Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe diesen Morgen in die Stadt gekommen. Trotz seiner Amtsmiene lachte der Visitator hell auf. Ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe! rief er. Hat man je so etwas gehört und noch dazu von einem Laufner Schiffmann, denn das bist du doch nach deiner Kleidung und deinem ganzen Aussehn! Warum sagst du nicht rund heraus, eine Negerin oder Mohrin oder Mulattin oder was weiß ich! Ein Mädchen mit dunkler Gesichtsfarbe habe ich nicht gesehn, aber eine Mohrin ist herein heute früh, es war noch kaum grau -- Hanney hörte nicht mehr, er wußte genug und eilte fort; trotz des Scheltens hatte ihm die Stimme des bärbeißigen Mauthners wie die eines Engels geklungen! Franzel war also in Salzburg; er wußte den Namen ihrer Base, er konnte sie erfragen und durste hoffen, in einer Stunde ihr gegenüber treten und sie im Triumphe mit sich zurückführen zu können! Eben wollte er über die Straße gehn, als ein heranklingelnder Schlitten seine Blicke auf sich zog. Er erkannte trotz Pelzmütze und Mantelkragen den alten Schopper- und Zunftmeister, den Vater der schönen Wolfsind, und Diese neben ihm, eingemummt bis an die Augen, die ihm aber noch nie so scharf und so bissig vorgekommen waren, als diesmal. Bei ihrem Anblick fiel ihm erst ein, daß heute der letzte Tag der Dult oder des Jahrmarktes in Salzburg war, und daß Beide wohl, um Einkäufe zu machen, dahin fuhren ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe diesen Morgen in die Stadt gekommen. Trotz seiner Amtsmiene lachte der Visitator hell auf. Ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe! rief er. Hat man je so etwas gehört und noch dazu von einem Laufner Schiffmann, denn das bist du doch nach deiner Kleidung und deinem ganzen Aussehn! Warum sagst du nicht rund heraus, eine Negerin oder Mohrin oder Mulattin oder was weiß ich! Ein Mädchen mit dunkler Gesichtsfarbe habe ich nicht gesehn, aber eine Mohrin ist herein heute früh, es war noch kaum grau — Hanney hörte nicht mehr, er wußte genug und eilte fort; trotz des Scheltens hatte ihm die Stimme des bärbeißigen Mauthners wie die eines Engels geklungen! Franzel war also in Salzburg; er wußte den Namen ihrer Base, er konnte sie erfragen und durste hoffen, in einer Stunde ihr gegenüber treten und sie im Triumphe mit sich zurückführen zu können! Eben wollte er über die Straße gehn, als ein heranklingelnder Schlitten seine Blicke auf sich zog. Er erkannte trotz Pelzmütze und Mantelkragen den alten Schopper- und Zunftmeister, den Vater der schönen Wolfsind, und Diese neben ihm, eingemummt bis an die Augen, die ihm aber noch nie so scharf und so bissig vorgekommen waren, als diesmal. Bei ihrem Anblick fiel ihm erst ein, daß heute der letzte Tag der Dult oder des Jahrmarktes in Salzburg war, und daß Beide wohl, um Einkäufe zu machen, dahin fuhren <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0069"/> ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe diesen Morgen in die Stadt gekommen. Trotz seiner Amtsmiene lachte der Visitator hell auf. Ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe! rief er. Hat man je so etwas gehört und noch dazu von einem Laufner Schiffmann, denn das bist du doch nach deiner Kleidung und deinem ganzen Aussehn! Warum sagst du nicht rund heraus, eine Negerin oder Mohrin oder Mulattin oder was weiß ich! Ein Mädchen mit dunkler Gesichtsfarbe habe ich nicht gesehn, aber eine Mohrin ist herein heute früh, es war noch kaum grau — Hanney hörte nicht mehr, er wußte genug und eilte fort; trotz des Scheltens hatte ihm die Stimme des bärbeißigen Mauthners wie die eines Engels geklungen! Franzel war also in Salzburg; er wußte den Namen ihrer Base, er konnte sie erfragen und durste hoffen, in einer Stunde ihr gegenüber treten und sie im Triumphe mit sich zurückführen zu können!</p><lb/> <p>Eben wollte er über die Straße gehn, als ein heranklingelnder Schlitten seine Blicke auf sich zog. Er erkannte trotz Pelzmütze und Mantelkragen den alten Schopper- und Zunftmeister, den Vater der schönen Wolfsind, und Diese neben ihm, eingemummt bis an die Augen, die ihm aber noch nie so scharf und so bissig vorgekommen waren, als diesmal. Bei ihrem Anblick fiel ihm erst ein, daß heute der letzte Tag der Dult oder des Jahrmarktes in Salzburg war, und daß Beide wohl, um Einkäufe zu machen, dahin fuhren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe diesen Morgen in die Stadt gekommen. Trotz seiner Amtsmiene lachte der Visitator hell auf. Ein Mädchen von dunkler Gesichtsfarbe! rief er. Hat man je so etwas gehört und noch dazu von einem Laufner Schiffmann, denn das bist du doch nach deiner Kleidung und deinem ganzen Aussehn! Warum sagst du nicht rund heraus, eine Negerin oder Mohrin oder Mulattin oder was weiß ich! Ein Mädchen mit dunkler Gesichtsfarbe habe ich nicht gesehn, aber eine Mohrin ist herein heute früh, es war noch kaum grau — Hanney hörte nicht mehr, er wußte genug und eilte fort; trotz des Scheltens hatte ihm die Stimme des bärbeißigen Mauthners wie die eines Engels geklungen! Franzel war also in Salzburg; er wußte den Namen ihrer Base, er konnte sie erfragen und durste hoffen, in einer Stunde ihr gegenüber treten und sie im Triumphe mit sich zurückführen zu können!
Eben wollte er über die Straße gehn, als ein heranklingelnder Schlitten seine Blicke auf sich zog. Er erkannte trotz Pelzmütze und Mantelkragen den alten Schopper- und Zunftmeister, den Vater der schönen Wolfsind, und Diese neben ihm, eingemummt bis an die Augen, die ihm aber noch nie so scharf und so bissig vorgekommen waren, als diesmal. Bei ihrem Anblick fiel ihm erst ein, daß heute der letzte Tag der Dult oder des Jahrmarktes in Salzburg war, und daß Beide wohl, um Einkäufe zu machen, dahin fuhren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T11:20:55Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T11:20:55Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |