Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

zu ihrem Gebiete gehöret. Theater ist ih-
nen, bei weitem, die allerwichtigste Staats-
Einrichtung: gegen einen naiven Gassen-
hauer ist ihnen Metaphysik, Dogmatik, und
Acten nichts: und für Virgils Culex wür-
den sie das ganze bürgerliche peinliche und
Stats-Recht hingeben *. 2) Sie vergessen,

daß

* Schauspiele z. Ex. verachtet niemand;
aber eben finde ich in den Leipz. Zeitung.
folgende Ausdrücke eines Belletristen vom
Theaterwesen ausgezeichnet: wer erkennet
nicht die Schaubühne für die edelste Schu-
le der Tugend und Sitten, für die Zier-
de eines Volks, auf dessen erlangte mora-
lische Größe sich von der Vollkommenheit
seines Theaters nicht unsicher schließen
loeßt. Bei dieser moralischen Größe fällt
einem Historiker notwendig der Janhagel
von Athen zu Demosthenis Zeiten, und das
panem & Circenses der späteren Römer
ein. -- So wünscht Hr. Herder (von
deutscher Art und Kunst S. 52) mit
Recht, daß man unsre deutsche Volkslie-
der, und wäre es auch auf Strassen und
Gassen und Fischmärkten, sammlen solle;
aber seine Klage, daß sich niemand darum
bekümmert, sollte er nicht mit dem höhni-
schen Zusatze schliessen: wir haben ja Me-
taphysik und Dogmatik und Acten. Möch-

B b 2

zu ihrem Gebiete gehoͤret. Theater iſt ih-
nen, bei weitem, die allerwichtigſte Staats-
Einrichtung: gegen einen naiven Gaſſen-
hauer iſt ihnen Metaphyſik, Dogmatik, und
Acten nichts: und fuͤr Virgils Culex wuͤr-
den ſie das ganze buͤrgerliche peinliche und
Stats-Recht hingeben *. 2) Sie vergeſſen,

daß

* Schauſpiele z. Ex. verachtet niemand;
aber eben finde ich in den Leipz. Zeitung.
folgende Ausdruͤcke eines Belletriſten vom
Theaterweſen ausgezeichnet: wer erkennet
nicht die Schaubühne für die edelſte Schu-
le der Tugend und Sitten, für die Zier-
de eines Volks, auf deſſen erlangte mora-
liſche Größe ſich von der Vollkommenheit
ſeines Theaters nicht unſicher ſchließen
lœßt. Bei dieſer moraliſchen Größe faͤllt
einem Hiſtoriker notwendig der Janhagel
von Athen zu Demoſthenis Zeiten, und das
panem & Circenſes der ſpaͤteren Roͤmer
ein. — So wuͤnſcht Hr. Herder (von
deutſcher Art und Kunſt S. 52) mit
Recht, daß man unſre deutſche Volkslie-
der, und waͤre es auch auf Straſſen und
Gaſſen und Fiſchmaͤrkten, ſammlen ſolle;
aber ſeine Klage, daß ſich niemand darum
bekuͤmmert, ſollte er nicht mit dem hoͤhni-
ſchen Zuſatze ſchlieſſen: wir haben ja Me-
taphyſik und Dogmatik und Acten. Moͤch-

