Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Anstalt durchaus für keine Schande halten, während
zugleich auch den Lehrern ihr Geschäfte durch die Theil-
nahme wohlgezogener Kinder erleichtert werden, und
schon das gute Beyspiel der letzteren auf minder gut
gezogene Kinder vortheilhaft wirken dürfte.

§. 65.

Daher sind auch die in Württemberg bereits be-
stehenden Jndustrie-Schulen zwar in manchen Orten
nur für solche Kinder, welche von ihren Eltern nicht
gehörig unterrichtet, vielmehr sich selbst überlassen, und
zum Holzsammeln oder gar zum Betteln angehalten
werden, überhaupt nur für arme Kinder bestimmt,
oder sie werden wenigstens nur von Kindern dieser
Classe besucht; größtentheils aber sind sie für alle,
sowohl reiche als arme Kinder
bestimmt, oder
werden wenigstens die ersteren auf Verlangen ebenfalls
zugelassen, und wirklich nehmen auch an vielen Orten
nicht nur einzelne, sondern zum Theil die meisten Kin-
der der Vermöglicheren, ja es nehmen sogar in eini-
gen Orten die Kinder der Reichen mehr, als die der
Armen, an der Anstalt Theil.

§. 66.

Jndessen dürfte die Besorgniß mancher Eltern, daß
durch die Gemeinschaft mit schlecht gezogenen Kindern
die ihrigen verdorben werden möchten, überhaupt der
Widerwille mancher Eltern gegen eine solche Gemein-
schaft doch auch wieder Berücksichtigung verdienen, und
es möchte daher kein Hinderniß in den Weg zu legen
seyn, wenn für die Kinder der gebildeteren
Stände
, so fern es unbeschadet des Raums und

Anſtalt durchaus fuͤr keine Schande halten, waͤhrend
zugleich auch den Lehrern ihr Geſchaͤfte durch die Theil-
nahme wohlgezogener Kinder erleichtert werden, und
ſchon das gute Beyſpiel der letzteren auf minder gut
gezogene Kinder vortheilhaft wirken duͤrfte.

§. 65.

Daher ſind auch die in Wuͤrttemberg bereits be-
ſtehenden Jnduſtrie-Schulen zwar in manchen Orten
nur fuͤr ſolche Kinder, welche von ihren Eltern nicht
gehoͤrig unterrichtet, vielmehr ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und
zum Holzſammeln oder gar zum Betteln angehalten
werden, uͤberhaupt nur fuͤr arme Kinder beſtimmt,
oder ſie werden wenigſtens nur von Kindern dieſer
Claſſe beſucht; groͤßtentheils aber ſind ſie fuͤr alle,
ſowohl reiche als arme Kinder
beſtimmt, oder
werden wenigſtens die erſteren auf Verlangen ebenfalls
zugelaſſen, und wirklich nehmen auch an vielen Orten
nicht nur einzelne, ſondern zum Theil die meiſten Kin-
der der Vermoͤglicheren, ja es nehmen ſogar in eini-
gen Orten die Kinder der Reichen mehr, als die der
Armen, an der Anſtalt Theil.

§. 66.

