Das menschliche Geschlecht war ur- sprünglich Eine Familie. Nach seinem An- wachse vertheilte und verlief es sich in alle Gegenden. Handel, Reisen, und Zufälle machten diese zerstreuten Haufen einander wieder bekannt; die Eroberer zwangen meh- rere wieder in eine Verbindung zusammen: aber eine allgemeine Vereinigung hat, seit der Schöpfung, weder der Jäger Nimrod, noch der Papst Hildebrand, noch der Kö- nig Heinrich IV, noch der Abt St. Pierre, bewirken können. Jndessen die Zerstreuung machte keine Einsiedler; der Trieb der Ge- selligkeit, durch das Bedürfniß rege gemacht, hielt doch einzelne Haufen zusammen, die ewige Gesellschaften, Horden, Gauen, Re- publiken, Königreiche, Kaiserthümer, oder Staten errichteten. Diese Horden oder Sta- ten entstanden, wuchsen aus sich selber an, verbanden sich mit mehreren Horden, trenn- ten sich wie Polypen, und lebten beide fort, oder wurden schwach und starben, wie ein-
zelne
Kap. I. §. 9.
Das menſchliche Geſchlecht war ur- ſpruͤnglich Eine Familie. Nach ſeinem An- wachſe vertheilte und verlief es ſich in alle Gegenden. Handel, Reiſen, und Zufaͤlle machten dieſe zerſtreuten Haufen einander wieder bekannt; die Eroberer zwangen meh- rere wieder in eine Verbindung zuſammen: aber eine allgemeine Vereinigung hat, ſeit der Schoͤpfung, weder der Jaͤger Nimrod, noch der Papſt Hildebrand, noch der Koͤ- nig Heinrich IV, noch der Abt St. Pierre, bewirken koͤnnen. Jndeſſen die Zerſtreuung machte keine Einſiedler; der Trieb der Ge- ſelligkeit, durch das Beduͤrfniß rege gemacht, hielt doch einzelne Haufen zuſammen, die ewige Geſellſchaften, Horden, Gauen, Re- publiken, Koͤnigreiche, Kaiſerthuͤmer, oder Staten errichteten. Dieſe Horden oder Sta- ten entſtanden, wuchſen aus ſich ſelber an, verbanden ſich mit mehreren Horden, trenn- ten ſich wie Polypen, und lebten beide fort, oder wurden ſchwach und ſtarben, wie ein-
zelne
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0028"n="16"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> §. 9.</hi></fw><lb/><p>Das menſchliche Geſchlecht war ur-<lb/>ſpruͤnglich Eine Familie. Nach ſeinem An-<lb/>
wachſe vertheilte und verlief es ſich in alle<lb/>
Gegenden. Handel, Reiſen, und Zufaͤlle<lb/>
machten dieſe zerſtreuten Haufen einander<lb/>
wieder bekannt; die Eroberer zwangen meh-<lb/>
rere wieder in eine Verbindung zuſammen:<lb/>
aber eine allgemeine Vereinigung hat, ſeit<lb/>
der Schoͤpfung, weder der Jaͤger Nimrod,<lb/>
noch der Papſt Hildebrand, noch der Koͤ-<lb/>
nig Heinrich <hirendition="#aq">IV,</hi> noch der Abt St. Pierre,<lb/>
bewirken koͤnnen. Jndeſſen die Zerſtreuung<lb/>
machte keine Einſiedler; der Trieb der Ge-<lb/>ſelligkeit, durch das Beduͤrfniß rege gemacht,<lb/>
hielt doch einzelne Haufen zuſammen, die<lb/>
ewige Geſellſchaften, Horden, Gauen, Re-<lb/>
publiken, Koͤnigreiche, Kaiſerthuͤmer, oder<lb/>
Staten errichteten. Dieſe Horden oder Sta-<lb/>
ten entſtanden, wuchſen aus ſich ſelber an,<lb/>
verbanden ſich mit mehreren Horden, trenn-<lb/>
ten ſich wie Polypen, und lebten beide fort,<lb/>
oder wurden ſchwach und ſtarben, wie ein-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zelne</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[16/0028]
Kap. I. §. 9.
Das menſchliche Geſchlecht war ur-
ſpruͤnglich Eine Familie. Nach ſeinem An-
wachſe vertheilte und verlief es ſich in alle
Gegenden. Handel, Reiſen, und Zufaͤlle
machten dieſe zerſtreuten Haufen einander
wieder bekannt; die Eroberer zwangen meh-
rere wieder in eine Verbindung zuſammen:
aber eine allgemeine Vereinigung hat, ſeit
der Schoͤpfung, weder der Jaͤger Nimrod,
noch der Papſt Hildebrand, noch der Koͤ-
nig Heinrich IV, noch der Abt St. Pierre,
bewirken koͤnnen. Jndeſſen die Zerſtreuung
machte keine Einſiedler; der Trieb der Ge-
ſelligkeit, durch das Beduͤrfniß rege gemacht,
hielt doch einzelne Haufen zuſammen, die
ewige Geſellſchaften, Horden, Gauen, Re-
publiken, Koͤnigreiche, Kaiſerthuͤmer, oder
Staten errichteten. Dieſe Horden oder Sta-
ten entſtanden, wuchſen aus ſich ſelber an,
verbanden ſich mit mehreren Horden, trenn-
ten ſich wie Polypen, und lebten beide fort,
oder wurden ſchwach und ſtarben, wie ein-
zelne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlözer, August Ludwig von: August Ludwig Schlözers [...] Vorstellung seiner Universal-Historie. Bd. 1. Göttingen u. a., 1772, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schloezer_universalhistorie01_1772/28>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.