B b 2

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="387[163]"/>
zu ihrem Gebiete geho&#x0364;ret. <hi rendition="#fr">Theater</hi> i&#x017F;t ih-<lb/>
nen, bei weitem, die allerwichtig&#x017F;te Staats-<lb/>
Einrichtung: gegen einen naiven <hi rendition="#fr">Ga&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
hauer</hi> i&#x017F;t ihnen Metaphy&#x017F;ik, Dogmatik, und<lb/>
Acten nichts: und fu&#x0364;r Virgils <hi rendition="#fr">Culex</hi> wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ie das ganze bu&#x0364;rgerliche peinliche und<lb/>
Stats-Recht hingeben <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="*"><hi rendition="#fr">Schau&#x017F;piele</hi> z. Ex. verachtet niemand;<lb/>
aber eben finde ich in den <hi rendition="#fr">Leipz. Zeitung.</hi><lb/>
folgende Ausdru&#x0364;cke eines Belletri&#x017F;ten vom<lb/>
Theaterwe&#x017F;en ausgezeichnet: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">wer erkennet<lb/>
nicht die Schaubühne für die</hi> edel&#x017F;te Schu-<lb/>
le <hi rendition="#i">der</hi> Tugend <hi rendition="#i">und</hi> Sitten, <hi rendition="#i">für die</hi> Zier-<lb/>
de <hi rendition="#i">eines Volks, auf de&#x017F;&#x017F;en erlangte</hi> mora-<lb/>
li&#x017F;che Größe <hi rendition="#i">&#x017F;ich von der Vollkommenheit<lb/>
&#x017F;eines Theaters</hi> nicht un&#x017F;icher <hi rendition="#i">&#x017F;chließen<lb/>
l&#x0153;ßt.</hi></hi> Bei die&#x017F;er <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">morali&#x017F;chen Größe</hi></hi> fa&#x0364;llt<lb/>
einem Hi&#x017F;toriker notwendig der Janhagel<lb/>
von Athen zu Demo&#x017F;thenis Zeiten, und das<lb/><hi rendition="#aq">panem &amp; Circen&#x017F;es</hi> der &#x017F;pa&#x0364;teren Ro&#x0364;mer<lb/>
ein. &#x2014; So wu&#x0364;n&#x017F;cht Hr. Herder (<hi rendition="#fr">von<lb/>
deut&#x017F;cher Art</hi> und <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t</hi> S. 52) mit<lb/>
Recht, daß man un&#x017F;re deut&#x017F;che Volkslie-<lb/>
der, und wa&#x0364;re es auch auf Stra&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;en und Fi&#x017F;chma&#x0364;rkten, &#x017F;ammlen &#x017F;olle;<lb/>
aber &#x017F;eine Klage, daß &#x017F;ich niemand darum<lb/>
beku&#x0364;mmert, &#x017F;ollte er nicht mit dem ho&#x0364;hni-<lb/>
&#x017F;chen Zu&#x017F;atze &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">wir haben ja Me-<lb/>
taphy&#x017F;ik und Dogmatik und Acten.</hi></hi> Mo&#x0364;ch-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 2</fw><fw place="bottom" type="catch">te</fw></note>. 2) Sie verge&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[387[163]/0183] zu ihrem Gebiete gehoͤret. Theater iſt ih- nen, bei weitem, die allerwichtigſte Staats- Einrichtung: gegen einen naiven Gaſſen- hauer iſt ihnen Metaphyſik, Dogmatik, und Acten nichts: und fuͤr Virgils Culex wuͤr- den ſie das ganze buͤrgerliche peinliche und Stats-Recht hingeben *. 2) Sie vergeſſen, daß * Schauſpiele z. Ex. verachtet niemand; aber eben finde ich in den Leipz. Zeitung. folgende Ausdruͤcke eines Belletriſten vom Theaterweſen ausgezeichnet: wer erkennet nicht die Schaubühne für die edelſte Schu- le der Tugend und Sitten, für die Zier- de eines Volks, auf deſſen erlangte mora- liſche Größe ſich von der Vollkommenheit ſeines Theaters nicht unſicher ſchließen lœßt. Bei dieſer moraliſchen Größe faͤllt einem Hiſtoriker notwendig der Janhagel von Athen zu Demoſthenis Zeiten, und das panem & Circenſes der ſpaͤteren Roͤmer ein. — So wuͤnſcht Hr. Herder (von deutſcher Art und Kunſt S. 52) mit Recht, daß man unſre deutſche Volkslie- der, und waͤre es auch auf Straſſen und Gaſſen und Fiſchmaͤrkten, ſammlen ſolle; aber ſeine Klage, daß ſich niemand darum bekuͤmmert, ſollte er nicht mit dem hoͤhni- ſchen Zuſatze ſchlieſſen: wir haben ja Me- taphyſik und Dogmatik und Acten. Moͤch- te B b 2

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/183
Zitationshilfe:	Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 2. Göttingen u. a., 1773, S. 387[163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie02_1773/183>, abgerufen am 27.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.