Jndeſſen duͤrfte die Beſorgniß mancher Eltern, daß
durch die Gemeinſchaft mit ſchlecht gezogenen Kindern
die ihrigen verdorben werden moͤchten, uͤberhaupt der
Widerwille mancher Eltern gegen eine ſolche Gemein-
ſchaft doch auch wieder Beruͤckſichtigung verdienen, und
es moͤchte daher kein Hinderniß in den Weg zu legen
ſeyn, wenn fuͤr die Kinder der gebildeteren
Staͤnde
, ſo fern es unbeſchadet des Raums und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0094" n="84"/>
An&#x017F;talt durchaus fu&#x0364;r keine Schande halten, wa&#x0364;hrend<lb/>
zugleich auch den Lehrern ihr Ge&#x017F;cha&#x0364;fte durch die Theil-<lb/>
nahme wohlgezogener Kinder erleichtert werden, und<lb/>
&#x017F;chon das gute Bey&#x017F;piel der letzteren auf minder gut<lb/>
gezogene Kinder vortheilhaft wirken du&#x0364;rfte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 65.</head><lb/>
        <p>Daher &#x017F;ind auch die in Wu&#x0364;rttemberg bereits be-<lb/>
&#x017F;tehenden Jndu&#x017F;trie-Schulen zwar in manchen Orten<lb/>
nur fu&#x0364;r &#x017F;olche Kinder, welche von ihren Eltern nicht<lb/>
geho&#x0364;rig unterrichtet, vielmehr &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
zum Holz&#x017F;ammeln oder gar zum Betteln angehalten<lb/>
werden, u&#x0364;berhaupt nur <hi rendition="#g">fu&#x0364;r arme Kinder</hi> be&#x017F;timmt,<lb/>
oder &#x017F;ie werden wenig&#x017F;tens nur von Kindern die&#x017F;er<lb/>
Cla&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;ucht; gro&#x0364;ßtentheils aber &#x017F;ind &#x017F;ie <hi rendition="#g">fu&#x0364;r alle,<lb/>
&#x017F;owohl reiche als arme Kinder</hi> be&#x017F;timmt, oder<lb/>
werden wenig&#x017F;tens die er&#x017F;teren auf Verlangen ebenfalls<lb/>
zugela&#x017F;&#x017F;en, und wirklich nehmen auch an vielen Orten<lb/>
nicht nur einzelne, &#x017F;ondern zum Theil die mei&#x017F;ten Kin-<lb/>
der der Vermo&#x0364;glicheren, ja es nehmen &#x017F;ogar in eini-<lb/>
gen Orten die Kinder der Reichen mehr, als die der<lb/>
Armen, an der An&#x017F;talt Theil.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 66.</head><lb/>
        <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en du&#x0364;rfte die Be&#x017F;orgniß mancher Eltern, daß<lb/>
durch die Gemein&#x017F;chaft mit &#x017F;chlecht gezogenen Kindern<lb/>
die ihrigen verdorben werden mo&#x0364;chten, u&#x0364;berhaupt der<lb/>
Widerwille mancher Eltern gegen eine &#x017F;olche Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft doch auch wieder Beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigung verdienen, und<lb/>
es mo&#x0364;chte daher kein Hinderniß in den Weg zu legen<lb/>
&#x017F;eyn, wenn <hi rendition="#g">fu&#x0364;r die Kinder der gebildeteren<lb/>
Sta&#x0364;nde</hi>, &#x017F;o fern es unbe&#x017F;chadet des Raums und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0094] Anſtalt durchaus fuͤr keine Schande halten, waͤhrend zugleich auch den Lehrern ihr Geſchaͤfte durch die Theil- nahme wohlgezogener Kinder erleichtert werden, und ſchon das gute Beyſpiel der letzteren auf minder gut gezogene Kinder vortheilhaft wirken duͤrfte. §. 65. Daher ſind auch die in Wuͤrttemberg bereits be- ſtehenden Jnduſtrie-Schulen zwar in manchen Orten nur fuͤr ſolche Kinder, welche von ihren Eltern nicht gehoͤrig unterrichtet, vielmehr ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und zum Holzſammeln oder gar zum Betteln angehalten werden, uͤberhaupt nur fuͤr arme Kinder beſtimmt, oder ſie werden wenigſtens nur von Kindern dieſer Claſſe beſucht; groͤßtentheils aber ſind ſie fuͤr alle, ſowohl reiche als arme Kinder beſtimmt, oder werden wenigſtens die erſteren auf Verlangen ebenfalls zugelaſſen, und wirklich nehmen auch an vielen Orten nicht nur einzelne, ſondern zum Theil die meiſten Kin- der der Vermoͤglicheren, ja es nehmen ſogar in eini- gen Orten die Kinder der Reichen mehr, als die der Armen, an der Anſtalt Theil. §. 66. Jndeſſen duͤrfte die Beſorgniß mancher Eltern, daß durch die Gemeinſchaft mit ſchlecht gezogenen Kindern die ihrigen verdorben werden moͤchten, uͤberhaupt der Widerwille mancher Eltern gegen eine ſolche Gemein- ſchaft doch auch wieder Beruͤckſichtigung verdienen, und es moͤchte daher kein Hinderniß in den Weg zu legen ſeyn, wenn fuͤr die Kinder der gebildeteren Staͤnde, ſo fern es unbeſchadet des Raums und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/94
Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/94>, abgerufen am 25.11.2024.