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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wohlbekannte weiche Stimme ihm ins Ohr und fragte ihn: Was hab' ich dir gethan? Dann wiederholte er sich diese Frage selbst immer und immer und suchte nach allerlei Vorwänden, um eine Antwort zu finden, aber er fand keinen, der ihn vor dem vorwurfsvollen Zuruf geschützt, keine Antwort, die ihn beruhigt hätte. Sie hat dir nichts -- gar nichts zu Leid gethan! mußte er sich immer selbst wieder sagen. Sie hat in gar nichts gefehlt, als daß sie den Worten eines schwachen unentschlossenen Menschen geglaubt, der ihr von Liebe vorsprach . . . daß sie nicht bei der ersten Annäherung ihn von sich gestoßen, der nicht den Muth hatte, diese Worte vor Andern zu wiederholen, der sich ihrer geschämt und vom Gelächter der Leute sich hinreißen ließ, sie zu verleugnen. So sehr er sich abmühte, er konnte an Franzel keinen Makel finden, als daß sie nicht die weiße Farbe des Landes trug... wie schmachvoll und unedel stund dagegen er neben ihr! Statt ihr zu helfen, wie er ihr versprochen, hatte er sie erst völlig zu Grunde gerichtet, denn er hatte ihr auch die Ruhe des Herzens genommen, hatte ihre unschuldige Dankbarkeit entflammt, bis sie Liebe geworden war, und das Alles nur, um Liebe und Dankbarkeit mit Einem höhnischen Schlage dem Gelächter preis zu geben. Die Arme hatte Recht gehabt: sie war wirklich die Königin von Saba, und noch unglücklicher -- denn diese konnte den Mann ihres Herzens lieben und achten, indem sie ihn von sich stieß... Wie mußte sie dagegen von ihm denken! . .

wohlbekannte weiche Stimme ihm ins Ohr und fragte ihn: Was hab' ich dir gethan? Dann wiederholte er sich diese Frage selbst immer und immer und suchte nach allerlei Vorwänden, um eine Antwort zu finden, aber er fand keinen, der ihn vor dem vorwurfsvollen Zuruf geschützt, keine Antwort, die ihn beruhigt hätte. Sie hat dir nichts — gar nichts zu Leid gethan! mußte er sich immer selbst wieder sagen. Sie hat in gar nichts gefehlt, als daß sie den Worten eines schwachen unentschlossenen Menschen geglaubt, der ihr von Liebe vorsprach . . . daß sie nicht bei der ersten Annäherung ihn von sich gestoßen, der nicht den Muth hatte, diese Worte vor Andern zu wiederholen, der sich ihrer geschämt und vom Gelächter der Leute sich hinreißen ließ, sie zu verleugnen. So sehr er sich abmühte, er konnte an Franzel keinen Makel finden, als daß sie nicht die weiße Farbe des Landes trug... wie schmachvoll und unedel stund dagegen er neben ihr! Statt ihr zu helfen, wie er ihr versprochen, hatte er sie erst völlig zu Grunde gerichtet, denn er hatte ihr auch die Ruhe des Herzens genommen, hatte ihre unschuldige Dankbarkeit entflammt, bis sie Liebe geworden war, und das Alles nur, um Liebe und Dankbarkeit mit Einem höhnischen Schlage dem Gelächter preis zu geben. Die Arme hatte Recht gehabt: sie war wirklich die Königin von Saba, und noch unglücklicher — denn diese konnte den Mann ihres Herzens lieben und achten, indem sie ihn von sich stieß... Wie mußte sie dagegen von ihm denken! . .

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[0066] wohlbekannte weiche Stimme ihm ins Ohr und fragte ihn: Was hab' ich dir gethan? Dann wiederholte er sich diese Frage selbst immer und immer und suchte nach allerlei Vorwänden, um eine Antwort zu finden, aber er fand keinen, der ihn vor dem vorwurfsvollen Zuruf geschützt, keine Antwort, die ihn beruhigt hätte. Sie hat dir nichts — gar nichts zu Leid gethan! mußte er sich immer selbst wieder sagen. Sie hat in gar nichts gefehlt, als daß sie den Worten eines schwachen unentschlossenen Menschen geglaubt, der ihr von Liebe vorsprach . . . daß sie nicht bei der ersten Annäherung ihn von sich gestoßen, der nicht den Muth hatte, diese Worte vor Andern zu wiederholen, der sich ihrer geschämt und vom Gelächter der Leute sich hinreißen ließ, sie zu verleugnen. So sehr er sich abmühte, er konnte an Franzel keinen Makel finden, als daß sie nicht die weiße Farbe des Landes trug... wie schmachvoll und unedel stund dagegen er neben ihr! Statt ihr zu helfen, wie er ihr versprochen, hatte er sie erst völlig zu Grunde gerichtet, denn er hatte ihr auch die Ruhe des Herzens genommen, hatte ihre unschuldige Dankbarkeit entflammt, bis sie Liebe geworden war, und das Alles nur, um Liebe und Dankbarkeit mit Einem höhnischen Schlage dem Gelächter preis zu geben. Die Arme hatte Recht gehabt: sie war wirklich die Königin von Saba, und noch unglücklicher — denn diese konnte den Mann ihres Herzens lieben und achten, indem sie ihn von sich stieß... Wie mußte sie dagegen von ihm denken! . .

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/66>, abgerufen am 19.05.2024.