Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Abend-Gebett am Dienstage.
ach geh nicht mit mir ins Gericht! wo ist der Wu-
cher denn von meinem Pfunde blieben, das du mir
anvertraut in dieser Sterblichkeit; du hast den Uber-
schlag in allem aufgeschrieben, verschwendet hab ich
nur die theure Gnaden-Zeit. Ich habe wohl ge-
schmeckt, wie freundlich du gewesen, es gieng kein
Augenblick ohn deinen Segen hin. Doch du hast
wenig Frucht vor deine Huld gelesen, weil ich ein
Schuldner stets in deinem Buche bin. Du hast
mich mit Gedult so lange Zeit getragen, und den und
jenen dort in Sünden hingerafft, da du auch billich
mich zu Boden können schlagen, weil deine Langmuth
nichts zur Busse hat geschafft. Wenn du mich auch
gestrafft, so hab ich wohl versprochen, ich wollte
frömmer seyn, und deinen Willen thun. Allein, wie
öfters ist der Vorsatz schon gebrochen, die Sünde
will nur stets vor meiner Thüre ruhn. Jetzt schre-
cket mich dein Zorn, jetzt weckt mich mein Gewissen,
wo soll ich aber hin vor deinem Antlitz gehn? Hier
wind ich armer Wurm mich, HErr! vor deinen
Füssen, laß Gnade gehn vor Recht, sonst kan ich
nicht bestehn. Mein Hirte, suche doch das arme
Schäflein wieder, nimm das verlohrne Kind, du
lieber Vatter! auf: Laß deinen Gnaden-Stuhl zu
nen Seuffzern nieder, hingegen meine Noth für dei-
nen Thron hinauf. Ach hast du noch ein Hertz,
so laß es jetzo wallen, hast du noch einen Trost, so
ruf ihn mir doch zu? Es darf ein Wörtlein nur
aus deinem Munde schallen, das von der Gna-
de spricht, so geb ich mich zur Ruh. Wohlan!

ich

Abend-Gebett am Dienſtage.
ach geh nicht mit mir ins Gericht! wo iſt der Wu-
cher denn von meinem Pfunde blieben, das du mir
anvertraut in dieſer Sterblichkeit; du haſt den Uber-
ſchlag in allem aufgeſchrieben, verſchwendet hab ich
nur die theure Gnaden-Zeit. Ich habe wohl ge-
ſchmeckt, wie freundlich du geweſen, es gieng kein
Augenblick ohn deinen Segen hin. Doch du haſt
wenig Frucht vor deine Huld geleſen, weil ich ein
Schuldner ſtets in deinem Buche bin. Du haſt
mich mit Gedult ſo lange Zeit getragen, und den und
jenen dort in Sünden hingerafft, da du auch billich
mich zu Boden können ſchlagen, weil deine Langmuth
nichts zur Buſſe hat geſchafft. Wenn du mich auch
geſtrafft, ſo hab ich wohl verſprochen, ich wollte
frömmer ſeyn, und deinen Willen thun. Allein, wie
öfters iſt der Vorſatz ſchon gebrochen, die Sünde
will nur ſtets vor meiner Thüre ruhn. Jetzt ſchre-
cket mich dein Zorn, jetzt weckt mich mein Gewiſſen,
wo ſoll ich aber hin vor deinem Antlitz gehn? Hier
wind ich armer Wurm mich, HErr! vor deinen
Füſſen, laß Gnade gehn vor Recht, ſonſt kan ich
nicht beſtehn. Mein Hirte, ſuche doch das arme
Schäflein wieder, nimm das verlohrne Kind, du
lieber Vatter! auf: Laß deinen Gnaden-Stuhl zu
nen Seuffzern nieder, hingegen meine Noth für dei-
nen Thron hinauf. Ach haſt du noch ein Hertz,
ſo laß es jetzo wallen, haſt du noch einen Troſt, ſo
ruf ihn mir doch zu? Es darf ein Wörtlein nur
aus deinem Munde ſchallen, das von der Gna-
de ſpricht, ſo geb ich mich zur Ruh. Wohlan!

