Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Untersuchung derer von super-klugen
bin ich doch nie so glücklich gewesen/ dieses Wun-
der-Werck nur zu sehen/ geschweige zu schme-
cken. Dahero trage ich grossen Zweiffel/ daß
dieses wahr sey. Denn in der Natur ists nicht/
daß aus Wasser Wein werde; so wird gegen-
theils auch aus dem Weine nicht natürlicher
Weise Wasser/ sondern/ wenn sich der Wein
verändert/ so wird insgemein Eßig draus; wird
aber kein Eßig daraus/ so wird er doch zu einer
faulschmeckenden Materie/ welches niemand
vor ein reines Wasser ansehen kan. Wenn denn
nun mitten in der Christ-Nacht alles Wasser
Wein ist/ wie kömmt es denn/ daß man nach
Mitter-Nacht nicht noch gantze Teiche/ Brun-
nen und Röhr-Kästen voll Wein/ oder wenn der
Wein sich ja verändert hat/ doch Wein-Eßig fin-
det/ sondern man findet nichts anders/ als pures
Wasser. Wenn es wahr wäre/ daß das Was-
ser in der Christ-Nacht zu Weine würde/ so solte
ich mir bald einbilden/ es sey die Hochzeit zu Cana
in Galiläa gleich am H. Weybnacht-Abend ge-
wesen/ dahero es dem HErrn Christo nicht schwer
gefallen/ das eingefüllete Wasser eben zu der Zeit
aufftragen zu lassen/ da es zu Wein geworden.
Aber das würde auch seyn schlimm heraus ge-
kommen/ wenn die Gäste zum Theil biß nach
Mitter-Nacht hätten gewartet/ und hätten her-
nach/ an statt des Weines/ wieder müssen Was-

ser

Unterſuchung derer von ſuper-klugen
bin ich doch nie ſo gluͤcklich geweſen/ dieſes Wun-
der-Werck nur zu ſehen/ geſchweige zu ſchme-
cken. Dahero trage ich groſſen Zweiffel/ daß
dieſes wahr ſey. Denn in der Natur iſts nicht/
daß aus Waſſer Wein werde; ſo wird gegen-
theils auch aus dem Weine nicht natuͤrlicher
Weiſe Waſſer/ ſondern/ wenn ſich der Wein
veraͤndert/ ſo wird insgemein Eßig draus; wird
aber kein Eßig daraus/ ſo wird er doch zu einer
faulſchmeckenden Materie/ welches niemand
vor ein reines Waſſer anſehen kan. Wenn denn
nun mitten in der Chriſt-Nacht alles Waſſer
Wein iſt/ wie koͤmmt es denn/ daß man nach
Mitter-Nacht nicht noch gantze Teiche/ Brun-
nen und Roͤhr-Kaͤſten voll Wein/ oder wenn der
Wein ſich ja veraͤndert hat/ doch Wein-Eßig fin-
det/ ſondern man findet nichts anders/ als pures
Waſſer. Wenn es wahr waͤre/ daß das Waſ-
ſer in der Chriſt-Nacht zu Weine wuͤrde/ ſo ſolte
ich mir bald einbilden/ es ſey die Hochzeit zu Cana
in Galilaͤa gleich am H. Weybnacht-Abend ge-
weſen/ dahero es dem HErrn Chriſto nicht ſchwer
gefallen/ das eingefuͤllete Waſſer eben zu der Zeit
aufftragen zu laſſen/ da es zu Wein geworden.
Aber das wuͤrde auch ſeyn ſchlimm heraus ge-
kommen/ wenn die Gaͤſte zum Theil biß nach
Mitter-Nacht haͤtten gewartet/ und haͤtten her-
nach/ an ſtatt des Weines/ wieder muͤſſen Waſ-

