possenreissen, soll nur der Hr. Consistorial- Rath nicht, und wegen einiger Feler nicht ein ganzes Buch in die Pfanne hauen.
Mich deucht, sehr viele Recensenten sün- digen gegen diese Abrechnungs-Regel der Billigkeit. So eben lese ich ein neues Bei- spiel davon: Chalotais wird von jemanden ausgescholten, weil er "sehr schwache Stel- len habe, und hin und wieder für Deutsch- land unanwendbar sei". Eingestanden, Cha- lotais hat schwache Stellen, so schwache, daß ich nicht einmal für nötig hielt, sie in den Anmerkungen zu rügen: aber hat er nicht sehr gute, ganz neue, sehr viele gute und neue Stellen? Und welcher Leser ist so eckel oder so unökonomisch, der lieber 90 gute Stellen entraten wollte, nur um nicht 10 schlechte mit lesen zu müssen?
Eine andre Regel von Recensentenbil- ligkeit liegt in der Verschiedenheit der Ma- terie, die die Schriftsteller in gleichem Rau- me von Bogen bearbeiten. Zwanzig Feler in Einem Alphabete alter Nordischer Ge- schichte machen dem Jrrenden weniger Schan- de, als 10 Feler von der Art in zwei Al- phabeten deutscher Geschichte: wie ungleich gut ist in dieser, wie schlecht in jener, vorge-
arbeitet;
poſſenreiſſen, ſoll nur der Hr. Conſiſtorial- Rath nicht, und wegen einiger Feler nicht ein ganzes Buch in die Pfanne hauen.
Mich deucht, ſehr viele Recenſenten ſuͤn- digen gegen dieſe Abrechnungs-Regel der Billigkeit. So eben leſe ich ein neues Bei- ſpiel davon: Chalotais wird von jemanden ausgeſcholten, weil er “ſehr ſchwache Stel- len habe, und hin und wieder fuͤr Deutſch- land unanwendbar ſei„. Eingeſtanden, Cha- lotais hat ſchwache Stellen, ſo ſchwache, daß ich nicht einmal fuͤr noͤtig hielt, ſie in den Anmerkungen zu ruͤgen: aber hat er nicht ſehr gute, ganz neue, ſehr viele gute und neue Stellen? Und welcher Leſer iſt ſo eckel oder ſo unoͤkonomiſch, der lieber 90 gute Stellen entraten wollte, nur um nicht 10 ſchlechte mit leſen zu muͤſſen?
Eine andre Regel von Recenſentenbil- ligkeit liegt in der Verſchiedenheit der Ma- terie, die die Schriftſteller in gleichem Rau- me von Bogen bearbeiten. Zwanzig Feler in Einem Alphabete alter Nordiſcher Ge- ſchichte machen dem Jrrenden weniger Schan- de, als 10 Feler von der Art in zwei Al- phabeten deutſcher Geſchichte: wie ungleich gut iſt in dieſer, wie ſchlecht in jener, vorge-
arbeitet;
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[251[27]/0047]
poſſenreiſſen, ſoll nur der Hr. Conſiſtorial-
Rath nicht, und wegen einiger Feler nicht
ein ganzes Buch in die Pfanne hauen.
Mich deucht, ſehr viele Recenſenten ſuͤn-
digen gegen dieſe Abrechnungs-Regel der
Billigkeit. So eben leſe ich ein neues Bei-
ſpiel davon: Chalotais wird von jemanden
ausgeſcholten, weil er “ſehr ſchwache Stel-
len habe, und hin und wieder fuͤr Deutſch-
land unanwendbar ſei„. Eingeſtanden, Cha-
lotais hat ſchwache Stellen, ſo ſchwache,
daß ich nicht einmal fuͤr noͤtig hielt, ſie in
den Anmerkungen zu ruͤgen: aber hat er
nicht ſehr gute, ganz neue, ſehr viele gute
und neue Stellen? Und welcher Leſer iſt ſo
eckel oder ſo unoͤkonomiſch, der lieber 90
gute Stellen entraten wollte, nur um nicht
10 ſchlechte mit leſen zu muͤſſen?
Eine andre Regel von Recenſentenbil-
ligkeit liegt in der Verſchiedenheit der Ma-
terie, die die Schriftſteller in gleichem Rau-
me von Bogen bearbeiten. Zwanzig Feler
in Einem Alphabete alter Nordiſcher Ge-
ſchichte machen dem Jrrenden weniger Schan-
de, als 10 Feler von der Art in zwei Al-
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Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 251[27]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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