Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

liebten Heimath in rührender Weise aussprach. Franzel declamirte nicht; sie sprach so voll ächten Gefühls, daß er sein eigenes Gedicht fast nicht mehr erkannte. Die Schlußstrophe lautete:

Die Donau rauscht -- ich kann es wohl errathen, Das ist die Salzach, die daraus mich grüßt, Die durch das Reich so vieler Potentaten Mit ihr vereint und doch gesondert fließt! Das Rauschen thut, als wenn dir in den Ohren Ein unbekanntes fernes Klingen saus't; -- Ich möchte sterben, wo ich bin geboren, Im lieben Land, wo meine Salzach braus't!

Die Nachbarin war bei den letzten Worten aus der Kammer getreten und hörte verwundert zu. Hanney stand auf. Du hast gesagt, du willst morgen fort, Franzel, sagte er. Thu's nicht; bleib noch da -- bleib nur noch acht Tage, und ich will Alles daran setzen, daß ich deinen Wunsch erfüllen kann. Willst du?

Mit leuchtenden Augen gelobte es Franzel, und während er sich zu der Alten wandte, um ihr Stillschweigen über das Gehörte aufzutragen, war sie rasch und lautlos verschwunden, wie sie gekommen war. Auch die Alte ging kopfschüttelnd und voll Verwunderung; Hanney aber blieb allein in einer Fülle von Gedanken und Vorstellungen, die ihn umgab und sich zu immer klareren Bildern gestaltete, bis er trotz Unruhe und Aufregung entschlief. --

Acht Tage waren vorüber; da saß der alte Zunft-

liebten Heimath in rührender Weise aussprach. Franzel declamirte nicht; sie sprach so voll ächten Gefühls, daß er sein eigenes Gedicht fast nicht mehr erkannte. Die Schlußstrophe lautete:

Die Donau rauscht — ich kann es wohl errathen, Das ist die Salzach, die daraus mich grüßt, Die durch das Reich so vieler Potentaten Mit ihr vereint und doch gesondert fließt! Das Rauschen thut, als wenn dir in den Ohren Ein unbekanntes fernes Klingen saus't; — Ich möchte sterben, wo ich bin geboren, Im lieben Land, wo meine Salzach braus't!

Die Nachbarin war bei den letzten Worten aus der Kammer getreten und hörte verwundert zu. Hanney stand auf. Du hast gesagt, du willst morgen fort, Franzel, sagte er. Thu's nicht; bleib noch da — bleib nur noch acht Tage, und ich will Alles daran setzen, daß ich deinen Wunsch erfüllen kann. Willst du?

Mit leuchtenden Augen gelobte es Franzel, und während er sich zu der Alten wandte, um ihr Stillschweigen über das Gehörte aufzutragen, war sie rasch und lautlos verschwunden, wie sie gekommen war. Auch die Alte ging kopfschüttelnd und voll Verwunderung; Hanney aber blieb allein in einer Fülle von Gedanken und Vorstellungen, die ihn umgab und sich zu immer klareren Bildern gestaltete, bis er trotz Unruhe und Aufregung entschlief. —

Acht Tage waren vorüber; da saß der alte Zunft-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0049"/>
liebten Heimath in rührender Weise aussprach. Franzel declamirte                nicht; sie sprach so voll ächten Gefühls, daß er sein eigenes Gedicht fast nicht mehr                erkannte. Die Schlußstrophe lautete:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Die Donau rauscht &#x2014; ich kann es wohl errathen,</l>
          <l>Das ist die Salzach, die daraus mich grüßt,</l>
          <l>Die durch das Reich so vieler Potentaten</l>
          <l>Mit ihr vereint und doch gesondert fließt!</l>
          <l>Das Rauschen thut, als wenn dir in den Ohren</l>
          <l>Ein unbekanntes fernes Klingen saus't;</l>
          <l>&#x2014; Ich möchte sterben, wo ich bin geboren,</l>
          <l>Im lieben Land, wo meine Salzach braus't!</l>
        </lg>
        <p>Die Nachbarin war bei den letzten Worten aus der Kammer getreten und hörte verwundert                zu. Hanney stand auf. Du hast gesagt, du willst morgen fort, Franzel, sagte er. Thu's                nicht; bleib noch da &#x2014; bleib nur noch acht Tage, und ich will Alles daran setzen, daß                ich deinen Wunsch erfüllen kann. Willst du?</p><lb/>
        <p>Mit leuchtenden Augen gelobte es Franzel, und während er sich zu der Alten wandte, um                ihr Stillschweigen über das Gehörte aufzutragen, war sie rasch und lautlos                verschwunden, wie sie gekommen war. Auch die Alte ging kopfschüttelnd und voll                Verwunderung; Hanney aber blieb allein in einer Fülle von Gedanken und Vorstellungen,                die ihn umgab und sich zu immer klareren Bildern gestaltete, bis er trotz Unruhe und                Aufregung entschlief. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Acht Tage waren vorüber; da saß der alte Zunft-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] liebten Heimath in rührender Weise aussprach. Franzel declamirte nicht; sie sprach so voll ächten Gefühls, daß er sein eigenes Gedicht fast nicht mehr erkannte. Die Schlußstrophe lautete: Die Donau rauscht — ich kann es wohl errathen, Das ist die Salzach, die daraus mich grüßt, Die durch das Reich so vieler Potentaten Mit ihr vereint und doch gesondert fließt! Das Rauschen thut, als wenn dir in den Ohren Ein unbekanntes fernes Klingen saus't; — Ich möchte sterben, wo ich bin geboren, Im lieben Land, wo meine Salzach braus't! Die Nachbarin war bei den letzten Worten aus der Kammer getreten und hörte verwundert zu. Hanney stand auf. Du hast gesagt, du willst morgen fort, Franzel, sagte er. Thu's nicht; bleib noch da — bleib nur noch acht Tage, und ich will Alles daran setzen, daß ich deinen Wunsch erfüllen kann. Willst du? Mit leuchtenden Augen gelobte es Franzel, und während er sich zu der Alten wandte, um ihr Stillschweigen über das Gehörte aufzutragen, war sie rasch und lautlos verschwunden, wie sie gekommen war. Auch die Alte ging kopfschüttelnd und voll Verwunderung; Hanney aber blieb allein in einer Fülle von Gedanken und Vorstellungen, die ihn umgab und sich zu immer klareren Bildern gestaltete, bis er trotz Unruhe und Aufregung entschlief. — Acht Tage waren vorüber; da saß der alte Zunft-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/49
Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/49>, abgerufen am 24.11.2024.