ſer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="94"/><fw place="top" type="header">Unter&#x017F;uchung derer von <hi rendition="#i">&#x017F;uper</hi>-klugen</fw><lb/>
bin ich doch nie &#x017F;o glu&#x0364;cklich gewe&#x017F;en/ die&#x017F;es Wun-<lb/>
der-Werck nur zu &#x017F;ehen/ ge&#x017F;chweige zu &#x017F;chme-<lb/>
cken. Dahero trage ich gro&#x017F;&#x017F;en Zweiffel/ daß<lb/>
die&#x017F;es wahr &#x017F;ey. Denn in der Natur i&#x017F;ts nicht/<lb/>
daß aus Wa&#x017F;&#x017F;er Wein werde; &#x017F;o wird gegen-<lb/>
theils auch aus dem Weine nicht natu&#x0364;rlicher<lb/>
Wei&#x017F;e Wa&#x017F;&#x017F;er/ &#x017F;ondern/ wenn &#x017F;ich der Wein<lb/>
vera&#x0364;ndert/ &#x017F;o wird insgemein Eßig draus; wird<lb/>
aber kein Eßig daraus/ &#x017F;o wird er doch zu einer<lb/>
faul&#x017F;chmeckenden Materie/ welches niemand<lb/>
vor ein reines Wa&#x017F;&#x017F;er an&#x017F;ehen kan. Wenn denn<lb/>
nun mitten in der Chri&#x017F;t-Nacht alles Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Wein i&#x017F;t/ wie ko&#x0364;mmt es denn/ daß man nach<lb/>
Mitter-Nacht nicht noch gantze Teiche/ Brun-<lb/>
nen und Ro&#x0364;hr-Ka&#x0364;&#x017F;ten voll Wein/ oder wenn der<lb/>
Wein &#x017F;ich ja vera&#x0364;ndert hat/ doch Wein-Eßig fin-<lb/>
det/ &#x017F;ondern man findet nichts anders/ als pures<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er. Wenn es wahr wa&#x0364;re/ daß das Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er in der Chri&#x017F;t-Nacht zu Weine wu&#x0364;rde/ &#x017F;o &#x017F;olte<lb/>
ich mir bald einbilden/ es &#x017F;ey die Hochzeit zu Cana<lb/>
in Galila&#x0364;a gleich am H. Weybnacht-Abend ge-<lb/>
we&#x017F;en/ dahero es dem HErrn Chri&#x017F;to nicht &#x017F;chwer<lb/>
gefallen/ das eingefu&#x0364;llete Wa&#x017F;&#x017F;er eben zu der Zeit<lb/>
aufftragen zu la&#x017F;&#x017F;en/ da es zu Wein geworden.<lb/>
Aber das wu&#x0364;rde auch &#x017F;eyn &#x017F;chlimm heraus ge-<lb/>
kommen/ wenn die Ga&#x0364;&#x017F;te zum Theil biß nach<lb/>
Mitter-Nacht ha&#x0364;tten gewartet/ und ha&#x0364;tten her-<lb/>
nach/ an &#x017F;tatt des Weines/ wieder mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0116] Unterſuchung derer von ſuper-klugen bin ich doch nie ſo gluͤcklich geweſen/ dieſes Wun- der-Werck nur zu ſehen/ geſchweige zu ſchme- cken. Dahero trage ich groſſen Zweiffel/ daß dieſes wahr ſey. Denn in der Natur iſts nicht/ daß aus Waſſer Wein werde; ſo wird gegen- theils auch aus dem Weine nicht natuͤrlicher Weiſe Waſſer/ ſondern/ wenn ſich der Wein veraͤndert/ ſo wird insgemein Eßig draus; wird aber kein Eßig daraus/ ſo wird er doch zu einer faulſchmeckenden Materie/ welches niemand vor ein reines Waſſer anſehen kan. Wenn denn nun mitten in der Chriſt-Nacht alles Waſſer Wein iſt/ wie koͤmmt es denn/ daß man nach Mitter-Nacht nicht noch gantze Teiche/ Brun- nen und Roͤhr-Kaͤſten voll Wein/ oder wenn der Wein ſich ja veraͤndert hat/ doch Wein-Eßig fin- det/ ſondern man findet nichts anders/ als pures Waſſer. Wenn es wahr waͤre/ daß das Waſ- ſer in der Chriſt-Nacht zu Weine wuͤrde/ ſo ſolte ich mir bald einbilden/ es ſey die Hochzeit zu Cana in Galilaͤa gleich am H. Weybnacht-Abend ge- weſen/ dahero es dem HErrn Chriſto nicht ſchwer gefallen/ das eingefuͤllete Waſſer eben zu der Zeit aufftragen zu laſſen/ da es zu Wein geworden. Aber das wuͤrde auch ſeyn ſchlimm heraus ge- kommen/ wenn die Gaͤſte zum Theil biß nach Mitter-Nacht haͤtten gewartet/ und haͤtten her- nach/ an ſtatt des Weines/ wieder muͤſſen Waſ- ſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/116
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/116>, abgerufen am 07.10.2024.