Darum verlanget mich nur der Geringste zu seyn, auch meinen Palmzweig zu deinen Ehren aufzuhe- ben; ich höre schon das heilige Chor, das Lied des Lamms, anstimmen, darum wollte ich gern der Un- terste seyn in diesem höhern Chor, um auch meine Stimme zu deinen Ehren hören zu lassen. HErr, du Brunnquell meines Lebens, zu dir schreye ich: Nach dir verlanget mich, wie ein Hirsch nach frischem Wasser. Ach komm doch, komm doch, du mächti- ger Erlöser! komm, mein Heyland! komm, HErr JEsu! komm, du einziges Verlangen meiner See- le! komm, du einzige Vergnügung meines Hertzens! schon lange hat mich nach dir mit Verlangen ver- langt! Komm, du schöne Freuden-Crone, bleib nicht lange, deiner wart ich mit Verlangen, Amen! Amen.
Der Kleinmüthige hält an.
ACh GOtt! ich bin eine unter den trostlosen See- len, über die alle Wetter gehen: Von Freun- den verlassen, von Feinden gehasset, von Mitteln entblösset; über mir schreckt mich dein zorniges An- gesicht, in mir ein beschuldigendes Gewissen, un- ter mir dräuet Satan mit aufgesperrtem Rachen den Untergang; ausser mir stellt mir die Welt nach, und leget mir tausend Stricke: Auch trag ich täglich einen arglistigen Feind in meinem eigenen Busen; ich schwemme mein Bethe die gantze Nacht, und netze mit meinen Thränen mein Lager, meine Gestalt ist verfallen, für Trauren bin ich alt wor-
den:
Gebett in Kranckheit.
Darum verlanget mich nur der Geringſte zu ſeyn, auch meinen Palmzweig zu deinen Ehren aufzuhe- ben; ich höre ſchon das heilige Chor, das Lied des Lamms, anſtimmen, darum wollte ich gern der Un- terſte ſeyn in dieſem höhern Chor, um auch meine Stimme zu deinen Ehren hören zu laſſen. HErr, du Brunnquell meines Lebens, zu dir ſchreye ich: Nach dir verlanget mich, wie ein Hirſch nach friſchem Waſſer. Ach komm doch, komm doch, du mächti- ger Erlöſer! komm, mein Heyland! komm, HErr JEſu! komm, du einziges Verlangen meiner See- le! komm, du einzige Vergnügung meines Hertzens! ſchon lange hat mich nach dir mit Verlangen ver- langt! Komm, du ſchöne Freuden-Crone, bleib nicht lange, deiner wart ich mit Verlangen, Amen! Amen.
Der Kleinmüthige hält an.
ACh GOtt! ich bin eine unter den troſtloſen See- len, über die alle Wetter gehen: Von Freun- den verlaſſen, von Feinden gehaſſet, von Mitteln entblöſſet; über mir ſchreckt mich dein zorniges An- geſicht, in mir ein beſchuldigendes Gewiſſen, un- ter mir dräuet Satan mit aufgeſperrtem Rachen den Untergang; auſſer mir ſtellt mir die Welt nach, und leget mir tauſend Stricke: Auch trag ich täglich einen argliſtigen Feind in meinem eigenen Buſen; ich ſchwemme mein Bethe die gantze Nacht, und netze mit meinen Thränen mein Lager, meine Geſtalt iſt verfallen, für Trauren bin ich alt wor-
den:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0666"n="644"/><fwplace="top"type="header">Gebett in Kranckheit.</fw><lb/>
Darum verlanget mich nur der Geringſte zu ſeyn,<lb/>
auch meinen Palmzweig zu deinen Ehren aufzuhe-<lb/>
ben; ich höre ſchon das heilige Chor, das Lied des<lb/>
Lamms, anſtimmen, darum wollte ich gern der Un-<lb/>
terſte ſeyn in dieſem höhern Chor, um auch meine<lb/>
Stimme zu deinen Ehren hören zu laſſen. HErr,<lb/>
du Brunnquell meines Lebens, zu dir ſchreye ich:<lb/>
Nach dir verlanget mich, wie ein Hirſch nach friſchem<lb/>
Waſſer. Ach komm doch, komm doch, du mächti-<lb/>
ger Erlöſer! komm, mein Heyland! komm, HErr<lb/>
JEſu! komm, du einziges Verlangen meiner See-<lb/>
le! komm, du einzige Vergnügung meines Hertzens!<lb/>ſchon lange hat mich nach dir mit Verlangen ver-<lb/>
langt! Komm, du ſchöne Freuden-Crone, bleib nicht<lb/>
lange, deiner wart ich mit Verlangen, Amen!<lb/>
Amen.</p></div><lb/><divn="2"><head>Der Kleinmüthige hält an.</head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>Ch GOtt! ich bin eine unter den troſtloſen See-<lb/>
len, über die alle Wetter gehen: Von Freun-<lb/>
den verlaſſen, von Feinden gehaſſet, von Mitteln<lb/>
entblöſſet; über mir ſchreckt mich dein zorniges An-<lb/>
geſicht, in mir ein beſchuldigendes Gewiſſen, un-<lb/>
ter mir dräuet Satan mit aufgeſperrtem Rachen<lb/>
den Untergang; auſſer mir ſtellt mir die Welt<lb/>
nach, und leget mir tauſend Stricke: Auch trag<lb/>
ich täglich einen argliſtigen Feind in meinem eigenen<lb/>
Buſen; ich ſchwemme mein Bethe die gantze Nacht,<lb/>
und netze mit meinen Thränen mein Lager, meine<lb/>
Geſtalt iſt verfallen, für Trauren bin ich alt wor-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den:</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[644/0666]
Gebett in Kranckheit.
Darum verlanget mich nur der Geringſte zu ſeyn,
auch meinen Palmzweig zu deinen Ehren aufzuhe-
ben; ich höre ſchon das heilige Chor, das Lied des
Lamms, anſtimmen, darum wollte ich gern der Un-
terſte ſeyn in dieſem höhern Chor, um auch meine
Stimme zu deinen Ehren hören zu laſſen. HErr,
du Brunnquell meines Lebens, zu dir ſchreye ich:
Nach dir verlanget mich, wie ein Hirſch nach friſchem
Waſſer. Ach komm doch, komm doch, du mächti-
ger Erlöſer! komm, mein Heyland! komm, HErr
JEſu! komm, du einziges Verlangen meiner See-
le! komm, du einzige Vergnügung meines Hertzens!
ſchon lange hat mich nach dir mit Verlangen ver-
langt! Komm, du ſchöne Freuden-Crone, bleib nicht
lange, deiner wart ich mit Verlangen, Amen!
Amen.
Der Kleinmüthige hält an.
ACh GOtt! ich bin eine unter den troſtloſen See-
len, über die alle Wetter gehen: Von Freun-
den verlaſſen, von Feinden gehaſſet, von Mitteln
entblöſſet; über mir ſchreckt mich dein zorniges An-
geſicht, in mir ein beſchuldigendes Gewiſſen, un-
ter mir dräuet Satan mit aufgeſperrtem Rachen
den Untergang; auſſer mir ſtellt mir die Welt
nach, und leget mir tauſend Stricke: Auch trag
ich täglich einen argliſtigen Feind in meinem eigenen
Buſen; ich ſchwemme mein Bethe die gantze Nacht,
und netze mit meinen Thränen mein Lager, meine
Geſtalt iſt verfallen, für Trauren bin ich alt wor-
den:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/666>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.