Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Art entgegengewirkt, und besonders zu Heilung bereits
verdorbener Geschöpfe allem aufgeboten werden.
Hiebey werden zwar in den meisten Fällen das gute
Beyspiel
anderer Kinder, eine elterlich-lieb-
reiche Behandlung, ein ruhiges kaltblüti-
ges Benehmen, sanfte Ermahnungen und
nachsichtige Zurechtweisungen
manche Strafe
ersparen können, und dabey doch mehr und sicherer
wirken, als ein allzurasches stürmisches Ver-
fahren
. Wenn jedoch ein Kind aller gütlichen Er-
mahnungen, Warnungen, und Zurechtweisungen un-
geachtet fortfährt, unfleißig, träge, geschwäzig, unor-
dentlich, unreinlich, unsittlich, unredlich, mürrisch,
eigensinnig, zänkisch, ungehorsam, lügenhaft, verläum-
derisch, überhaupt boßhaft zu seyn; so bleibt alsdann
nichts übrig, als mit wirklichen Strafen gegen das-
selbe vorzugehen. Muthwillige Beschädigungen an Ar-
beits-Materialien, Werkzeugen, Fabricaten, Fenstern,
Wänden etc. können nach Beschaffenheit der Umstände
durch Abzug an dem Arbeitslohn bestraft werden;
außerdem aber können die Strafen bestehen: im Her-
untersetzen solcher Kinder unter andere, welche sich vor-
theilhafter auszeichnen, im Ausschluß derselben aus dem
Kreise besserer Kinder, im Ausschlusse von der Anstalt
überhaupt auf kürzere oder längere Zeit, und im Aus-
schlusse von den den Kindern bereiteten Freuden. Selbst
Arrest und körperliche Züchtigungen zu gebrauchen muß
dem Jnstitut so gut, wie den Eltern selbst, deren
Stelle es in solchen Fällen vertritt, erlaubt seyn; doch
möchte es räthlich seyn, diese Mittel so sparsam als
möglich zu wählen, und in jedem Falle nur mit äußer-
ster Vorsicht, mit Ueberlegung und Mäßigung, mit
steter Rücksicht auf die Jndividualität der Kinder, und

Art entgegengewirkt, und beſonders zu Heilung bereits
verdorbener Geſchoͤpfe allem aufgeboten werden.
Hiebey werden zwar in den meiſten Faͤllen das gute
Beyſpiel
anderer Kinder, eine elterlich-lieb-
reiche Behandlung, ein ruhiges kaltbluͤti-
ges Benehmen, ſanfte Ermahnungen und
nachſichtige Zurechtweiſungen
manche Strafe
erſparen koͤnnen, und dabey doch mehr und ſicherer
wirken, als ein allzuraſches ſtuͤrmiſches Ver-
fahren
. Wenn jedoch ein Kind aller guͤtlichen Er-
mahnungen, Warnungen, und Zurechtweiſungen un-
geachtet fortfaͤhrt, unfleißig, traͤge, geſchwaͤzig, unor-
dentlich, unreinlich, unſittlich, unredlich, muͤrriſch,
eigenſinnig, zaͤnkiſch, ungehorſam, luͤgenhaft, verlaͤum-
deriſch, uͤberhaupt boßhaft zu ſeyn; ſo bleibt alsdann
nichts uͤbrig, als mit wirklichen Strafen gegen daſ-
ſelbe vorzugehen. Muthwillige Beſchaͤdigungen an Ar-
beits-Materialien, Werkzeugen, Fabricaten, Fenſtern,
Waͤnden ꝛc. koͤnnen nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde
durch Abzug an dem Arbeitslohn beſtraft werden;
außerdem aber koͤnnen die Strafen beſtehen: im Her-
unterſetzen ſolcher Kinder unter andere, welche ſich vor-
theilhafter auszeichnen, im Ausſchluß derſelben aus dem
Kreiſe beſſerer Kinder, im Ausſchluſſe von der Anſtalt
uͤberhaupt auf kuͤrzere oder laͤngere Zeit, und im Aus-
ſchluſſe von den den Kindern bereiteten Freuden. Selbſt
Arreſt und koͤrperliche Zuͤchtigungen zu gebrauchen muß
dem Jnſtitut ſo gut, wie den Eltern ſelbſt, deren
Stelle es in ſolchen Faͤllen vertritt, erlaubt ſeyn; doch
moͤchte es raͤthlich ſeyn, dieſe Mittel ſo ſparſam als
moͤglich zu waͤhlen, und in jedem Falle nur mit aͤußer-
ſter Vorſicht, mit Ueberlegung und Maͤßigung, mit
ſteter Ruͤckſicht auf die Jndividualitaͤt der Kinder, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="68"/>
Art entgegengewirkt, und be&#x017F;onders zu Heilung bereits<lb/><hi rendition="#g">verdorbener Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe</hi> allem aufgeboten werden.<lb/>
Hiebey werden zwar in den mei&#x017F;ten Fa&#x0364;llen das <hi rendition="#g">gute<lb/>
Bey&#x017F;piel</hi> anderer Kinder, eine <hi rendition="#g">elterlich-lieb-<lb/>
reiche Behandlung, ein ruhiges kaltblu&#x0364;ti-<lb/>
ges Benehmen, &#x017F;anfte Ermahnungen und<lb/>
nach&#x017F;ichtige Zurechtwei&#x017F;ungen</hi> manche Strafe<lb/>
er&#x017F;paren ko&#x0364;nnen, und dabey doch mehr und &#x017F;icherer<lb/>
