Schmeizel, Martin: Einleitung Zur Staats-Wissenschafft. Halle, 1732.Vorrede. Frucht der Eigen-Liebe, diese aber uns Men-schen gar zu nahe am Hertzen lieget; ein sehr hefftiger Affect und von solcher Art ist, daß, wenn man demselben den Zügel ein wenig zu viel fallen läßt, er gar leicht aus dem gehöri- gen Schrancken steigen und der Sache zu viel thun, d. i. Wind machen kan; als habe dem zu folge, mir vorgenommen, mit dir, mein Leser, gantz was anders zu reden. Aus der vor- hergehenden Zuschrifft, hast du unter andern auch dieses vernommen, daß ein rechtschaffe- ner Lehrer auf Universitäten müsse fleißig seyn. Denn wer sich einbildet, faullentzen, die Besoldung mit Sünde verdienen, und auf das Verlangen so vieler Studirenden wenig oder gar nicht reflectiren, sey das Proprium eines Academischen Lehrers, mein, der hat ei- nen nichts-würdigen Begriff von einem sol- chen Manne. Sprichst du aber, man hat gleichwohl Exempel: so antworte ich dir, daß du einem solchen, ungescheut und nomine pu- blico, unter die Augen sagen solt: daß er we- der Ehre, noch Gewissen, am wenigsten, nur ein gehöriges Nachsinnen in seinem Hertzen habe, sich selbst zu fragen: was machest du? Ferner ist dir an besagtem Ort bekannt wor- den, daß der Fleiß durch gehörige Proben müsse dargethan werden, mündlich, schrifft- lich,
Vorrede. Frucht der Eigen-Liebe, dieſe aber uns Men-ſchen gar zu nahe am Hertzen lieget; ein ſehr hefftiger Affect und von ſolcher Art iſt, daß, wenn man demſelben den Zuͤgel ein wenig zu viel fallen laͤßt, er gar leicht aus dem gehoͤri- gen Schrancken ſteigen und der Sache zu viel thun, d. i. Wind machen kan; als habe dem zu folge, mir vorgenom̃en, mit dir, mein Leſer, gantz was anders zu reden. Aus der vor- hergehenden Zuſchrifft, haſt du unter andern auch dieſes vernommen, daß ein rechtſchaffe- ner Lehrer auf Univerſitaͤten muͤſſe fleißig ſeyn. Denn wer ſich einbildet, faullentzen, die Beſoldung mit Suͤnde verdienen, und auf das Verlangen ſo vieler Studirenden wenig oder gar nicht reflectiren, ſey das Proprium eines Academiſchen Lehrers, mein, der hat ei- nen nichts-wuͤrdigen Begriff von einem ſol- chen Manne. Sprichſt du aber, man hat gleichwohl Exempel: ſo antworte ich dir, daß du einem ſolchen, ungeſcheut und nomine pu- blico, unter die Augen ſagen ſolt: daß er we- der Ehre, noch Gewiſſen, am wenigſten, nur ein gehoͤriges Nachſinnen in ſeinem Hertzen habe, ſich ſelbſt zu fragen: was macheſt du? Ferner iſt dir an beſagtem Ort bekannt wor- den, daß der Fleiß durch gehoͤrige Proben muͤſſe dargethan werden, muͤndlich, ſchrifft- lich,
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Vorrede.
Frucht der Eigen-Liebe, dieſe aber uns Men-
ſchen gar zu nahe am Hertzen lieget; ein ſehr
hefftiger Affect und von ſolcher Art iſt, daß,
wenn man demſelben den Zuͤgel ein wenig zu
viel fallen laͤßt, er gar leicht aus dem gehoͤri-
gen Schrancken ſteigen und der Sache zu viel
thun, d. i. Wind machen kan; als habe dem zu
folge, mir vorgenom̃en, mit dir, mein Leſer,
gantz was anders zu reden. Aus der vor-
hergehenden Zuſchrifft, haſt du unter andern
auch dieſes vernommen, daß ein rechtſchaffe-
ner Lehrer auf Univerſitaͤten muͤſſe fleißig
ſeyn. Denn wer ſich einbildet, faullentzen,
die Beſoldung mit Suͤnde verdienen, und auf
das Verlangen ſo vieler Studirenden wenig
oder gar nicht reflectiren, ſey das Proprium
eines Academiſchen Lehrers, mein, der hat ei-
nen nichts-wuͤrdigen Begriff von einem ſol-
chen Manne. Sprichſt du aber, man hat
gleichwohl Exempel: ſo antworte ich dir, daß
du einem ſolchen, ungeſcheut und nomine pu-
blico, unter die Augen ſagen ſolt: daß er we-
der Ehre, noch Gewiſſen, am wenigſten, nur
ein gehoͤriges Nachſinnen in ſeinem Hertzen
habe, ſich ſelbſt zu fragen: was macheſt du?
Ferner iſt dir an beſagtem Ort bekannt wor-
den, daß der Fleiß durch gehoͤrige Proben
muͤſſe dargethan werden, muͤndlich, ſchrifft-
lich,
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