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0771" n="749"/><fw place="top" type="header">Abend-Gebett am Dien&#x017F;tage.</fw><lb/>
ach geh nicht mit mir ins Gericht! wo i&#x017F;t der Wu-<lb/>
cher denn von meinem Pfunde blieben, das du mir<lb/>
anvertraut in die&#x017F;er Sterblichkeit; du ha&#x017F;t den Uber-<lb/>
&#x017F;chlag in allem aufge&#x017F;chrieben, ver&#x017F;chwendet hab ich<lb/>
nur die theure Gnaden-Zeit. Ich habe wohl ge-<lb/>
&#x017F;chmeckt, wie freundlich du gewe&#x017F;en, es gieng kein<lb/>
Augenblick ohn deinen Segen hin. Doch du ha&#x017F;t<lb/>
wenig Frucht vor deine Huld gele&#x017F;en, weil ich ein<lb/>
Schuldner &#x017F;tets in deinem Buche bin. Du ha&#x017F;t<lb/>
mich mit Gedult &#x017F;o lange Zeit getragen, und den und<lb/>
jenen dort in Sünden hingerafft, da du auch billich<lb/>
mich zu Boden können &#x017F;chlagen, weil deine Langmuth<lb/>
nichts zur Bu&#x017F;&#x017F;e hat ge&#x017F;chafft. Wenn du mich auch<lb/>
ge&#x017F;trafft, &#x017F;o hab ich wohl ver&#x017F;prochen, ich wollte<lb/>
frömmer &#x017F;eyn, und deinen Willen thun. Allein, wie<lb/>
öfters i&#x017F;t der Vor&#x017F;atz &#x017F;chon gebrochen, die Sünde<lb/>
will nur &#x017F;tets vor meiner Thüre ruhn. Jetzt &#x017F;chre-<lb/>
cket mich dein Zorn, jetzt weckt mich mein Gewi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wo &#x017F;oll ich aber hin vor deinem Antlitz gehn? Hier<lb/>
wind ich armer Wurm mich, HErr! vor deinen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, laß Gnade gehn vor Recht, &#x017F;on&#x017F;t kan ich<lb/>
nicht be&#x017F;tehn. Mein Hirte, &#x017F;uche doch das arme<lb/>
Schäflein wieder, nimm das verlohrne Kind, du<lb/>
lieber Vatter! auf: Laß deinen Gnaden-Stuhl zu<lb/>
nen Seuffzern nieder, hingegen meine Noth für dei-<lb/>
nen Thron hinauf. Ach ha&#x017F;t du noch ein Hertz,<lb/>
&#x017F;o laß es jetzo wallen, ha&#x017F;t du noch einen Tro&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
ruf ihn mir doch zu? Es darf ein Wörtlein nur<lb/>
aus deinem Munde &#x017F;challen, das von der Gna-<lb/>
de &#x017F;pricht, &#x017F;o geb ich mich zur Ruh. Wohlan!<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[749/0771] Abend-Gebett am Dienſtage. ach geh nicht mit mir ins Gericht! wo iſt der Wu- cher denn von meinem Pfunde blieben, das du mir anvertraut in dieſer Sterblichkeit; du haſt den Uber- ſchlag in allem aufgeſchrieben, verſchwendet hab ich nur die theure Gnaden-Zeit. Ich habe wohl ge- ſchmeckt, wie freundlich du geweſen, es gieng kein Augenblick ohn deinen Segen hin. Doch du haſt wenig Frucht vor deine Huld geleſen, weil ich ein Schuldner ſtets in deinem Buche bin. Du haſt mich mit Gedult ſo lange Zeit getragen, und den und jenen dort in Sünden hingerafft, da du auch billich mich zu Boden können ſchlagen, weil deine Langmuth nichts zur Buſſe hat geſchafft. Wenn du mich auch geſtrafft, ſo hab ich wohl verſprochen, ich wollte frömmer ſeyn, und deinen Willen thun. Allein, wie öfters iſt der Vorſatz ſchon gebrochen, die Sünde will nur ſtets vor meiner Thüre ruhn. Jetzt ſchre- cket mich dein Zorn, jetzt weckt mich mein Gewiſſen, wo ſoll ich aber hin vor deinem Antlitz gehn? Hier wind ich armer Wurm mich, HErr! vor deinen Füſſen, laß Gnade gehn vor Recht, ſonſt kan ich nicht beſtehn. Mein Hirte, ſuche doch das arme Schäflein wieder, nimm das verlohrne Kind, du lieber Vatter! auf: Laß deinen Gnaden-Stuhl zu nen Seuffzern nieder, hingegen meine Noth für dei- nen Thron hinauf. Ach haſt du noch ein Hertz, ſo laß es jetzo wallen, haſt du noch einen Troſt, ſo ruf ihn mir doch zu? Es darf ein Wörtlein nur aus deinem Munde ſchallen, das von der Gna- de ſpricht, ſo geb ich mich zur Ruh. Wohlan! ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/771
Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/771>, abgerufen am 23.11.2024.