverei ausliefert, da entſteht jenes unbarmherzige, harte Sklavenrecht, das im Bewußtſein der Gegenwart häufig als deſſen einzige Form erſcheint. Es war eine Inſtitution, die ſich da notwendig zeigte, wo mit einfacher Technik große, rieſenhafte Leiſtungen nötig waren; nur mit harter Disciplin und unbarmherziger Behandlung ließen ſich wohlgeſchulte Arbeitercompagnien aus den meiſt auf tiefſter Stufe ſtehenden Raſſenelementen herſtellen. Die Verſchärfung des Sklavenrechtes war vielfach die Vorausſetzung, Großes und techniſch Beſſeres als bisher zu leiſten. Aber dieſes verſchärfte Sklavenrecht vergiftete mit ſeinen Folgen ebenſo das Familienleben der Sklaven, wie das Verhältnis zum Herrn; es führte ganz entmenſchlichte Verhältniſſe, barbariſche Mißhandlungen der oft gefeſſelten Sklaven herbei. Die Unternehmungen, die ganze Geſellſchaft wurde durch die zunehmenden Reibungen und Kämpfe gelähmt, kam an den Abgrund unhaltbarer, ſich immer weiter vergiftender geſellſchaftlicher Zuſtände.
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Die Entſtehung einer Arbeiterklaſſe. Die Sklaverei.
a) Sklaven. Die Wurzeln der Sklaverei liegen, wie erwähnt, in der herrſchaft-
lichen Familienverfaſſung. Wo bisher der Kannibalismus geherrſcht, d. h. wo man
jeden Stammfremden als rechtlos betrachtet, ihn getötet und verzehrt hatte, da war es
ein großer Fortſchritt der Menſchlichkeit und der wirtſchaftlichen Zweckmäßigkeit, wenn
man den Gefangenen nicht mehr tötete oder den Göttern opferte. Wie man Frau und
Kinder damals als verkäufliches Eigentum in der Regel betrachtete, ſo begann man
ebenſo die erbeuteten oder erkauften Knechte und Mägde zu behandeln; man ſchonte ſie,
um ſie zur Arbeit zu gebrauchen; man ſah in ihnen nur die Arbeitskräfte, aber in
ähnlicher Schätzung ſtanden auch die Weiber und Kinder. Gewiſſe Fortſchritte in der
Familienverfaſſung und in der Technik, welche folgſame Arbeitskräfte als wünſchenswert
erſcheinen ließen, mußten vorhanden ſein, um die Sklaverei entſtehen zu laſſen. Meiſt
nur Hirten- und Ackerbauſtämme (neben wenigen hochſtehenden Fiſchern) und meiſt nur
kriegeriſche haben die Inſtitution ausgebildet; ſie wurde für lange Zeiträume die große
mechaniſche Arbeitsſchule der Menſchheit. Da ſie in der älteren Zeit faſt regelmäßig nur
durch Krieg und Beutezüge entſteht, ſo ſind es die ſchwächeren, weniger gut organiſierten,
weniger klugen Stämme und Raſſen, welche ihr unterliegen. In dieſer Raſſendifferenz
ſah man im Altertume und bis in die neuere Zeit ihre Rechtfertigung: wie das Kind,
ſo hieß es, bedarf der niedriger ſtehende Erwachſene der herrſchaftlichen Leitung und
Zuchtrute, des Zwanges zur Arbeit; er iſt zur mechaniſchen Arbeit brauchbarer als zur
geiſtigen. Er läßt ſich Leitung und Herrſchaft nicht nur gefallen, er liebt ſeinen Herrn,
giebt ſich ihm in Treue und Gehorſam völlig hin.
Der Sklave iſt Eigentum des Herrn; er wird von ihm unterhalten und muß
diejenigen Leiſtungen verrichten, die ihm befohlen werden; das ſind bei einzelnen auch
höhere Arbeiten aller Art, bei den meiſten aber handelt es ſich um die mühevollen
mechaniſchen Dienſtleiſtungen in Haus und Hof, in Wald und Acker, ſpäter im Berg-
werke, auf den Schiffen, in den Handwerken und Fabriken. Die Sklaverei erzeugt ſo
nicht ſowohl einen beſtimmten Beruf, als in aller Thätigkeit die Scheidung zwiſchen
der leitenden und befehlenden und der mechaniſchen, ausführenden Arbeit. Der Sklave
iſt das unterſte Glied der Hauswirtſchaft; die bisher den Frauen zugemuteten ſchwerſten
Arbeiten werden nun ihm auferlegt; er hat keine eigene Wirtſchaft, meiſt keine Familie;
auch wenn die Sklaven maſſenweiſe erbeutet wurden, hat man ſie einzeln dem König,
den Häuptlingen, einem Tempel, einzelnen Familienvätern zugewieſen.
Ihre Rechtsſtellung iſt urſprünglich mit der Familienverfaſſung gegeben; ſie ſind
nicht gänzlich rechtlos, ſo lange ſie als Familienglieder behandelt werden. Noch heute
heiraten in Afrika viele Sklaven die Töchter ihrer Herren; der Islam hat ſtets eine
Sklavenbehandlung angeſtrebt, die mit der Freilaſſung endigt. Aber wo der Familien-
ſklave übergeht in den Plantagen- und Bergwerksſklaven, wo der Sklave nicht mehr in
perſönlicher Berührung mit dem Herrn ſteht, nicht mehr in der Familie mit dem Herrn
lebt, wo er von ihm nur noch als eine Erwerbsquelle angeſehen wird, wo an Stelle
des Krieges der Sklavenhandel und die eigene Sklavenzüchterei die Hauptquelle der
Sklaverei wird, wo ein hartes Schuldrecht die eigenen Volksgenoſſen der Sklaverei
ausliefert, da entſteht jenes unbarmherzige, harte Sklavenrecht, das im Bewußtſein der
Gegenwart häufig als deſſen einzige Form erſcheint. Es war eine Inſtitution, die ſich
da notwendig zeigte, wo mit einfacher Technik große, rieſenhafte Leiſtungen nötig waren;
nur mit harter Disciplin und unbarmherziger Behandlung ließen ſich wohlgeſchulte
Arbeitercompagnien aus den meiſt auf tiefſter Stufe ſtehenden Raſſenelementen herſtellen.
Die Verſchärfung des Sklavenrechtes war vielfach die Vorausſetzung, Großes und techniſch
Beſſeres als bisher zu leiſten. Aber dieſes verſchärfte Sklavenrecht vergiftete mit ſeinen
Folgen ebenſo das Familienleben der Sklaven, wie das Verhältnis zum Herrn; es
führte ganz entmenſchlichte Verhältniſſe, barbariſche Mißhandlungen der oft gefeſſelten
Sklaven herbei. Die Unternehmungen, die ganze Geſellſchaft wurde durch die zunehmenden
Reibungen und Kämpfe gelähmt, kam an den Abgrund unhaltbarer, ſich immer weiter
vergiftender geſellſchaftlicher Zuſtände.
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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