wirken, als ein <hi rendition="#g">allzura&#x017F;ches &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ches Ver-<lb/>
fahren</hi>. Wenn jedoch ein Kind aller gu&#x0364;tlichen Er-<lb/>
mahnungen, Warnungen, und Zurechtwei&#x017F;ungen un-<lb/>
geachtet fortfa&#x0364;hrt, unfleißig, tra&#x0364;ge, ge&#x017F;chwa&#x0364;zig, unor-<lb/>
dentlich, unreinlich, un&#x017F;ittlich, unredlich, mu&#x0364;rri&#x017F;ch,<lb/>
eigen&#x017F;innig, za&#x0364;nki&#x017F;ch, ungehor&#x017F;am, lu&#x0364;genhaft, verla&#x0364;um-<lb/>
deri&#x017F;ch, u&#x0364;berhaupt boßhaft zu &#x017F;eyn; &#x017F;o bleibt alsdann<lb/>
nichts u&#x0364;brig, als mit wirklichen <hi rendition="#g">Strafen</hi> gegen da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe vorzugehen. Muthwillige Be&#x017F;cha&#x0364;digungen an Ar-<lb/>
beits-Materialien, Werkzeugen, Fabricaten, Fen&#x017F;tern,<lb/>
Wa&#x0364;nden &#xA75B;c. ko&#x0364;nnen nach Be&#x017F;chaffenheit der Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
durch Abzug an dem Arbeitslohn be&#x017F;traft werden;<lb/>
außerdem aber ko&#x0364;nnen die Strafen be&#x017F;tehen: im Her-<lb/>
unter&#x017F;etzen &#x017F;olcher Kinder unter andere, welche &#x017F;ich vor-<lb/>
theilhafter auszeichnen, im Aus&#x017F;chluß der&#x017F;elben aus dem<lb/>
Krei&#x017F;e be&#x017F;&#x017F;erer Kinder, im Aus&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e von der An&#x017F;talt<lb/>
u&#x0364;berhaupt auf ku&#x0364;rzere oder la&#x0364;ngere Zeit, und im Aus-<lb/>
&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e von den den Kindern bereiteten Freuden. Selb&#x017F;t<lb/>
Arre&#x017F;t und ko&#x0364;rperliche Zu&#x0364;chtigungen zu gebrauchen muß<lb/>
dem Jn&#x017F;titut &#x017F;o gut, wie den Eltern &#x017F;elb&#x017F;t, deren<lb/>
Stelle es in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen vertritt, erlaubt &#x017F;eyn; doch<lb/>
mo&#x0364;chte es ra&#x0364;thlich &#x017F;eyn, die&#x017F;e Mittel &#x017F;o &#x017F;par&#x017F;am als<lb/>
mo&#x0364;glich zu wa&#x0364;hlen, und in jedem Falle nur mit a&#x0364;ußer-<lb/>
&#x017F;ter Vor&#x017F;icht, mit Ueberlegung und Ma&#x0364;ßigung, mit<lb/>
&#x017F;teter Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die Jndividualita&#x0364;t der Kinder, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0078] Art entgegengewirkt, und beſonders zu Heilung bereits verdorbener Geſchoͤpfe allem aufgeboten werden. Hiebey werden zwar in den meiſten Faͤllen das gute Beyſpiel anderer Kinder, eine elterlich-lieb- reiche Behandlung, ein ruhiges kaltbluͤti- ges Benehmen, ſanfte Ermahnungen und nachſichtige Zurechtweiſungen manche Strafe erſparen koͤnnen, und dabey doch mehr und ſicherer wirken, als ein allzuraſches ſtuͤrmiſches Ver- fahren. Wenn jedoch ein Kind aller guͤtlichen Er- mahnungen, Warnungen, und Zurechtweiſungen un- geachtet fortfaͤhrt, unfleißig, traͤge, geſchwaͤzig, unor- dentlich, unreinlich, unſittlich, unredlich, muͤrriſch, eigenſinnig, zaͤnkiſch, ungehorſam, luͤgenhaft, verlaͤum- deriſch, uͤberhaupt boßhaft zu ſeyn; ſo bleibt alsdann nichts uͤbrig, als mit wirklichen Strafen gegen daſ- ſelbe vorzugehen. Muthwillige Beſchaͤdigungen an Ar- beits-Materialien, Werkzeugen, Fabricaten, Fenſtern, Waͤnden ꝛc. koͤnnen nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde durch Abzug an dem Arbeitslohn beſtraft werden; außerdem aber koͤnnen die Strafen beſtehen: im Her- unterſetzen ſolcher Kinder unter andere, welche ſich vor- theilhafter auszeichnen, im Ausſchluß derſelben aus dem Kreiſe beſſerer Kinder, im Ausſchluſſe von der Anſtalt uͤberhaupt auf kuͤrzere oder laͤngere Zeit, und im Aus- ſchluſſe von den den Kindern bereiteten Freuden. Selbſt Arreſt und koͤrperliche Zuͤchtigungen zu gebrauchen muß dem Jnſtitut ſo gut, wie den Eltern ſelbſt, deren Stelle es in ſolchen Faͤllen vertritt, erlaubt ſeyn; doch moͤchte es raͤthlich ſeyn, dieſe Mittel ſo ſparſam als moͤglich zu waͤhlen, und in jedem Falle nur mit aͤußer- ſter Vorſicht, mit Ueberlegung und Maͤßigung, mit ſteter Ruͤckſicht auf die Jndividualitaͤt der Kinder, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/78
Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/78>, abgerufen am 24.11.2024.