Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Untersuchung derer von super-klugen zerbrechen/ um nach zu grübeln/ woher doch sol-che närrische Meynung ihren Ursprung haben möge/ sintemahl zur Gnüge bekandt ist/ daß ei- nem nicht leicht so närrisch träumen kan/ als der Weiber ihre thörichten Aberglauben mehren- theils heraus kommen. Jedoch vermeyne ich/ daß ich nicht weit vom Ziel treffen werde/ wenn ich glaube/ daß dieser Punct daher entstanden sey/ nemlich: Es ist die Gewohnheit/ daß wenn man Kirchmeß/ Hochzeiten/ Kind-Täuffen und andere Gast-Gebote auszurichten willens ist/ so lässet man vorhero die Gemächer und Stuben scheuren. Durch dieses Scheuren aber werden gemeiniglich Splitter loß geweichet/ und mit dem Sande abgekratzt. Wenn alsdenn des folg- genden Tages ausgekehret wird/ so mag der Be- sen mit denen Zweigen ein wenig unter eine Spi- tze eines Splitters kommen/ so wird er damit fol- gend gar ab und auffgerissen. Dieses geschiehet also zu der Zeit/ wenn ohne dem Gäste vermuthet worden/ und ist das Kehren und Scheuren schon an sich selbst eine Bedeutung der Gäste/ iedoch nicht allemahl. Die Weiber aber haben den- noch einen ohnfehlbaren Schluß machen wollen/ daß die in der Stuben abgerissenen Splitter Gä- ste bedeuten. Wer es glauben will/ der mag es thun/ deßwegen beschweret er sein Gewissen nicht; ich glaubs aber nicht. Das
Unterſuchung derer von ſuper-klugen zerbrechen/ um nach zu gruͤbeln/ woher doch ſol-che naͤrriſche Meynung ihren Urſprung haben moͤge/ ſintemahl zur Gnuͤge bekandt iſt/ daß ei- nem nicht leicht ſo naͤrriſch traͤumen kan/ als der Weiber ihre thoͤrichten Aberglauben mehren- theils heraus kommen. Jedoch vermeyne ich/ daß ich nicht weit vom Ziel treffen werde/ wenn ich glaube/ daß dieſer Punct daher entſtanden ſey/ nemlich: Es iſt die Gewohnheit/ daß wenn man Kirchmeß/ Hochzeiten/ Kind-Taͤuffen und andere Gaſt-Gebote auszurichten willens iſt/ ſo laͤſſet man vorhero die Gemaͤcher und Stuben ſcheuren. Durch dieſes Scheuren aber werden gemeiniglich Splitter loß geweichet/ und mit dem Sande abgekratzt. Wenn alsdenn des folg- genden Tages ausgekehret wird/ ſo mag der Be- ſen mit denen Zweigen ein wenig unter eine Spi- tze eines Splitters kommen/ ſo wird er damit fol- gend gar ab und auffgeriſſen. Dieſes geſchiehet alſo zu der Zeit/ wenn ohne dem Gaͤſte vermuthet worden/ und iſt das Kehren und Scheuren ſchon an ſich ſelbſt eine Bedeutung der Gaͤſte/ iedoch nicht allemahl. Die Weiber aber haben den- noch einen ohnfehlbaꝛen Schluß machen wollen/ daß die in der Stuben abgeriſſenen Splitter Gaͤ- ſte bedeuten. Wer es glauben will/ der mag es thun/ deßwegen beſchweret er ſein Gewiſſen nicht; ich glaubs aber nicht. Das
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Unterſuchung derer von ſuper-klugen
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che naͤrriſche Meynung ihren Urſprung haben
moͤge/ ſintemahl zur Gnuͤge bekandt iſt/ daß ei-
nem nicht leicht ſo naͤrriſch traͤumen kan/ als der
Weiber ihre thoͤrichten Aberglauben mehren-
theils heraus kommen. Jedoch vermeyne ich/
daß ich nicht weit vom Ziel treffen werde/ wenn
ich glaube/ daß dieſer Punct daher entſtanden
ſey/ nemlich: Es iſt die Gewohnheit/ daß wenn
man Kirchmeß/ Hochzeiten/ Kind-Taͤuffen und
andere Gaſt-Gebote auszurichten willens iſt/ ſo
laͤſſet man vorhero die Gemaͤcher und Stuben
ſcheuren. Durch dieſes Scheuren aber werden
gemeiniglich Splitter loß geweichet/ und mit
dem Sande abgekratzt. Wenn alsdenn des folg-
genden Tages ausgekehret wird/ ſo mag der Be-
ſen mit denen Zweigen ein wenig unter eine Spi-
tze eines Splitters kommen/ ſo wird er damit fol-
gend gar ab und auffgeriſſen. Dieſes geſchiehet
alſo zu der Zeit/ wenn ohne dem Gaͤſte vermuthet
worden/ und iſt das Kehren und Scheuren ſchon
an ſich ſelbſt eine Bedeutung der Gaͤſte/ iedoch
nicht allemahl. Die Weiber aber haben den-
noch einen ohnfehlbaꝛen Schluß machen wollen/
daß die in der Stuben abgeriſſenen Splitter Gaͤ-
ſte bedeuten. Wer es glauben will/ der mag es
thun/ deßwegen beſchweret er ſein Gewiſſen
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